Subtiles Eiern: Forscher haben zum ersten Mal eine bestimmte Polbewegung auf einem anderen Planeten nachgewiesen – dem Mars. Auch seine Rotationsachse eiert im Jahresverlauf demnach leicht um die Mitte. Diese sogenannte Chandler-Periode lässt die irdischen Pole um rund sechs Meter hin und herschwanken. Beim Mars liegt die Auslenkung bei nur zehn Zentimetern. Ihr Ausmaß und ihre Periode liefern wertvolle Erkenntnisse über das marsianische Innenleben.
Weil die Erde keine perfekte Kugel ist, eiert ihre Rotationswachse leicht hin und her – und mit ihr auch die geografischen Pole. Sie vollführen im Jahresverlauf eine mehrere Meter umfassende spiralförmige Wanderung, die von kleineren und kurzfristigeren Bewegungen überlagert wird. Anders als die Präzession und andere Taumelbewegungen der Erdachse relativ zum Sternenhintergrund verändert sich bei diesen Polbewegungen nur die Achslage im Verhältnis zur Erdoberfläche.
Eine dieser Taumelbewegungen, die sogenannte Chandler-Periode, dauert 415 bis 433 Tage. Ihre Periode wird unter anderem von den Jahreszeiten, der Vereisung und auch tektonischen Prozessen beeinflusst.
Chandler-Polbewegung auch beim Mars
Theoretisch müsste diese Polbewegung auch bei anderen Planeten auftreten. Bisher aber war die Erde der einzige Planet im Sonnensystem, für den sich diese Chandler-Periode nachweisen ließ. „Die Chandler-Polbewegung erzeugt typischerweise ein sehr kleines Signal. Man braucht daher viele Jahre und sehr präzise Daten, um sie zu detektieren“, erklärt Erstautor Alex Konopliv vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.
Jetzt ist es Konopliv und seinem Team erstmals gelungen, dieses subtile Eiern auch beim Mars nachzuweisen. „Das ist der erste Nachweis der Chandler-Periode bei einem Planeten außer der Erde“, so die Forscher. Möglich wurde dies durch die Auswertung von 18 Jahren der Schwerefeld-Daten und der radiogestützten Positionsmessungen der NASA-Raumsonden Mars Odyssey, Mars Reconnaissance Orbiter und Mars Global Surveyor.
Marsachse taumelt um zehn Zentimeter
Das Ergebnis: Die Rotationsachse des Mars taumelt im Laufe von rund 206,9 Tagen um zehn Zentimeter um die mittlere Lage des geografischen Pols herum. Vom marsianischen Nordpol aus gesehen beschreibt die Rotationsachse des Planeten im Laufe dieser Zeit eine Art Kreis gegen den Uhrzeigersinn. Der Mars zeigt damit eine klare Parallele zur Erde: Seine Achse verändert nicht nur ihre Neigung im Laufe langer Zeiträume, sondern führt auch subtile Taumelbewegungen durch.
„Es ist erstaunlich, dass dem Team die Detektion dieser Bewegung gelungen ist“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Planetenforscher Francis Nimmo von der University of California in Santa Cruz im Magazin EOS. „Dies ist ein Zeugnis dafür, was man mit einer langen Zeitreihe richtig guter Daten erreichen kann.“
Einblick in marsianischen Mantel
Spannend ist der Nachweis dieser Polbewegung des Mars aber vor allem deshalb, weil er wertvolle Hinweise auf das Innenleben des Roten Planeten liefert. Denn Ausmaß und Periode des Chandler-Eierns werden unter anderem von Prozessen im steinernen Mantel des Planeten beeinflusst. „Die Chandler-Periode verbessert unser Verständnis der Energieverteilung im Marsmantel“, erklären Konopliv und seine Kollegen.
Über den inneren Aufbau des Roten Planeten ist bisher kaum etwas bekannt, auch wenn Forscher von einer Struktur ähnlich der der Erde ausgehen. Demnach besitzt der Mars einen eisenhaltigen, wahrscheinlich flüssigen Kern und darüber einen Mantel aus silikathaltigem Gestein. Wie genau dieser Marsmantel aber beschaffen ist, ist bislang unbekannt. (Geophysical Research Letters, 2020; doi: 10.1029/2020GL090568)
Quelle: EOS