Spannung in der Tiefe: Viele Diamanten könnten unter dem Einfluss elektrischer Felder entstanden sein, wie nun ein Hochdruck-Experiment nahelegt. Demnach kann schon eine geringe Spannung dabei helfen, Karbonate zu Kohlenstoff zu reduzieren – und unter Druck und Hitze wird dieser dann zu Diamant. Im Experiment entstanden so Diamanten, deren Kristallform, Stickstoffgehalt und Isotope dem des häufigsten natürlichen Diamanttyps entsprachen, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Diamanten entstehen, wenn Kohlenstoffatome unter hohem Druck und großer Hitze zu einer besonders kompakten Kristallstruktur komprimiert werden. Gängiger Annahme nach geschieht dies im Erdmantel in rund 150 bis 200 Kilometer Tiefe. Einige besonders große, reine Edelsteine sowie blaue Diamanten wie der Hope-Diamant haben sogar einen noch tieferen Ursprung.
Doch wie die Diamantbildung im Einzelnen abläuft und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, ist bislang erst in Ansätzen geklärt. So könnten in manchen Fällen Änderungen des pH-Werts eine Rolle spielen, in anderen wird die Kristallbildung durch flüssiges Metall in Gesteinsporen begünstigt. Es gibt aber auch Edelsteine, die bei überraschend wenig Hitze und Druck in abgetauchter Ozeankruste entstanden sind.
Elektrische Felder als Reduktionshelfer
Jetzt könnten Forscher noch einen Faktor identifiziert haben, der die Entstehung von Diamant fördert – elektrische Felder. „Unsere Arbeit beruht auf der Hypothese, dass die Diamantbildung im Erdmantel auf einem elektrochemischen Prozess beruht, der durch die hohe Leitfähigkeit der Mantelschmelzen und -flüssigkeiten ermöglicht wird“, erklären Yuri Palyanov von der Staatsuniversität Nowosibirsk und seine Kollegen.
Damit beispielsweise aus Karbonaten zunächst Kohlenstoff und dann aus ihm Diamant werden kann, müssen diese Ausgangsverbindungen reduziert werden. Für diese Redox-Reaktionen sind zusätzliche Elektronen nötig, die entweder ein geeigneter Reaktionspartner liefern kann, die aber auch aus schwachen elektrischen Feldern im Mantelgestein stammen können. Nach Berechnungen der Forscher könnte dafür schon eine Spannung von weniger als einem Volt ausreichen.
Vom Karbonat zum Diamant
Um herauszufinden, ob das auch praktisch funktioniert, haben Palyanov und sein Team sich den Erdmantel gewissermaßen ins Labor geholt: Sie füllen das Ausgangsmaterial – Karbonat- oder Karbonat-Silikat-Pulver – in eine nur wenige Kubikmillimeter große Platinkapsel mit zwei Elektroden. Diese Kapsel wird dann auf 1.300 bis 1.600 Grad Celsius aufgeheizt und in einer Hochdruckpresse mit bis zu 7,5 Gigapascal Druck komprimiert. Je nach Versuchsdurchgang legten die Forscher zudem keine oder 0,4 bis 1 Volt Spannung an.
Es zeigten sich klare Unterschiede: War eine elektrische Spannung angelegt, wuchsen aus der Karbonatschmelze nach einigen Stunden winzige Diamantkristalle. Die bis zu 200 Mikrometer großen Edelsteine zeigten eine diamanttypische oktaedrische Form und waren von weiteren Mineralen umgeben, die häufig im Umfeld natürlicher Diamanten vorkommen, wie die Forscher feststellten.
Anders war dies ohne Strom: „In Kontrollexperimenten mit der gleichen Ausgangs-Zusammensetzung, aber in Abwesenheit eines elektrischen Felds entstanden weder Graphit noch Diamant“, berichten Palyanov und seine Kollegen.
Merkmale wie natürliche Typ-Ia-Diamanten
Nähere Analysen ergaben, dass die bei diesem Experiment erzeugten Diamanten ihren natürlichen Vorbildern durchaus entsprechen: „Wir stellen fest, dass einige Merkmale der von uns synthetisierten Diamanten, darunter die oktaedrische Morphologie, der relativ hohe Gehalt an Stickstoff-Fremdatomen und die Präsenz von Einschlüssen aus Silikat-Karbonat, auch bei natürlichen Typ-Ia-Diamanten häufig vorkommen“, konstatieren sie. Mehr als 95 Prozent der Diamanten auf dem Weltmarkt gehören diesem Typ an.
Interessant auch: Die unter Spannung synthetisierten Diamanten zeigen eine ähnliche Isotopen-Zusammensetzung wie manche natürliche Edelsteine. „Sie haben einen geringeren Anteil von Kohlenstioff-13 als die Karbonat- und Karbonat-Silikat-Schmelzen, aus denen die hervorgegangen sind“, berichten Palyanov und sein Team. Ermittelt haben sie dies im Sekundär-Ionen-Massenspektrometer am GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ).
„Damit haben wir quasi das letzte Puzzleteil geliefert, um die Theorie zu bestätigen“, sagt Koautor Michael Wiedenbeck vom GFZ. „Wir haben gezeigt, dass das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope C13 zu C12 exakt den vorhergesagten Werten entspricht.“
Vielfalt der Mechanismen und Auslöser
Nach Ansicht der Wissenschaftler sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass elektrische Felder die Bildung von Diamanten begünstigen können – auch unter natürlichen Bedingungen. „Unsere Resultate zeigen deutlich, dass elektrische Felder als ein wichtiger zusätzlicher Faktor betrachtet werden sollten, der die Kristallisation von Diamanten beeinflusst“, sagt Palyanov.
Gleichzeitig bestätigen die Versuche, dass Diamanten auf ganz unterschiedliche Ursprünge und Entstehungsprozesse zurückgehen können. „Angesichts der enormem Vielfalt von natürlichen Diamanten in Bezug auf ihre Morphologie, ihre Einschlüsse, das Alter, sowie die petrologischen und geodynamischen Umstände ihrer Herkunft, liegt es nahe, dass auch verschiedene Mechanismen für ihre Bildung verantwortlich sind“, konstatieren die Wissenschaftler. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abb4644)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ