Astronomie

Gammastrahlenquelle entpuppt sich als „Schwarze Witwe“

Schnell rotierender Neutronenstern erodiert seinen leichteren Begleiter

PSR J2039−5617
Wie eine Schwarze Witwe zerstört der kompakte Pulsar J2039-5617 (rechts) seinen stellaren Begleiter – er verformt ihn und reißt dessen Plasma hinaus ins All. © Knispel, Clark/ Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/ NASA/GSFC

Geheimnis gelüftet: Schon seit Jahren rätseln Astronomen, was hinter einer periodischen, aber leicht unregelmäßigen Gammastrahlenquelle steckt. Jetzt belegen Daten des Citizen-Science-Projekts Einstein@Home, dass eine spezielle Art des Pulsars diese Strahlung erzeugt. Dieser „Spinnen“-Pulsar erodiert nach und nach seinen leichteren Begleitstern – und dessen unregelmäßige Hitzeabstahlung und ins All gerissenes Plasma verzerren die Gammapulse.

Sie werden Schwarze Witwen oder Redbacks genannt – Pulsare, die wie diese kannibalistischen Spinnen ihre Begleiter zerstören. Bei diesen Systemen handelt es sich um schnell rotierende Neutronensterne, sogenannte Millisekundenpulsare, die mit einem kleinen, normalen Begleitstern ein Doppelsystem bilden. Im Laufe der Zeit wird dieser durch den starken Teilchenwind und die intensive, energiereiche Strahlung des Pulsars erst erodiert, dann komplett verdampft.

Hinter Plasma-Schlieren verborgen

Das Problem jedoch: Diese „Spinnen“-Pulsare sind nicht leicht zu finden. Nur eine Handvoll von ihnen gingen den Astronomen bei den klassischen Pulsarfahndungen per Radioteleskop ins Netz. Der Grund: „Das Plasma vom Begleitstern kann die Pulse des Millisekundenpulsars über weite Teile seines Orbits verdecken, verzerren und streuen“, erklären Colin Clark vom Jodrell Bank Centre for Astrophysics und seine Kollegen.

Als Folge fehlt die sonst für Pulsare charakteristische Regelmäßigkeit der Pulse. Abhilfe und mehr Aufschluss können in einem solchen Fall aber Gammastrahlen-Beobachtungen liefern. Denn diese ebenfalls vom Neutronenstern ausgehenden extrem kurzwelligen Strahlenpulse lassen sich trotz des im System kreisenden Plasmas identifizieren – sofern man die genauen orbitalen Parameter des Systems kennt.

Einstein@Home hilft bei Gammastrahlen-Auswertung

Doch genau an diesem Punkt haperte es bei der 2015 entdeckten Gammastrahlenquelle 3FGL J2039.65618. Alles deutete darauf hin, dass sich auch hinter diesem Phänomen ein „Spinnen“-Pulsar verbergen könnte. Beobachtungen im sichtbaren Licht und in Röntgenstrahlen zeigten eine Lichtkurve mit zwei ungleichen Peaks und einer möglichen Umlaufzeit für einen Begleiter von 5,5 Stunden. Doch es gelang den Astronomen nicht, den dahintersteckenden Pulsar eindeutig zu identifizieren.

Das hat sich jetzt geändert – dank des Citizen-Science-Projekts Einstein@Home. Mithilfe der von den tausenden freiwilligen Helfern bereitgestellten Rechenleistung ihrer Computer konnten die Forscher elf Jahre der Beobachtungsdaten des Fermi-Gammastrahlenteleskops der NASA auswerten und das Muster der Gammastrahlen-Pulse aus diesem System entschlüsseln. Mit einem Rechner hätte dies 500 Jahre gedauert, dank Einstein@Home gelang es in zwei Monaten.

„Nur mit der Rechenleistung, die Zehntausende von Freiwilligen für Einstein@Home zur Verfügung gestellt haben, war es möglich, den Schleier zu lüften und das Pulsieren der Gammastrahlung zu entdecken“, sagt Koautor Lars Nieder vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.

„Redback“-Pulsar auf frischer Tat ertappt

Die neuen Daten bestätigen, dass sich in dem System tatsächlich ein „Spinnen“-Pulsar verbirgt. „Dies ist der erste Redback-Pulsar, der aufgrund seiner Gammastrahlen-Pulse entdeckt wurde“, sagen die Forscher. Der Pulsar dreht sich rund 377-mal in der Sekunde um such selbst und ist rund 1,2 bis 1,6-fach schwerer als die Sonne. Sein Begleiter ist jedoch, wie für „Spinnen“-Pulsare typisch, weit leichter: Er wiegt nur noch 0,15 bis 0,22 Sonnenmassen.

Während der leichtgewichtige Begleitstern den Pulsar J2039-5617 umkreist, verdampfen dessen starke Strahlung und der Teilchenwind ihn allmählich. Die vom Stern abgetragene Materie bildet im Doppelsternsystem Wolken aus geladenen Teilchen, die Radiowellen absorbieren. Dies ist einer der Gründe dafür, dass frühere Suchen nach der pulsierenden Radiostrahlung des Neutronensterns fehlgeschlagen sind.

Begleitstern ist verformt und ungleichmäßig heiß

Die Gammastrahlen-Daten verraten jedoch noch mehr über dieses System: „Der Pulsar erwärmt eine Seite des leichtgewichtigen Begleitsterns, die dadurch heller und bläulicher leuchtet“, erklärt Clark. „Zusätzlich wird der Begleiter durch die Anziehungskraft des Pulsars verformt, wodurch die scheinbare Größe des Sterns während des Umlaufs schwankt.“

Auch die Umlaufbahn des Sterns verändert sich im Laufe der Zeit: „Wir stellten fest, dass die Bahnperiode des Begleiters über die elf Jahre leicht und unvorhersehbar variiert“, sagt Nieder. Diese Schwankungen der Bahnperiode um rund zehn Millisekunden könnten durch die magnetische Aktivität des Sterns verursacht werden. Sie verformt das Plasma und das wiederum verändert das Gravitationsfeld des Sterns, was sich wiederum auf die Bahn des Pulsars und seines Begleiters auswirkt.

Hoffnung auf weitere Funde

„Wir kennen Dutzende von ähnlichen Gammastrahlenquellen, die das Fermi-Weltraumteleskop gefunden hat und deren wahre Identität noch immer unklar ist“, sagt Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Direktor und Gründer von Einstein@Home. „Viele könnten Pulsare sein, die in Doppelsystemen versteckt sind, und wir werden mit Einstein@Home weiter nach ihnen suchen.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2021; doi: 10.1093/mnras/staa3484)

Quelle: University of Manchester, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

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