Für Extremwinde gerüstet: Ein neuer Weltatlas der Windextreme soll dabei helfen, geeignete Standorte für die Windenergie zu finden – und den richtigen Turbinentyp für den jeweiligen Standort. Denn dafür muss bekannt sein, wie stark der Wind in rund 100 Meter Höhe – in Höhe der Turbinennabe – im Extremfall wehen kann. Diese Information liefert nun ein globaler, hochauflösender und vereinheitlichter Windatlas der Extremwinde.
Weltweit sind inzwischen Windräder mit insgesamt mehr als 650 Gigawatt Leistung installiert – jeweils rund ein Drittel davon in Europa und in China, 17 Prozent in den USA. In vielen anderen Regionen gibt es noch reichlich Ausbaumöglichkeiten. Entscheidend für einen geeigneten Standort ist nicht nur, dass der Wind dort reichlich und ausdauernd weht, sondern auch wie stark er dies im Extremfall tut.
Turbinentyp muss an Windstärke angepasst sein
Um Schäden und vorzeitige Abnutzung zu vermeiden, muss der Turbinentyp an die maximal zu erwartende Windgeschwindigkeit angepasst sein. Die verschiedenen Turbinenklassen sind so ausgelegt, dass sie je nach Konstruktion mindestens zehn Minuten lang die fünffache Last des mittleren Windes aushalten müssen. Im Idealfall bedeutet dies, dass sie auch Extremwinde, die rein rechnerisch nur alle 50 Jahre vorkommen, zehn Minuten lang überstehen, bevor sie abgeschaltet werden.
Bisher allerdings gab es für die Extremwinde in Nabenhöhe der typischen Windanlagen keinen global einheitlichen Windatlas, wie Sara Pryor und Rebecca Barthelmie von der Cornell University in Ithaca erklären. „An vielen Orten waren die Schätzwerte für die zu erwartenden Windbelastungen mit großer Unsicherheit behaftet, weil die Messungen vor Ort oft nur punktuell und kurzzeitig möglich sind“, so die Forscherinnen.
Windextreme in 100 Meter Höhe
Deshalb haben sie auf Basis von Wetterdaten und Windmodellen eine erste öffentlich verfügbare Weltkarte der Starkwinde in 100 Meter Höhe über Grund erstellt – in der Höhe, in der heute die meisten Windturbinen liegen. Die Auflösung liegt bei 0,25 Grad pro Rasterzelle. Das digitale Kompendium gibt für alle Teile der Welt die extremen Windgeschwindigkeiten an und vereinheitlicht dafür die Daten aus unterschiedlichsten Quellen.
Der Windatlas zeigt unter anderem, dass in den Küstengebieten und an Land nur sehr wenige Gebiete zu starke Winde für die Windenergie aufweisen. „3,7 Prozent aller Rasterzellen in diesen Bereichen überschreiten den Maximumwert von 37,5 Metern pro Sekunde für eine Klasse-III-Windturbine“, so die Forscherinnen. Für die robusteren Klasse-I-Turbinen liegen sogar nur 0,08 Prozent aller Rasterzellen über den maximalen 50 Metern pro Sekunde.
Daten für die Windenergie, aber auch Hochhäuser und andere Bauten
„Diese Information stellt sicher, dass die richtigen Windturbinen für die spezifischen Standorte ausgewählt werden“, sagt Pryor. „Und das trägt zur kosteneffizienten und verlässlichen Erzeugung von Strom aus Windkraft bei.“ Doch die Kenntnis der Windextreme hat auch über die Windenergie hinaus Relevanz: „Die akkurate Quantifizierung der Extremwinde ist auch für das Bauingenieurswesen ein wichtiger Faktor“, erklären die Wissenschaftlerinnen.
Der neue Windatlas könnte beispielsweise zur besseren Risikobewertung beim Bau von Hochhäusern, Brücken oder anderer potenziell windanfälliger Infrastruktur beitragen, so Pryor und Barthelmie. Noch ist ihr Windatlas nicht öffentlich zugänglich, das soll aber bald erfolgen. (Nature Energy, 2021; doi: 10.1038/s41560-020-00773-7)
Quelle: Cornell University