Akrobatisches Manöver: Wenn Libellen durch eine Windböe oder einen Schubs ins Trudeln geraten oder auf den Rücken gedreht werden, reagieren sie sofort: Durch einen Rückwärtssalto in der Luft katapultieren sich die Insekten wieder in die aufrechte Flugposition. Ungewöhnlich jedoch: Dieses Manöver machen die Libellen sogar dann, wenn sie bewusstlos sind.
Libellen sind wahre Flugkünstler: Sie können rückwärts fliegen, gleiten und auf der Flucht vor einer Gefahr bis zu 50 Stundenkilometer schnell werden. Möglich wird dies, weil sie anders als manche andere Insekten ihre beiden Flügelpaare unabhängig voneinander bewegen können. Die große Flügelspannweite gibt ihnen zudem reichlichen Auftrieb. Unter anderem deshalb kann die Wanderlibelle auf ihren saisonalen Flügen sogar mehr als 7.000 Kilometer zurücklegen – Rekord im Insektenreich.
Motion-Capture enthüllt Flugmanöver
Ein weiteres Kunststück der Meisterflieger haben nun Samuel Fabian und seine Kollegen vom Imperial College London aufgedeckt. Auf die Spur kamen sie den Libellen mithilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera und der Technik des Motions-Tracking. Dafür brachten sie winzige Marker an Körper, Kopf, Beinen und Flügeln von 20 Großen Heidelibellen (Sympetrum striolatum) an.
Ähnlich wie bei der in Hollywood eingesetzten CGI-Technik zeichnete die Spezialkamera die Position dieser Marker auf und eine Software erstelle daraus 3D-Modelle der Bewegung. Im Experiment beobachteten Fabian und sein Team dann, wie sich die Libellen verhalten, wenn sie rückwärts durch die Luft fallen. Dazu kann es in der Natur kommen, wenn ein Schubs oder eine Windböe die Insekten von ihrem Sitzplatz reißt oder sie im Flug in Turbulenzen geraten.
Salto in der Luft – auch bewusstlos
Die 3D-Analysen enthüllten Überraschendes: Sobald die Libelle merkt, dass sie im freien Fall ist, vollführt sie ein instinktives Manöver, um wieder in die aufrechte Flugposition zu kommen. Doch anders als fallende Katzen dreht sie sich dabei nicht um ihre Längsachse, sondern macht einen Rückwärtssalto. Dieses akrobatische Manöver führt das Insekt sowohl dann durch, wenn es mit dem Kopf nach unten fällt, als auch wenn es auf den Rücken liegt oder anderweitig falsch herum fällt.
Interessant auch: Die Libellen machten diesen Rückwärtssalto sogar dann, wenn sie erst durch Kälte betäubt und dann verkehrt herum fallen gelassen wurden. Das spricht dafür, dass die Meisterflieger instinktiv und zum großen Teil passiv auf den freien Fall reagieren, wie Fabian und seine Kollegen erklären. Nähere Analysen ergaben, dass die luftige Drehung durch eine Kombination von Flügelstellung und Körperdrehung erreicht wird.
Vorbild für Drohnen
Nach Ansicht der Forscher könnte die Libellen damit zum Vorbild auch für menschengemachte Flugobjekte dienen. „Drohnen müssen sich auf eine schnelle, aktive Reaktion verlassen, um trotz Turbulenzen aufrecht und auf Kurs zu bleiben“, sagt Fabians Kollege Huai-Ti Lin. „Aber unsere Erkenntnisse zum Stabilisierungssystem der Libellen könnte Ingenieuren dabei helfen, passive Mechanismen zur Optimierung des Fluges zu entwickeln und einzubauen.“
Denn die Fähigkeit, sich in der Luft auch ohne aktives Flügelschlagen oder Motorabtrieb aufrecht zu halten, spart einiges an Energie. „Die passive Stabilität verringert die Fluganstrengung und dies hat wahrscheinlich auch bei den Libellen zur Entwicklung dieser Fähigkeit geführt“, sagt Fabian. „Libellen die solche passiven Manöver beherrschen, verbrauchen weniger Energie und haben daher einen Vorteil.“ (Proceedings of the Royal Society B, 20231; doi: 10.1098/rspb.2020.2676)
Quelle: Imperial College London