Energie aus dem Berg: Der Brenner-Basistunnel könnte nach seiner Fertigstellung nicht nur dem Bahnverkehr nutzen, sondern auch geothermische Energie liefern – klimafreundliche Wärme und Kühlung für die Stadt Innsbruck. Wie gut sich das Drainagewasser des Tunnels für diese Tunnel-Geothermie eignet und welche Technologien und Baumaßnahmen dafür nötig sind, untersuchen Wissenschaftler jetzt in einem Pilotprojekt.
Die Idee ist nicht neu: Ähnlich wie man durch spezielle Bohrungen Erdwärme aus der Tiefe gewinnen kann, lassen sich auch Tunnelbauten für die Geothermie nutzen. Denn sie sind das ganze Jahr hindurch gleichmäßig temperiert: Im Sommer sind sie kühler als die Oberfläche, im Winter wärmer. Über Wärmepumpen lassen sich diese Temperaturunterschiede verstärken und zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden einsetzen.
Noch einfacher wird es, wenn man das in vielen Tunneln ohnehin anfallende Drainagewasser als geothermische Quelle nutzen kann. Solche Erdwärme-Anlagen gibt es beispielsweise am Gotthard-Tunnel und am Furka-Eisenbahntunnel in der Schweiz.
Testfeld Brenner-Basistunnel
Ob das auch beim künftigen Brenner-Basistunnel funktioniert und wie man die Tunnel-Geothermie bei diesem Bauwerk am besten umsetzt, untersucht ein Forschungsverbund unter Leitung der TU Graz jetzt in einem Projekt. Der Basistunnel ist zurzeit im Bau und soll in rund zehn Jahren fertig gestellt werden. Der insgesamt 64 Kilometer lange Tunnel durchquert die Alpen zwischen Innsbruck und dem Südtiroler Bahnhof Franzensfeste und wird bei Fertigstellung der längste Eisenbahntunnel der Welt sein.
Ziel des Projekt ist es, das geothermische Potenzial des Brenner-Basistunnels zu ermitteln: „Wir untersuchen, ob und wie das Drainagewasser aus dem Brenner Basistunnel zum klimafreundlichen Heizen und Kühlen von Häusern oder sogar ganzen Stadtvierteln in Innsbruck genutzt werden kann“, erklärt Thomas Marcher von der TU Graz. Innerhalb eines Jahres wollen die Forschenden eine erste Abschätzung treffen, welche infrastrukturellen Maßnahmen es braucht, um die höchste Energieausbeute zu erzielen.
Vom Tunnel bis nach Innsbruck
Weil der Tunnel tief unter dem Deckgebirge hindurchführt, ist das aus dem Fels austretende Wasser gleichmäßig warm – bei der schon bestehenden Anlage am Gotthard-Straßentunnel hat das Drainagewasser beispielsweise eine Temperatur von 15 Grad. Wie warm das Wasser des Brenner-Basistunnels sein wird und wie viel davon anfällt, muss das Team noch ermitteln. „Wir testen auch Möglichkeiten, ob und wie wir die Temperatur des Drainagewassers auf ein höheres Niveau bringen können“, erklärt Projektkoordinator Thomas Geisler von der TU Graz.
Eine Möglichkeit, die Erdwärme des Tunnels effektiv zu nutzen, bieten sogenannte Absorber-Techniken, bei denen spezielle Leitungen in der Tunnelinnenwand verbaut werden. Durch sie fließt das Drainagewasser ab und nimmt dabei weiterhin die Gebirgswärme auf. „Darüber hinaus wollen wir klären, wie eine sinnvolle ökonomische Verteilung des Wassers hinein in die Haushalte erfolgen kann und wie die Wärmepumpen und die Wärmeübertrager geplant oder adaptiert werden müssen“, so Geisler.
Arbeitsplatz Erkundungstollen
Der Brenner-Basistunnel könnte besonders gute Bedingungen für die Tunnel-Geothermie bieten. Denn durch seine Länge und seine Neigung zu Innsbruck hin fließt das Tunnelwasser im Brenner Basistunnel automatisch und ohne zusätzlichen Pumpenaufwand auf die Stadt zu. Außerdem befindet sich unter den Hauptröhren ein Erkundungsstollen, der schon fast fertiggestellt ist und über den auch das Drainagewasser zukünftig abgeleitet wird.
Im Erkundungsstollen können die Wissenschaftler somit Konzepte zur Energiegewinnung entwickeln, die aktuellen Bau und den späteren Bahnbetrieb nicht behindern. Dabei muss auch die langfristige Wirkung auf die Gebirgsumgebung berücksichtig werden: „Wir müssen intensiv überprüfen, wie sich der Wärmeentzug langfristig auf die thermophysikalischen Eigenschaften des Gebirges auswirkt“, betont Geisler.
Nützlich auch für andere Untertage-Projekte
Die Ergebnisse sollen auch anderen Tunnelprojekten zugutekommen. Denn die Forschenden wollen auch untersuchen, mit welchen Technologien aktuelle Tunnelbauprojekte ergänzt und bereits aktive Tunnelanlagen nachgerüstet werden können, um ihr energetisches Potenzial voll auszuschöpfen. „Das oberirdische Platzangebot wird immer knapper und der Energiebedarf immer größer. Untertagebauwerke sind natürliche Energie- und Wärmequellen“, sagt Marcher.
„Nicht nur aus ökologischer Sicht, auch aus Platzgründen ist es also nur gut und sinnvoll, diese Infrastruktur zukünftig verstärkt für die Energieversorgung zu nutzen“, so der Forscher weiter.
Quelle: Technische Universität Graz