In einen Experiment mit Cäsium-Atomen hat ein Forscherteam um Manolo Lam von der Universität Bonn erstmals das Tempolimit beim Quanten-Transport bestimmt. Was dies bedeutet und warum die Kenntnis dieser Grenze für komplexe Quantenprozesse so wichtig ist, erklärt Tommaso Calarco. Quantenphysikern am Forschungszentrum Jülich und Professor für Theoretische Physik an der Universität zu Köln.
Herr Professor Calarco, welche Bedeutung hatte dieses Experiment?
Das war tatsächlich ein echtes „Textbook-Experiment“, also ein Experiment fürs Lehrbuch. Es gab vorher schon Anzeichen, dass es so etwas wie ein Quanten-Speed-Limit gibt. Aber eine systematische Untersuchung, speziell für den Quanten-Transport, gab es bisher noch nicht. Das Ergebnis ist natürlich wissenschaftlich sehr interessant, und es ist auch technologisch wichtig.
Inwiefern ist dieser Wert, den Sie gefunden haben, wichtig für künftige Anwendungen?
Das Problem ist: Bei einem Quantencomputer kann man es nicht vermeiden, dass durch Wechselwirkungen mit der Umgebung sogenannte Dekohärenz erzeugt wird. Nach einer gewissen Zeit verliert jedes Quantensystem seine Quanteneigenschaften. Deshalb muss man alle Operationen innerhalb dieser Kohärenzzeit durchführen.
Im Experiment ging es um den Transport von Atomen. Ähnliche Operationen laufen auch in einem Quantencomputer ab. Wenn Quantenbits durch Atome realisiert werden, dann müssen diese von einer Region im Prozessor in eine andere verschoben werden. Das ist exakt der Prozess, den man sehr schnell machen muss, sonst verliere ich meine Kohärenz. Dank des Quanten-Speed-Limits kann man nun genau vorhersagen, welche Geschwindigkeit theoretisch möglich ist.
Was bedeutet das Limit für die Rechengeschwindigkeit von Quantencomputern – werden die vielleicht gar nicht so schnell sein wie gedacht?
Nein, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Dass ein Quantencomputer so schnell rechnen kann, hat in erster Linie nicht mit der Dauer, sondern mit der Anzahl der Operationen zu tun. Ein Quantencomputer braucht viel weniger Operationen als ein klassischer Computer, um eine bestimmte Aufgabe zu meistern. Mit einem Quantencomputer zu rechnen ist so ähnlich, wie den Ausgang aus einem Labyrinth zu finden, ohne alle möglichen Wege nacheinander prüfen zu müssen. Darin liegt auch die Beschleunigung: Den Quantencomputer muss ich nur einmal durch das Labyrinth schicken, während ich mit einem klassischen Computer sehr viele Wege ausprobieren muss.
In diesem Sinne ergeben sich für die Rechengeschwindigkeit eines Quantencomputers also keine Konsequenzen. Das Quanten-Speed-Limit ist aber aus einem anderen Grund interessant. Und zwar geht es da um die Frage, wie viele Quanten-Operationen ich durchführen kann, bevor es zur Dekohärenz kommt.
Sie vergleichen Ihre Quanten-Kontrollmethoden gerne mit der Tätigkeit eines erfahrenen Kellners. Wo liegen die Gemeinsamkeiten?
Wenn ich ein Atom von einer Stelle zur anderen transportieren will, dann verhält sich mein Atom nicht wie ein Punkt, sondern wie eine Welle, wie eine Flüssigkeit in einem Glas, und ich muss vermeiden, dass sie raus geht. Wir haben es also mit einer ähnlichen Aufgabe zu tun wie ein Kellner, der ein Tablett mit Gläsern zu den Gästen an den Tisch bringen will, ohne dabei etwas zu verschütten.
Im Labor nutzen wir Laserfelder, die verhindern, dass das Atom verloren geht. Und das ist schwierig. Ich könnte das Atom natürlich ganz langsam bewegen. Das ist aber nicht sehr effizient. Auch der Kellner könnte ja ganz langsam laufen. Aber dann dauert es möglicherweise zu lange, wenn gerade viel los ist, oder der Champagner wird warm. Ein erfahrener Kellner wird daher das Tablett kippen, um schneller zu werden. Danach dreht er es wieder, um abzubremsen und so den gesamten Vorgang zu beschleunigen.
Man kann eigentlich nur iterativ lernen, wie es am besten funktioniert. Unser Algorithmus macht das automatisch, mit Atomen. Der schnellste Weg ist nicht immer direkt von A nach B. Oft muss man die Atome hin und her bewegen, in einer Art Wellenbewegung. Auf der Website www.scienceathome.org kann diese Aufgabe jeder nachspielen und testen, wie das funktioniert.
Quelle: Forschungszentrum Jülich