In Deutschland gibt es klare Regeln, wofür Tierversuche benutzt werden dürfen: etwa für medizinische Tests, Verhaltensexperimente, die Ausbildung von Ärzten und Biologen oder um beispielsweise Pflanzenschutzmittel auf ihren Umweltauswirkungen zu testen. Außerdem ist es erlaubt, bestimmte Chemikalien sowie Lebensmittel und Gefahrstoffe an Tieren im Labor auszuprobieren. Zudem werden sie auch zur Raumfahrtforschung genutzt und um Schutzmaßnahmen gegen Waffen und Kampfstoffe zu entwickeln.
In Deutschland verboten sind hingegen Tierversuche, um Waffen und andere militärische Ausrüstung zu entwickeln. Ebenso wenig erlaubt sind Tests für Waschmittel oder Tabakerzeugnisse. Seit 2004 gilt zumindest in der Europäischen Union gleiches auch für Kosmetika. Zudem dürfen seit 2013 Kosmetik und Inhaltstoffe von Kosmetika, die außerhalb der Europäischen Union an Tieren getestet wurden, nicht mehr bei uns verkauft werden.
Wofür genau?
Besonders häufig sind Tierversuche in der Medizin. Die meisten Tiere werden eigens für die Forschungszwecke gezüchtet und ihr ganzes Leben unter anderem in den Versuchslabors von Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Pharmaunternehmen gehalten. Die dortigen Tests an den lebendigen Tieren dienen vor allem der medizinischen Grundlagenforschung.
Denn ob Mäuse, Fische oder Affen – hinsichtlich bestimmter Körperfunktionen ähneln uns alle diese Tiere. Zum Beispiel können Forscher die ersten Stadien der Embryonalentwicklung von Fischen und dem Menschen vergleichen, weil sie anfangs in etwa gleich sind. Außerdem lernen Wissenschaftler auch die Grundlagen und Funktionsweise von Genen, indem sie dies an Bakterien, Würmern, Fruchtfliegen oder Mäusen erforschen. So geht etwa die Entdeckung der Tumor-unterdrückenden Gene im Erbgut auf Tierversuche an Mäusen zurück.
Als besonders hilfreich gelten die Tierversuche zudem, um modellhaft hochentwickelte Organe und das komplexe Zusammenwirken mehrerer Organsysteme zu untersuchen. So kann man zum Beispiel anhand des einfachen Fliegengehirns oder der Nerven von Würmern auf Teile des menschlichen Nervensystems schließen. Und Forschungen an Hunden oder Schweinen ermöglichen es, unser Herzkreislaufsystem besser zu verstehen. Das Immunsystem von Mäusen, Ratten oder Frettchen kann dagegen Hinweise zu unserer Immunabwehr liefern.
Auch für Medikamententest
Neben der Grundlagenforschung spielen Tierversuche auch für die Erprobung neuer Therapien eine wichtige Rolle. So testen Forscher an den Tieren zum Beispiel, was in ihrem Körper passiert, wenn sie eine bestimmte Krankheit haben. Oder sie prüfen, welche Medikamente und Behandlungen welche Nebenwirkungen für die Tiere und dementsprechend womöglich auch für den Menschen haben könnten.
Laut Schätzungen der Deutschen Forschungsgesellschaft können Tierversuche bei Medikamenten etwa 70 Prozent der erwünschten und unerwünschten Wirkungen vorhersagen. So wirkt zum Beispiel die Acetylsalicylsäure im Schmerzmittel Aspirin bei Ratten ebenso schmerzlindernd wie beim Menschen. Außerdem haben etwa das Schmerzmittel Buprenorphin oder das Narkosemittel Propofol beim Tier und beim Menschen ähnliche Wirkungen und können deshalb in der Human- und ebenso in der Veterinärmedizin genutzt werden.
Erfolge durch Tierversuche
Ein berühmtes Beispiel für ein unter anderem mittels Tierversuchen entwickelten Medikaments ist Penicillin: Zunächst entdeckte der Wissenschaftler Alexander Fleming 1928, dass in einer mit dem Schimmelpilz Penicillium chrysogenum verunreinigten Reagenzschale Bakterien nicht überlebten. Um herauszufinden, ob sich der Pilz möglicherweise auch beim Menschen als Wirkstoff gegen bakterielle Infektionen eignen könnte, prüften ihn Forscher 1940 an Mäusen, die er mit Streptokokken infizierte. Tatsächlich überlebten die Nager dank des Penicillins die sonst tödliche Infektion. Ein Jahr später wurde es erstmals bei Menschen eingesetzt und gilt seither als wichtiges Antibiotikum.
Auch die Wirkung von Insulin zur Diabetes-Behandlung wurde durch Tierversuche nachgewiesen: Die beiden Mediziner Frederick Grant Banting und Charles Best versuchten jahrelang, das Hormon aus der Bauchspeicheldrüse von Hunden und Kälbern zu gewinnen. Im Jahr 1921 gelang es ihnen und sie spritzten das isolierte Insulin einem zuckerkranken Tier, dessen Blutzuckerspiegel schließlich sank.
Von künstlichen Organen bis zu Impfstoffen
Außerdem wären ohne Tierversuche auch beispielsweise keine Bluttransfusionen und Organtransplantationen möglich. Letztere wurden in den 1980-er Jahren an Hunden und Schweinen getestet. Ebenso gelten künstlichen Herzklappen für den Menschen als Forschungserfolg der Tiertests – sie wurden erst an Schafen getestet.
Zudem beruhen die Erfindungen von modernen Narkosemitteln sowie von Impfstoffen gegen Tetanus, Kinderlähmung (Poliomyelitis), Tuberkulose, Gehirnhautentzündungen (Meningitis) und auch gegen humane Papillomaviren (HPV) auf Tierversuchen. Und der Impfstoff gegen Ebola wurde beispielsweise erst an Schimpansen getestet. Auch Corona-Impfstoffe erproben Forscher zunächst mit Tierversuchen an Mäusen, Ratten, Frettchen und manchmal auch an Rhesusaffen (Macaca mulatta).
Die Bedeutung der Tierexperimente wird auch daran deutlich, dass 89 Prozent aller seit 1901 verliehenen Nobelpreise für Physiologie und Medizin auf Ergebnisse, die ganz oder teilweise durch Tierversuche gewonnen werden konnten, zurückgehen.