Spektakulärer Fund: Bei Ausgrabungen in Pompeji haben Archäologen einen reich verzierten römischen Festwagen entdeckt. Die vierrädrige Kutsche ist mitsamt ihrer Deichsel, bronzenen Verzierungen und erotischen Reliefs an der Seitenwand erhalten – es ist der erste Fund einer solchen Zeremonialkutsche in ganz Italien. Sie wurde beim Ausbruch des Vesuv vor knapp 2.000 Jahren von vulkanischem Material begraben und konserviert.
Als der Vesuv im Jahr 79 ausbrach und Pompeji und Herculaneum unter Asche und Lava begrub, verwandelte er diese römischen Städte in eine Zeitkapsel. Denn im Vulkanmaterial eingebettet blieben einzigartige Zeugnisse antiken Lebens erhalten. Neben Gebäuden, Fresken und Alltagsobjekten konservierte die Asche auch die Überreste von auf der Flucht überraschten Stadtbewohnern und sogar ihre Gehirnzellen.
Vierrädriger Festwagen im Stallhof verschüttet
Jetzt haben Archäologen bei Ausgrabungen in Civita Giuliana, einem Villengrundstück in einem nördlichen Vorort Pompejis, erneut einen spektakulären Fund gemacht. Im Vorhof des antiken Stallgebäudes stießen sie in der meterdicken Schicht aus vulkanischem Material auf die Überreste einer zeremoniellen Kutsche. Wie durch ein Wunder hatte dieser Festwagen den Einsturz der Wände und des hölzernen Dachs dieses Stallhofs heil überstanden.
Die Kutsche besitzt vier über eine komplexe Mechanik verbundene Eisenräder und einen reich verzierten hölzernen Aufbau. Der Bereich, in dem einst eine oder zwei Personen saßen, misst 90 mal 140 Zentimeter und ist mit Rückenlehnen und metallene Armstützen ausgestattet. Das feine Vulkanmaterial hat zudem sogar die Deichsel und Reste von Seilen oder Blumenschmuck konserviert, wie die Archäologen berichten.
In Italien einzigartiger Fund
„Das ist eine außerordentliche Entdeckung und ein großer Fortschritt für unser Wissen über die antike Welt“, sagt Massimo Osanna, Direktor des Archäologischen Parks von Pompeji. „Denn in Pompeji wurden zwar schon vorher alltägliche Transportvehikel gefunden, aber noch nie etwas wie diese Kutsche aus der Civita Giuliana.“ Denn hier handele es sich um eine zeremonielle Kutsche, ein sogenanntes Pilentum, das für Feierlichkeiten, Paraden und Prozessionen eingesetzt wurde.
„Diese Art von Kutsche ist noch nie zuvor auf italienischem Boden gefunden worden“, so Osanna. Am ehesten vergleichbar ist der Fund mit Festwagen, die vor 15 Jahren in thrakischen Grabhügeln entdeckt wurden. Aber selbst diese Funde aus dem Norden Griechenlands seien nicht so reich verziert wie die jetzt in Pompeji ausgegrabene Zeremonialkutsche.
Verziert mit erotischen Szenen
Konkret bestehen die Seitenwände der Kutsche aus rot und schwarz bemalten Holzpaneelen, die mit gravierten Bronzeblechen besetzt sind. In die Bronze sind Zinnmedaillons eingelassen, die geflügelte Amoretten bei verschiedenen Aktivitäten zeigen. Die Rückwand des Festwagens ist dreiteilig und ebenfalls reich verziert. Unter anderem trägt sie mehrere Medaillons aus Bronze und Zinn mit figürlichen Reliefs. Sie stellen Männer und Frauen in erotischen Positionen dar. Auch Szenen mit Satyrn und Nymphen schmücken die Medaillons auf der Kutschenrückwand.
„Zieht man in Betracht, dass ein Pilentum laut antiken Quellen von Priesterinnen und hochrangigen Damen genutzt wurde, dann könnte es sein, dass dies eine Kutsche war, die für Hochzeitsrituale verwendet wurde“, mutmaßt Osanna. „Möglicherweise fuhr damit die Braut in ihren neuen Haushalt.“
Als das Vulkanmaterial die Kutsche unter sich begrub, könnten gerade die Vorbereitungen für eine solche Hochzeitsprozession stattgefunden haben – oder aber die Kutsche war gerade von einer solchen Fahrt zurückgekehrt. Denn unweit ihres Fundorts haben die Archäologen im Jahr 2018 schon die Überreste von drei Pferden ausgegraben, von denen eines noch sein reich verziertes Bronze-Kopfgeschirr trug.
Nur knapp den Plünderern entgangen
Der Fund dieses bislang einzigartigen Gefährts ist in doppelter Hinsicht ein Glücksfall, wie die Archäologen berichten. Denn die Kutsche entging nur knapp dem Raub durch Plünderer, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten Dutzende Tunnel in den noch unerforschten Teilen Pompejis gegraben haben. Zwei dieser Tunnel führten unmittelbar an der Kutsche vorbei. Die aktuellen Ausgrabungen dienen daher auch dazu, die noch vorhandenen Artefakte vor Raub und Zerstörung zu schützen, wie Osanna erklärt.
Nachdem die Komponenten des römischen Festwagens in den letzten Wochen vorsichtig aus dem umgebenden Vulkanmaterial herausgelöst wurde, haben die Forscher sie in das Labor des Archäologischen Parks gebracht. Dort werden sie nun vollends von anhaftendem, Gestein befreit und restauriert.
Quelle: Pompeii Sites, Parco Archeologico di Pompei