Die Forschungen von Ulrike Niemeier und anderen Experten könnten den Anschein erwecken, als hätten sie bereits einen Climate-Engineering-Masterplan ausgetüftelt. Doch nichts läge ferner als das, sagt sie. „Um den Klimawandel zu stoppen, gibt es für mich eigentlich nur den einen Weg: Den CO2-Ausstoß so schnell wie möglich verringern. Denn eines ist klar. Das Strahlungsmanagement wäre nur ein Herumdoktern an den Symptomen – gegen das eigentliche Problem, das Kohlendioxid, richten wir damit nichts aus.“
Im Notfall das „kleinere Übel“
Dennoch sei es wichtig, das Climate-Engineering zu erforschen. Denn sollte sich das Klima irgendwann sehr schnell extrem verändern, dann könnten Maßnahmen des Klima-Managements irgendwann als Notfalloption doch noch auf die politische Agenda kommen – als das kleinere Übel im Vergleich zu massiven Klimafolgen. „Insofern sollten wir sehr genau wissen, worauf wir uns einlassen.“
Auch sei nicht auszuschließen, dass irgendwann in diesem Jahrhundert einzelne Nationen auf eigene Faust ins Climate-Engineering einsteigen – ohne sich mit der weltweiten Staatengemeinschaft abzustimmen. Politisch wäre das ein Fiasko, weil davon die ganze Welt betroffen wäre. Ein Alleingang einzelner Staaten oder einer kleinen Gruppe von Staaten dürfte damit zu etlichen Konflikten führen, etwa wenn sich in anderen Ländern die Niederschläge verringern.
Gewinner und Verlierer
Eines der interessantesten Projekte für Ulrike Niemeier war daher auch das Projekt Ceibral, in dem sie zusammen mit Hauke Schmidt sowie mit Juristen, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern, aber auch Philosophen untersucht hat, ob und wie das Climate-Engineering international einheitlich geregelt werden könnte. Im Vordergrund stand die Frage, ob man einzelne Staaten für Schäden haftbar machen könnte, die sie durch Climate-Engineering-Maßnahmen verursachen.
Für Ceibral versuchte Ulrike Niemeier aus ihren Modellergebnissen abzuleiten, wo es weltweit Gewinner und Verlierer von Climate-Engineering-Maßnahmen geben könnte. „Es ist aber ungeheuer schwierig, Schäden kausal auf eine Climate-Engineering-Maßnahme zurückzuführen“, sagt sie. „Als Beispiel hatten wir eine fünfwöchige Dürre in Polen und die Frage, ob daran Climate-Engineering-Maßnahmen in Australien Schuld sind.“ Eine eindeutige Antwort konnte sie nicht liefern. „Aber es war ungeheuer spannend, mit den Experten aus den anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten, eine gemeinsame Sprache und ein Verständnis für die anderen zu entwickeln.“
Wer haftet für die Schäden?
Deutlich wurde, dass es heute schwierig wäre, einen Staat für eine Climate-Engineering-Maßnahme zu verklagen. Ein solcher Fall ist ja noch nie vor einem Gericht der Welt verhandelt worden. Welche Institution wäre zuständig? „Insofern hat das Thema Climate-Engineering für mich eine wichtige politische Komponente“, sagt Ulrike Niemeier. „Sollte man Climate-Engineering tatsächlich jemals in Erwägung ziehen, wird die Menschheit sehr aufpassen müssen, um nicht in einen Krieg zu schlittern. In jedem Falle sollte man sich zuvor international über die Haftungsfrage abstimmen.“
Die Zusammenarbeit in Ceibral und auch die langjährige Kooperation mit anderen Klimaforschern hat der Aerosolexpertin Ulrike Niemeier gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachrichtungen ist. „Ob es jemals zum Einsatz von Climate-Engineering kommen wird, wissen wir nicht“, sagt die Klimaforscherin. „Dennoch sollten wir darauf vorbereitet sein und uns vor allem der Risiken bewusst werden.“