Ethisch umstrittener Durchbruch: Forscher haben erstmals Chimären-Embryonen aus Affe und Mensch erzeugt – Mischwesen aus beiden Arten. Dafür injizierten sie menschliche Stammzellen in Blastozysten von Langschwanzmakaken und verfolgten deren Entwicklung über 19 Tage. Es entwickelten sich Misch-Embryonen, in denen sich die Zellen beider Arten vermehrten und differenzierten. Während das Forscherteam die Chancen solcher Chimären in den Vordergrund stellt, werfen solche Mischwesen fundamentale ethische Fragen auf.
Chimären sind Mischwesen, die Zellen und Erbgut zweier Arten in sich tragen. Was in der Natur nur in Ausnahmefällen möglich ist, versucht der Mensch schon seit den 1970er-Jahren im Labor zu erschaffen. So wurden schon Mäuse, Schafe, Kühe oder Schweine mit menschlichen Zellanteilen oder Organen erzeugt. Sogar menschliche Hirnzellen haben Wissenschaftler Tieren schon eingepflanzt. 2012 gelang es dann, eine Technik zu entwickeln, durch die auch embryonale Chimären von Primaten erzeugt werden können.
Doch gerade die Forschung an Affe-Mensch-Mischwesen ist ethisch extrem umstritten – und in einigen Ländern verboten. Der deutsche Ethikrat stufte solche Chimären bereits 2011 als unethisch ein. Denn wenn chimärische Embryonen aus Affe und Mensch erzeugt werden, könnten Mischwesen entstehen, bei denen nicht mehr abgrenzbar ist, ob sie nun Tier oder Mensch sind. In anderen Ländern jedoch wird schon seit einigen Jahren an der Erzeugung solcher Misch-Embryonen geforscht.
Menschliche Stammzellen in Affen-Blastozyste
Jetzt ist es soweit: Ein Forschungsteam um Tao Tan vom staatlichen Labor für biomedizinische Primatenforschung in China hat Chimären-Embryos aus Makake (Macaca fascicularis) und Mensch erzeugt. Grundlage dafür waren Blastozysten, frühe Stadien der Affenembryos, in die sechs Tage nach der Befruchtung jeweils 25 menschliche pluripotente Stammzellen injiziert wurden. Die Stammzellen waren mit Fluoreszenzgenen markiert, um ihre weitere Entwicklung und Vermehrung verfolge zu können.
Bei 132 dieser Misch-Embryonen wuchsen die Menschenzellen an und waren am nächsten Tag als aktiv nachweisbar. Die Mischwesen wuchsen in den nächsten Tagen weiter heran. Auch die in ihnen enthaltenen menschlichen Zellen entwickelten sich weiter und hatten Anteil an den ersten Phasen der Differenzierung embryonaler Gewebe. Teilweise entstanden dabei Zellmischungen beider Typen, teilweise sammelten die Menschenzellen aber auch in Gruppen, wie die Forschenden berichten.
Neue Signalwege
Nähere Analysen enthüllten, dass sich die Zellen in den Misch-Embryonen etwas langsamer entwickelten als reine Affen- oder Menschenembryos. Gleichzeitig identifizierten die Forschenden neuartige Interaktionen zwischen den Zellen der beiden Arten: „Wir haben verschiedene interzelluläre Kommunikationswege detektiert, die entweder ganz neu waren oder in den Chimären deutlich intensiver abliefen“, berichtet Koautor Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla. „Diese Signale tragen vermutlich dazu bei, die einzigartigen Entwicklungswege der Menschen- und Affenzellen in solchen Chimären-Embryonen zu formen.“
Am 13. Tag – etwa zu der Zeit, in der sich ein Embryo zur Gastrula ausdifferenziert und in der Gebärmutter einnistet – machten die menschlichen Zellen rund 7,8 Prozent des gesamten Embryos aus. Allerdings entwickelten sich die Chimären-Embryonen langsamer als artreine Kontroll-Ansätze und bis zum 19. Tag waren nur noch drei von ihnen am Leben. Aus ethischen Gründen beendeten die Forschenden dann das Experiment.
Chance für die Medizin…
Dennoch sehen die Wissenschaftler in ihren Chimären einen bedeutenden Durchbruch. Denn die erfolgreiche Entwicklung der Mischwesen bis zu diesem Stadium belege erstmals, dass und wie sich solche chimärischen Embryonen aus Affe und Mensch erzeugen lassen. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass sich menschliche Stammzellen in verschiedene Zelltypen entwickeln können, nachdem sie in frühe Blastozysten von Affen eingeschleust wurden“, erklären die Forschenden.
Nach Ansicht des Teams könnten die aus solchen Chimären gewonnenen Erkenntnisse beispielsweise dabei helfen, menschliche Organe für die Transplantation künftig in Tieren zu züchten. „Historisch krankte die Erzeugung solcher Tier-Mensch-Chimären an geringer Effizienz und ungenügender Integration der Menschenzellen in die Wirtstierart“, sagt Izpisua Belmonte. So scheiterten Versuche bei Schweinen, weil Schwein und Mensch entwicklungsgeschichtlich weiter auseinander liegen.
Wenn man nun aber Chimären von enger verwandten Spezies wie Affe und Menschen untersuchten könne, dann eröffne das wichtige Einblicke in die evolutionären Schranken und in Möglichkeiten, diese auch bei entfernteren Mischungen zu überwinden, so der Forscher. Zudem könnten solche Chimären auch bei der Erforschung von Krankheiten helfen, für die es keine geeigneten Tiermodelle gibt.
…und ethisches Dilemma
Doch bei allem Nutzen, den solche Chimären haben könnten – sie sind ethisch in hohem Maße fragwürdig. Denn anders als bei Versuchen, in denen einzelne menschliche Gewebe oder Organe in Tieren gezüchtet werden, ist die Entwicklung menschlicher Zelllinien in Misch-Embryonen nicht kontrollierbar. Dadurch könnten Wesen entstehen, die ein teilweise menschliches Gehirn besitzen oder deren Geschlechtsorgane gemischte Tier-Mensch-Keimzellen produzieren.
„Es ist aktuell noch unbekannt, wie sich chimäre Affe-Mensch-Embryonen nach Übertragung in einen Uterus weiterentwickeln würden“, kommentiert Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. „Hier besteht die Möglichkeit, dass echte Mischwesen entstehen, bei denen alle Organe sowohl aus Affen- und menschlichen Zellen bestehen – einschließlich des Gehirns und der Hoden und Eierstöcke.“
Nicht verboten, aber fragwürdig
In Deutschland wäre die Erzeugung von Affe-Mensch-Chimären nach dem von Tan und seinem Team genutzten Verfahren allerdings nicht verboten: Weil keine menschlichen Embryonen verwendet wurden, sondern Affen-Blastozysten, und auch die Stammzellen nicht aus Embryonen stammten, dürfte man diese Experimente theoretisch auch bei uns durchführen. „Dem Geist des Embryonenschutzgesetzes widerspricht es meiner Einschätzung aber deutlich“, betont Behr.
Erheblichen Diskussionsbedarf sehen auch Henry Greely von der Stanford University und Nita Farahany von der Duke University: „Die Entdeckung, dass menschliche Zellen in Affen-Blastozysten in nicht-trivialer Anzahl überleben und sich entwickeln, wirft neue ethische Fragen auf, die die Gesellschaft nun diskutieren muss“, schreiben sie in einem begleitenden Kommentar.
Einerseits erschafft man mit solchen Chimären bessere Modelle für die Erforschung menschlicher Leiden, andererseits aber ist es genau diese Menschenähnlichkeit, die Zweifel an der Zulässigkeit solcher Experimente aufwirft. (Cell, 2021; doi: 10.1016/j.cell.2021.03.020)
Quelle: Cell Press, Salk Institute