Aus Müll wird Nützliches: Aus dem im Meer treibenden Mikroplastik lässt sich ein effektiver Dämmstoff herstellen, der beispielsweise Gebäude gegen Schall und Wärmeverlust isolieren kann. Dafür reicht es aus, ein poröses Gel aus Alginat mit den Kunststoffpartikeln zu mischen. Der große Vorteil: Für diese Recycling-Idee muss das Mikroplastik weder sortenrein noch perfekt gleichgroß sein – das ermöglicht die Nutzung von aus dem Meer gefischtem Plastikmüll.
Ob in der Tiefsee, dem Mount Everest oder in unseren Körpergeweben: Mikroplastik findet sich längst überall. Was aber kann man dagegen tun? Eine Möglichkeit ist das Vermeiden von weiterem Plastikmüll und die Entwicklung abbaubarer Ersatzstoffe. Aber auch an Methoden, die bereits in die Umwelt gelangte Kunststoffe wieder einzusammeln und sie zu recyceln wird gearbeitet.
Wohin mit dem Mikroplastik?
Das Problem jedoch: Gerade das im Meer herumschwimmende Mikroplastik lässt sich nur schwer wiederverwerten. „Die Teilchen sind nicht sortenrein, oft mit anderen, nicht aus Plastik bestehenden Partikeln vermischt und von Meersalz überzogen“, erklären Marco Caniato von der Freien Universität Bozen und seine Kollegen. Aus diesem Gemisch wieder neue Kunststoffobjekte zu machen, ist daher nahezu unmöglich. Als Folge landet dieser Plastikmüll meist entweder auf der Deponie oder wird verbrannt.
Es ginge aber auch anders, wie nun Caniato und sein Team belegen. Sie haben ausprobiert, wie gut sich gemischtes Mikroplastik zu einem Dämmstoff verarbeiten lässt. Anstoß dafür gab die Beobachtung, dass das natürliche Geliermittel Natriumalginat nicht nur die Konsistenz eines Gels besitzt, sondern auch festere, poröse Strukturen bilden kann. Diese Alginat-Schäume könnten sich möglicherweise auch als Basis für einen Mikroplastik-basierten Dämmstoff nutzen lasen, so die Überlegung des Teams.
Vom Algengel zum Hartschaum
Für ihr Experiment stellten die Forscher zunächst mehrere Mikroplastik-Mischungen her, deren Partikelgrößen und Zusammensetzung dem typischen marinen Mikroplastik entsprach. Dafür verwendeten sie geschredderte Kunststoffabfälle aus dem Industrie- und Haushaltsbereich in Form von Polyethylen, PET-Flaschen sowie expandiertem und geschäumtem Polystyrol. Diese Partikel mischten sie mit dem zunächst noch flüssigen Alginat, dem sie zuvor Calciumkarbonatpulver als Bindemittel zugegeben hatten.
Durch die Reaktion mit Calcium-Ionen des Karbonats bilden die Molekülketten des Alginats Querverlinkungen, durch die eine netzartige, poröse Grundmatrix entsteht. In diesem noch gelartigen Schaum bildet das Alginat-Plastikgemisch die Bälkchen, die Hohlräume sind mit Wasser gefüllt. Dieses lässt sich entfernen, indem die Masse nun zwölf Stunden lang bei minus 20 Grad gefriergetrocknet wird.
Gute akustische und thermische Dämm-Eigenschaften
Das Resultat ist ein fester, trockener Hartschaum, der aus einem Gemisch von Mikroplastik und Alginat besteht. Er ähnelt in Konsistenz und Bearbeitungseigenschaften klassischen Dämmstoffen, wie die beispielsweise beim Hausbau oder zur Schalisolierung von Räumen verwendet werden. Ob der Schaumstoff aus recyceltem Mikroplastik sich auch im Hinblick auf seine akustischen und thermischen Eigenschaften als Dämmstoff eignet, haben Caniato und sein Team im nächsten Schritt getestet.
Es zeigte sich: „Unsere Charakterisierungstests haben bestätigt, dass unser Produkt hervorragende Dämmeigenschaften hat und problemlos mit herkömmlichen Dämmstoffen wie Steinwolle oder Polyurethanschaumstoffen mithalten kann”, sagt Caniato. Sowohl bei der Schalldämmung als auch bei der Wärmeisolierung schnitt ihr Mikroplastik-Dämmstoff ähnlich gut ab wie gängige Materialien.
Je nach Mikroplastikdichte lassen sich sogar die Frequenzbereiche optimieren, in denen das Material den Schall schluckt. „Die spezifischen Wärmemessungen demonstrieren zudem, dass dieser Schaum eine hohe Wärmespeicher-Kapazität besitzt, während seine Diffusivität und Effusivität denen traditioneller Isoliermaterialien ähnelt“, so die Wissenschaftler.
Umweltfreundliches Recycling
Nach Ansicht des Forscherteams eröffnet diese Methode damit eine Chance, selbst gemischtes Mikroplastik aus dem Meer nutzbringend und umweltfreundlich zu recyceln. Denn dank der einfachen Herstellung und des biobasierten Grundstoffs Alginat ist selbst der Produktionsprozess umweltfreundlich. Und das zum Gelieren nötige Wasser lässt sich am Ende der Gefriertrocknung wiederverwenden.
„Wir haben bewiesen, dass es mit einem nachhaltigen, sauberen und ökologischem Ansatz möglich ist, Meeresabfälle zu recyceln und daraus ein sowohl ökologisch wie auch wirtschaftlich überzeugendes Produkt herzustellen“, betont Caniato. Bisher gibt es zwar noch kein effektives und günstiges Verfahren, um große Mengen an Mikroplastik aus dem Meerwasser zu entfernen. Wenn sie aber etabliert sind, könnten die wiedergewonnenen Plastikpartikel im Dämmstoff eine neue Daseinsberechtigung erhalten. (Sustainable Materials and Technologies, 2021; doi: 10.1016/j.susmat.2021.e00274)
Quelle: Freie Universität Bozen