Klimafreundliche Mikroben: Forscher haben in heißen Quellen einen zuvor unbekannten Stamm von Archaeen mit ungewöhnlichem Stoffwechsel entdeckt. Die Brockarchaeota getauften Mikroben bauen abgestorbene Pflanzenteile unter anaeroben Bedingungen ab, ohne dabei das Treibhausgas Methan freizusetzen. Damit könnten sie eine wichtige Rolle für den Kohlenstoffkreislauf spielen, berichten Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Während ihres Wachstums binden Pflanzen Kohlenstoffdioxid aus der Luft und speichern es in Form von organischen Kohlenhydraten, darunter verschiedene Arten von Zucker und Stärke. Nach ihrem Tod werden die Pflanzen von Mikroorganismen zersetzt. Je nachdem, welche Mikroorganismen daran beteiligt sind und ob in der Umgebung Sauerstoff verfügbar ist oder nicht, entsteht dabei entweder erneut CO2 oder das stärkere Treibhausgas Methan. Insbesondere Archaea sind dafür bekannt, bei ihrem Stoffwechsel Methan zu produzieren.
Metagenom-Analyse von Proben aus heißen Quellen
Doch offenbar gibt es Ausnahmen von der Regel: Ein Team um Valerie De Anda von der University of Texas in Austin hat einen neuen Stamm von Archaeen entdeckt, der trotz anaerober Bedingungen wahrscheinlich kein Methan produziert. „Sie nutzen einen neuartigen Stoffwechsel, von dem wir nicht wussten, dass er in Archaeen existiert“, sagt De Anda. Kultiviert oder unter dem Mikroskop beobachtet werden konnten die neu beschriebenen Archaeen noch nicht.
Ihre Ergebnisse gewannen die Forscher anhand von sogenannten Metagenom-Analysen. Dazu untersuchten sie das genetische Material aus Proben von heißen Quellen in China und hydrothermalen Sedimenten im Golf von Kalifornien. Die Technik der Metagenomik bietet die Möglichkeit, Erbgut aus solchen Umweltproben zu rekonstruieren, ohne zuvor einzelne Spezies zu identifizieren und zu vermehren.
Ein neuer Stamm im Organismenreich
Dabei entdeckten die Forscher bislang unbekannte Archaea, die sich genetisch deutlich von allen bisher bekannten Vertretern dieser Domäne unterscheiden, untereinander aber bis zu 99 Prozent der Gensequenzen gemeinsam haben. De Anda und Kollegen rekonstruierten die Genome von 15 neuen Arten, die offenbar zu einem neuen Stamm von Archaea gehören.
„Wir schlagen vor, den Stamm „Brockarchaeota“ zu nennen, nach Thomas Brock, einem amerikanischen Mikrobiologen, der für seine bahnbrechenden Forschungen im Bereich der Mikrobiologie heißer Quellen bekannt ist“, schreiben die Autoren. Während neue Spezies und Gattungen häufig entdeckt werden, sind Funde höherer Ordnung – quasi ganzer Äste am Stammbaum des Lebens – sehr selten. Die Entdeckung der Brockarchaeota ist allein dadurch etwas Besonderes.
Weltweit verbreitet und dennoch übersehen
Obwohl De Andas Team die Brockarchaeota nun zum ersten Mal systematisch beschrieben hat, wurden sie offenbar schon früher gefunden – ohne dass man sie als eigenen Stamm erkannte. „Als wir in öffentlichen genetischen Datenbanken nachschauten, sahen wir, dass sie überall auf der Welt gesammelt worden waren, aber als ‚unkultivierte Mikroorganismen‘ beschrieben wurden“, sagt De Anda.
So wurden ähnliche genetische Sequenzen bereits in Proben nachgewiesen, die aus heißen Quellen in Südafrika und dem Yellowstone Nationalpark in Wyoming sowie aus Seesedimenten in Indonesien und Ruanda stammen. „Es gab genetische Sequenzen, die Jahrzehnte zurückreichen, aber keine davon war vollständig. Also haben wir die ersten Genome dieses Stammes rekonstruiert und dann haben wir festgestellt: Sie sind auf der ganzen Welt verbreitet und wurden völlig übersehen.“
Einzigartige ökologische Position
Anhand der rekonstruierten Genome konnten die Forscher Schlussfolgerungen auf den Stoffwechsel der Brockarchaeota ziehen. „Diese Archaeen recyceln Kohlenstoff, ohne Methan zu produzieren. Das gibt ihnen eine einzigartige ökologische Position in der Natur“, berichten sie. Statt Methan entstehen beim Stoffwechsel der Brockarchaeota als Endprodukte Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff und Acetat, das Salz der Essigsäure.
Einige der neu identifizierten Stoffwechselwege könnten aus Sicht der Forscher auch für Anwendungen von der Biotechnologie über die Landwirtschaft bis hin zu Biokraftstoffen nützlich sein. „Diese erste Beschreibung beschränkt sich allerdings auf die genomische Charakterisierung“, schreiben die Autoren. „Daher sind Kultivierungen oder Aktivitätsmessungen erforderlich, um ihre physiologischen Aktivitäten zu bestätigen.“ (Nature Communications, 2021, doi: 10.1038/s41467-021-22736-6)
Quelle: University of Texas at Austin