Es wird enger: Die Rotation Schwarzer Löcher kann verraten, ob es dunkle Bosonen gibt – hypothetische Trägerteilchen der Dunklen Materie. Denn ihre Präsenz müsste den Spin der Schwerkraftgiganten messbar abbremsen. In einer ersten Fahndung bei 45 Paaren Schwarzer Löcher haben Forscher allerdings keine Hinweise auf diesen Bremseffekt gefunden – das engt die möglichen Massen dieser exotischen Bosonen weiter ein.
Noch immer rätseln Wissenschaftler darüber, aus was für Teilchen die Dunkle Materie besteht. Nachdem von den lange favorisierten Weakly Interacting Massive Particles (WIMP) bislang keine Spur gefunden wurde, konzentrieren sich viele Fahndungen auf leichtere Teilchen, darunter sterile Neutrinos, aber auch dunkle Bosonen wie die Axionen. Diese exotischen Vermittlerteilchen sollen Milliardenfach leichter sein als ein Elektron.
Erste Hinweise auf dunkle Bosonen könnten Abweichungen bei Teilchenkollisionen in Beschleunigern, schwer erklärbare Signale in Dunkle-Materie-Detektoren und Auffälligkeiten bei Quantensprüngen bestimmter Atome sein.
Bremseffekt durch ultraleichte Teilchen
Jetzt haben Forscher um Kwan Yeung Ng vom LIGO Lab am Massachusetts Institute of Technology eine weitere Methode gefunden und getestet, um die Existenz dunkler Bosonen zu überprüfen. Ihr Ausgangspunkt ist eine aus der Quantentheorie abgeleitete Voraussage. Nach dieser müssten im Umfeld eines Schwarzen Lochs große Mengen der ultraleichten Teilchen entstehen. Ihr Einfluss bremst dann durch den Prozess der sogenannten Superradianz die Rotation des Schwarzen Lochs allmählich ab.
Ng vergleicht dies mit einem Karussell: „Wenn man auf ein Karussell auf- und wieder abspringt, kann man ihm Energie entziehen – und das gleiche machen die Bosonen mit dem Schwarzen Loch“, erklärt der Physiker. „Wenn diese dunklen Bosonen existieren, würden wir daher erwarten, dass ältere Schwarze Löcher langsamer rotieren, als sie es aufgrund ihrer Masse eigentlich müssten. Denn die Bosonen müssten ihm Energie entziehen.“
45 Paare Schwarzer Löcher als Testobjekte
Ob das der Fall ist, haben Ng und sein Team nun anhand von 45 Paaren Schwarzer Löcher untersucht, deren Verschmelzung durch die Gravitationswellen-Detektoren LIGO und Virgo nachgewiesen wurde. Aus dem Muster der dabei erzeugten Raumzeitschwingungen lässt sich die Masse der beteiligten Schwarzen Löcher ablesen, aber auch ihr Spin. Das Team prüfte für jedes der Schwarzen Löcher, ob das Rotationstempo mit dem für seine Masse typischen übereinstimmt.
„Wenn es die dunklen Bosonen gibt, hätten sie einen großen Teil des Drehimpulses geschluckt – sie sind wirklich wie Vampire“, sagt Ngs Kollege Salvatore Vitale. Die Physiker schätzen, dass die Superradianz durch diese exotischen Teilchen den Spin eines Schwarzen Lochs bis auf die Hälfte reduzieren kann.
Kein Hinweis auf abgebremsten Spin
Doch als das Team ihre Daten auswertete, zeigten sich keine Hinweise auf einen solchen Abbremseffekt – eher im Gegenteil: Bei zwei Paaren, GW190412 und GW190517, lagen die Rotationsgeschwindigkeiten der Schwarzen Löcher nahe am physikalischen Maximum von Objekten ihrer Masse. Das legt nahe, dass es zumindest im direkten Umfeld dieser beiden Schwarzen Löcher keine nennenswerten Mengen dunkler Bosonen gibt.
„Die von LIGO und Virgo beobachteten Schwarzen Löcher sprechend stark gegen die Existenz von skalaren, ultraleichten Bosonen“, konstatieren Ng und sein Team. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die Akkretion von Materie die Schwarzen Löcher beschleunigt hat und so den Bremseffekt der Bosonen kaschiert. Aber dafür stimme bei den jetzt beobachteten Objekten das Timing nicht: „Es hätte zu lange gedauert, um das Schwarze Loch dadurch auf das Niveau zu beschleunigen, das wir hier sehen“, sagt Ng.
Massenbereich für dunkle Bosonen wird kleiner
Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass dunkle Bosonen zumindest eines bestimmten Massenbereichs sehr unwahrscheinlich sind. Dieser Ausschlussbereich liegt zwischen 1,3 x 10-13 und 2,7 x 10 -13 Elektronenvolt, wie die Physiker aufgrund der Massen ihrer Schwarzen Löcher ermittelten. Damit engt sich der Bereich, in dem man nach den dunklen Bosonen suchen sollte, weiter ein.
Allerdings bedeutet dies noch nicht, dass es die dunklen Bosonen gar nicht gibt: „Es gibt verschiedene Arten von Bosonen und wir haben jetzt einen davon überprüft“, betont Vitale. „Es könnten aber durchaus andere existieren. Daher wollen wir diese Analysen auch auf die Datensätze ausweiten, die LIGO und Virgo in den nächsten Jahren sammeln werden.“
Bosonen, die beispielsweise deutlich leichter sind, ließen sich durch den Spin schwererer Schwarzer Löcher aufspüren. So könnte über Rotationsmessungen bei den supermassereichen Schwarzen Löchern im Herzen von Galaxien ein Boson-Massenbereich bis zu 10-21 hinunter überprüft werden. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.126.151102)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology (MIT)