Zoologie

Giraffen: Nicht eine, sondern vier Arten

Erbgut-Analysen bestätigen vier Giraffenspezies mit insgesamt sieben Unterarten

Massai-Giraffen
Diese Massai-Giraffen (Giraffa tippelskirchi) gehören zu einer von vier jetzt bestätigten Giraffen-Spezies. © WLDavies/ Getty images

Nur äußerlich ähnlich: Bereits vor wenigen Jahren ließen Genanalysen vermuten, dass es nicht nur eine oder drei, sondern vier Giraffenarten mit sieben Unterarten gibt. Diese Vermutung haben umfassende Genomanalysen jetzt bestätigt. Demnach trennten sich die vier Giraffenlinien vor 230.000 bis 370.000 Jahren und paaren sich seither nicht mehr untereinander. Diese neuen Erkenntnisse können für den Schutz der einzelnen Arten wichtig sein.

Giraffen gelten mit einer Körperlänge von bis zu sechs Metern als die größten Landsäugetiere. Die hohe Statur und das dafür nötige starke Herz-Kreislauf-System haben die Giganten der Savannen Afrikas wenigen Genveränderungen im Laufe ihrer Evolution zu verdanken, wie Analysen ergaben.

Bisher umstritten waren aber die Verwandtschaftsverhältnisse der Giraffen. Die meisten Forscher gingen davon aus, dass es nur eine Art gibt, andere vermuteten hingegen drei Spezies. 2016 jedoch deuteten Genomanalysen darauf hin, dass sogar vier Giraffenarten existieren: Die Süd-Giraffe (Giraffa giraffa), die Massai-Giraffe (Giraffa tippelskirchi), die Netz-Giraffe (Giraffa reticualata) sowie die Nord-Giraffe (Giraffa camelopardalis). Dieses Ergebnis wurde seither kontrovers diskutiert.

Gibt es wirklich vier Arten?

Die umstrittenen Annahme der vier Giraffenspezies hat nun ein internationales Forscherteam um Raphael Coimbra von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung überprüft. Die Wissenschaftler wollten mit noch umfassenderen Genomanalysen die Verwandtschaftsverhältnisse der Giraffenarten und ihrer Unterarten genau analysieren.

Dafür untersuchten und verglichen die Forscher jeweils rund 200.000 DNA-Abschnitte von insgesamt 50 Giraffen aller zuvor in Betracht gezogenen Giraffenvarianten aus insgesamt zwölf afrikanischen Ländern und aus Zoos. Dabei sequenzierte das Team auch erstmals das Genom der Kordofan-Giraffe (Giraffa camelopardalis antiquorum), die als eine stark bedrohte Unterart der Nord-Giraffe identifiziert wurde.

Vier-Arten-Modell bestätigt

Und tatsächlich: Die Genom-Analysen untermauerten das bereits vermutete Vier-Arten-Modell der Giraffen. „Die Datenlage ist besser als je zuvor“, betont Coimbra. „Unsere Genomanalysen basieren auf deutlich mehr genetischer Information als frühere Untersuchungen.“

Demnach gibt es die Nord-Giraffe, zu der die Unterarten Kordofan-Giraffe, Nubische Giraffe und die Westafrikanische Giraffe gehören, zudem die Netzgiraffe und die Massai-Giraffe, einschließlich der Unterarten Massai-Giraffe sensu stricto und Luangwa- Giraffe. Und als vierte Art nennen die Wissenschaftler die Süd-Giraffe mit der Angolanischen und der Südafrikanischen Giraffe.

Früh getrennte Evolution

Die umfassende Analyse lieferte auch neue Erkenntnisse zur Evolution der Giraffenspezies: Laut der Forscher sollen sich die vier Giraffenlinien vor 230.000 bis 370.000 Jahren im Pleistozän getrennt und seither unabhängig voneinander entwickelt haben. Zwischen ihnen gibt es heute keinen oder nur einen geringen Genaustausch. Das bedeutet, dass sich die unterschiedlichen Arten in der Wildnis in der Regel nicht paaren. In Gefangenschaft ist das aber unter Umständen möglich, so Coimbra und sein Team.

Den Verwandtschaftsuntersuchungen nach könnten sich aus dem Vorfahren aller Giraffen zwei Äste im Stammbaum abgespalten haben. Der eine bildet den gemeinsamen Vorfahren, aus dem die Nord-Giraffe und die Netz-Giraffe entstanden sind. Parallel dazu entwickelten sich dann etwas später vermutlich die Süd- und Massai-Giraffe und ihre Unterarten aus einem anderen Vorfahren.

Bedeutsam auch für den Artenschutz

„Die Ergebnisse der Genomanalyse haben große Bedeutung für den Giraffenschutz“, sagt Julian Fennessy von der Giraffe Conservation Foundation. Der Grund: Der Lebensraum wildlebender Giraffen schwindet vielerorts in den Savannen Afrikas durch den wachsenden Bedarf an Nutzflächen. Zudem erschweren die illegale Jagd und die politischen Verhältnisse ihren Schutz. Dadurch sind die Bestände im vergangenen Jahrhundert auf rund 117.000 wildlebende Giraffen zurückgegangen.

Die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) stuft die Giraffen insgesamt als „gefährdet“ ein. Die neuen Erkenntnisse könnten das nun ändern und einen stärkeren Schutz ermöglichen. „Wird nun klar, dass diese Tiere vier unterschiedlichen Arten angehören, verschärft das die Situation“, erklärt Fennessy. „So gibt es zum Beispiel nur noch rund 6.000 Nord-Giraffen in freier Wildbahn. Sie gehören zu den am stärksten bedrohten Großsäuger-Arten der Welt.“

Genomik könnte weitere Einblicke geben

Die umfassenden Untersuchungen der Forscher legen nahe, dass noch längst nicht alles über alle Säugetierarten bekannt ist. „Es ist sehr selten, dass neue Säugetierarten gefunden und beschrieben werden“, sagt Coimbras Kollege Axel Janke. „Am Fall der Giraffen erkennen wir, dass wir die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt noch nicht ausreichend erfassen können.“

Deshalb hofft das Forscherteam, in Zukunft weitere Einblicke zu bekommen. „Die Genomik, also die Untersuchung aller Erbinformation eines Lebewesens, eröffnet neue Möglichkeiten und kann unseren Blickwinkel auf Arten und deren Evolution erweitern – so wie bei den Giraffen“, so Janke abschließend. (Current Biology, 2021, doi: 10.1016/j.cub.2021.04.033)

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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