Erhöhtes Risiko: Wann in einem Sonnenzyklus extreme Sonnenstürme auftreten, hängt nicht nur vom solaren Maximum ab. Stattdessen spielt auch die Länge des Zyklus eine Rolle und seine Reihung: In Zyklen mit ungeraden Nummern treten starke Sonnenstürme später auf als in Zyklen mit geraden Nummern, wie eine Vergleichsstudie enthüllt. Ursache dafür könnte die wechselnde Polung des solaren Magnetfelds sein. Dies hat auch Bedeutung für die kommenden Mondmissionen.
Die Aktivität unserer Sonne durchlebt regelmäßige Zyklen: Etwa alle elf Jahre erreichen Sonnenstürme, Strahlenausbrüche und Sonnenflecken einen Höhepunkt, um dann wieder abzuflauen. Jeweils beim solaren Maximum polt sich auch das solare Magnetfeld um. Angetrieben wird dieser Wechsel wahrscheinlich von großen Umwälzströmen im Sonneninneren. Treffen starke Sonnenstürme die Erde, können sie erhebliche Schäden an Satelliten verursachen, Stromausfälle verursachen und die Telekommunikation lahmlegen.
Noch gravierender aber wären die Folgen, wenn Astronauten außerhalb des schützenden Erdmagnetfelds – beispielsweise auf einem Flug zum Mond – von einem dieser Strahlenschübe und energiereichen Teilchenströme getroffen würden. 1972 hatten die Astronauten der Apollo-Missionen 16 und 17 Glück, dass sich einer der stärksten Sonnenstürme des Raumfahrtzeitalters genau zwischen ihren Flügen ereignete.
Wie groß ist das Risiko für kommende Mondflüge?
Jetzt stehen wieder bemannte Mondmissionen bevor, darunter die Konstruktion einer lunaren Raumstation und die US-Mission Artemis. Letztere soll schon ab 2024 Astronauten auf den Erdtrabanten befördern. Das weckt die Frage, wie hoch die Gefahr eines starken Sonnensturms im aktuellen Sonnenzyklus ist und wann die Phase der stärksten Sonnenaktivität zu erwarten ist. Klar scheint, dass das generelle Risiko für Sonnenstürme rund um das solare Maximum steigt, ausgerechnet die stärksten und damit gefährlichsten Ereignisse galten aber bislang als weitgehend unberechenbar.
„Weil das Timing der extremsten Sonnenstürme bisher als weitgehend zufällig galt, hielt man es auch für kaum möglich, gezielt um sie herum zu planen“, erklärt Mathew Owens von der University of Reading. Er und sein Team haben nun anhand von 150 Jahren an Daten zur solaren Aktivität noch einmal untersucht, ob es nicht doch zeitliche Muster gibt, die eine Vorhersage erleichtern könnten.
Je länger der Zyklus, desto mehr Mega-Stürme
Das Ergebnis: Anders als bisher gedacht, folgen auch die extremsten Sonnenstürme zumindest in gewissem Maße vorhersehbaren Mustern. Demnach treten sie nicht nur häufiger um das solare Maximum auf, das Risiko für solche Ereignisse ist auch in längeren Sonnenzyklen höher, wie die Forscher berichten. Denn die solaren Zyklen dauern zwar im Schnitt rund elf Jahre, ihre individuelle Länge schwankt aber zwischen neun und 14 Jahren.
Das aber könnte bedeuten, dass der aktuelle Sonnenzyklus 25 besonders viele solcher starken Sonnenstürme mit sich bringt. Denn er folgt auf einen sehr kurzen Vorgängerzyklus und wird aller Voraussicht nach eher zu den längeren Zyklen gehören, wie Wissenschaftler bereits Ende 2020 prognostiziert haben. Das kommende solare Maximum könnte daher besonders stark ausfallen.
In ungeraden Zyklen kommt der Peak später
Doch das ist noch nicht alles: Zu ihrer Überraschung entdeckten die Wissenschaftler ein weiteres zeitliches Muster bei den starken Sonnenstürmen. Demnach ereignen sich diese solaren Megaausbrüche in Zyklen mit gerader Nummer früher, in ungeraden Sonnenzyklen dagegen später. Für den aktuellen Zyklus könnte das bedeuten, dass das höchste Risiko nach 2025 besteht. „Alle unsere Szenarien zeigen uns eine Spitzen-Aktivität, die eher spät in der aktiven Phase des aktuellen Sonnenzyklus eintritt – also in etwa ab Anfang 2026“, so Owens und sein Team.
Die Forscher führen dies auf die Ausrichtung des solaren Magnetfelds zurück: Die Wahrscheinlichkeit für einen extremen, die Erde treffenden Sturm ist demnach immer dann erhöht, wenn Sonnen- und Erdmagnetfeld die gleiche Ausrichtung haben. Das ist bei geraden Sonnenzyklen vor der Umpolung beim solaren Maximum der Fall, in ungeraden Zyklen dagegen erst danach.
Hohes Risiko für geplante Mondmissionen
Was bedeutet dies für die Raumfahrtpläne der nächsten Jahre? Immerhin planen nach den USA auch China und Russland, bis 2030 erste bemannte Mondmissionen durchzuführen. Nach Angaben von Owens und seinem Team sollten diese Missionen entweder möglichst bald stattfinden, um die gefährlichste Zeit ab 2026 zu vermeiden, oder aber die Raumfahrtzeuge und Astronauten müssen dann besonders gut gegen extreme Strahlung und Teilchenduschen geschützt werden.
„Unsere aktuellen Erkenntnisse deuten daraufhin, dass diese Missionen ein weniger hohes Risiko für extreme Sonnenstürme haben, wenn sie noch in der ersten Hälfte des aktuellen Sonnenzyklus stattfinden“, sagt Owens. Insbesondere die ursprünglich für 2024 geplante Mondlandung im Rahmen der US-Mission Artemis sollte nicht zu weit hinausgezögert werden. (Solar Physics, 2021; doi: 10.1007/s11207-021-01831-3)
Quelle: University of Reading