Galaktischer Pionier? Astronomen haben die bisher älteste bekannte Spiralgalaxie entdeckt. Die zweiarmige Sternenansammlung liegt rund 12,4 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und existierte damit schon wenig mehr als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall. Trotzdem besitzt sie bereits alle klassischen Merkmale einer Spiralgalaxie: einen zentralen Bulge, eine rotierende Sternenscheibe und spiralige Arme. Wie sie so früh diese Form erhielt, können die Forscher nur vermuten.
Rund 70 Prozent aller bisher bekannten Galaxien im Universum sind Spiralgalaxien – auch unsere Milchstraße und unsere Nachbargalaxie Andromeda gehören zu diesem Typ. Typisch dafür sind ein zentraler Bulge mit besonders hoher Sternendichte, von dem eine flache, rotierende Sternenscheibe ausgeht. Die Sterne in dieser Scheibe sind nicht zufällig verteilt, sondern konzentrieren sich in mehreren spiralförmigen Armen – so weit, so bekannt.
Zwei Arme und ein zentraler Bulge
Doch wann die ersten Vertreter dieses Galaxientyps entstanden, ist noch unklar. Jetzt gibt die neu entdeckte Galaxie BRI 1335–0417 mehr Aufschluss darüber. Aufgespürt haben sie die Astronomen Takafumi Tsukui und Satoru Iguchi vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japans in Tokio, als sie Archivdaten des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) nach Hinweisen auf alte Spiralgalaxien durchsuchten.
Bei der aktiven Sternbildungsgalaxie BRI 1335–0417 wurden sie fündig. Diese Galaxie ist zwar im optischen Wellenbereich von dichten Staubwolken verhüllt, die spektrografischen Analysen ihrer Radiowellen verraten aber einiges über ihre Größe, Sternenzahl und ihre internen Strukturen. Demnach besitzt diese Galaxie nicht nur eine zentrale Massenkonzentration wie für einen Bulge typisch, sondern auch eine rotierende Sternenscheibe mit zwei spiraligen Armen. Sie erstrecken sich mindestens 15.000 Lichtjahre weit ins All hinaus.
Aus der Frühzeit des Universums
Das Entscheidende jedoch: Den Messdaten zufolge liegt die Spiralgalaxie rund 12,4 Milliarden Jahre von uns entfernt. Sie existierte also schon rund 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall – und deutlich vor dem Höhepunkt der kosmischen Sternbildung. Damit ist BRI 1335-0417 die älteste bisher bekannte Galaxie des Spiraltyps. Dennoch war sie den Daten zufolge schon relativ groß und hatte etwa so viel stellare Masse wie die heutige Milchstraße.
„Ich war begeistert, weil ich noch nie zuvor einen so klaren Beleg für eine rotierende Scheibe, eine Spiralstruktur und eine zentrale Massenstruktur in einer so weit entfernten Galaxie gesehen habe“, sagt Tsukui. „Die Qualität der ALMA-Daten war so gut, dass ich ähnlich viele Details erkennen konnte wie in manchen nahegelegenen Galaxien.“
Resultat einer Kollision?
Noch ist unklar, wie diese frühe Galaxie heranwuchs und ihre Spiralform bekam. Die Astronomen vermuten aber, dass eine vergangene Kollision oder nahe Begegnung mit einer anderen, kleineren Galaxie BRI 1335-0417 in ihre spiralige Form gebracht haben könnte. „Kosmologische Simulationen des frühen Universums zeigen, dass die Spiralstruktur in einer rotierenden Scheibe entstehen kann, wenn die Scheibe sich nach einem Verschmelzungsereignis wieder entspannt“, schreiben Tuskui und Iguchi.
Ein weiteres Indiz für ein solches Ereignis könnte auch die hohe Sternbildungsrate der frühen Spiralgalaxie sein, denn durch die bei einer solchen Kollision entstehenden Turbulenzen und Gasströme wird diese angeregt. Weil allerdings die innere Struktur von BRI 1335-0417 und ihr Rotationsverhalten inzwischen relativ ungestört erscheinen, muss diese Kollision schon einige Zeit zurückliegen, wie die Forscher erklären.
Die Astronomen hoffen nun, durch weitere Untersuchungen mehr über das Schicksal dieser frühen Spiralgalaxie zu erfahren. „Die Wurzeln der Spiralstruktur zurückzuverfolgen, kann uns dabei helfen, die Bildungsgeschichte von Galaxien besser zu verstehen“, sagt Iguchi. Das liefere dann auch wertvolle Informationen darüber, wie unsere eigene Galaxie einst zu dem wurde, was sie heute ist. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abe9680)
Quelle: National Astronomical Observatory of Japan