Auf den ersten Blick ist die Supersymmetrie genau das, was dem Standardmodell bisher fehlte. Denn sie könnte gleich mehrere der Lücken schließen, die in diesem klaffen. Unter anderem deshalb ist sie seit mehr als 40 Jahre lang die führende Theorie, wenn es darum geht, nach neuer Physik jenseits de Standardmodells zu suchen.
„Neutralino“ als Teilchen der Dunklen Materie?
Ein Problem, das durch die Supersymmetrie gelöst werden könnte, ist die Dunkle Materie: „Beim leichtesten SUSY-Teilchen könnte es sich um ein Neutralino handeln, ein stabiles Teilchen, das nicht weiter zerfällt“, erklärt Georg Weiglein vom Deutschen Elektronensynchrotron DESY. „Damit wäre es ein guter Kandidat für die Dunkle Materie.“ Konkret beschreiben Physiker die Neutralinos als Überlagerungszustände von SUSY-Partnern des W- und B<sup>0</sup>-Bosons sowie des Higgs-Bosons.
Weil diese hypothetischen Teilchen weder elektrisch geladen sind noch eine Farbladung der starken Kernkraft besitzen, interagieren sie kaum mit normaler Materie. Wie die Dunkle Materie machen sie sich höchstens über ihre Masse und damit Schwerkraftwirkung bemerkbar. Den klassischen SUSY-Modellen nach müsste das leichteste dieser Neutralinos „nur“ einige hundert Gigaelektronenvolt (GeV) schwer sein und könnte damit dem lange favorisierten Kandidaten für das Dunkle-Materie-Teilchen, dem „Weakly Interacting Massive Particle“ (WIMP) entsprechen.
Neue Leichtigkeit für das Higgs
Auch für das Hierarchie-Problem könnte die Supersymmetrie eine Erklärung liefern. Wenn das Higgs-Boson schwerere Superpartner hat, dann könnten die Wechselwirkungen mit ihnen das Higgs-Feld und damit auch das Higgs-Boson beeinflussen. Nach dem minimalen supersymmetrischen Standardmodell (MSSM) müsste es mehrere fermionische Higgsinos geben und auch weitere, schwerere Vertreter der „normalen“ Higgs-Bosonen.
Dies könnte erklären, warum das bisher bekannte Higgs-Boson eigentlich zu leicht ist. Denn die Supersymmetrie geht davon aus, dass Fermionen und Bosonen in Bezug auf die Energie des Higgs-Felds gegenteilige Vorzeichen besitzen – eine Teilchensorte senkt dessen Energie, die andere erhöht sie. Wenn daher fermionische Superpartner des Higgs-Bosons existieren, könnte ihr Einfluss das Higgs-Boson, aber auch die W- und Z-Bosonen der schwachen Wechselwirkung energieärmer und damit leichter machen als es das Standardmodell vorsieht.
Wegbereiter zur Großen Vereinheitlichung?
Quasi als Sahnehäubchen obendrauf könnte es die Supersymmetrie sogar ermöglichen, die seit langem gesuchte Vereinheitlichung der vier Grundkräfte zu erreichen. Denn durch die SUSY-Paarungen von Bosonen mit Fermionen werden die drei im Standardmodell enthaltenen Grundkräfte bei hohen Energie gleich stark – so wie es kurz nach dem Urknall gewesen sein muss.
Die vierte Grundkraft, die Gravitation, ließe sich dann mit dem Rest vereinen, wenn man die Supersymmetrie mit der Stringtheorie kombiniert. Nach dieser Theorie sind alle Teilchen Manifestationen von Anregungszuständen der Strings, winzigen fädchenartigen Gebilden, die wie die Saiten einer Gitarre in einem mehrdimensionalen Raum schwingen. Kombiniert man die postulierten Eigenschaften solcher Strings mit der Idee der SUSY-Partner, dann kann man die Gravitation rechnerisch mit den restlichen Grundkräften überein bringen.