Medizin

Alzheimer-Impfstoff weckt vorsichtige Hoffnung

Phase-2-Studie zeigt positiven Effekt zumindest für einen Teil der Alzheimer-Patienten

Impfung
Ein neuer Peptid-Impfstoff könnte das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz zumindest bei einigen Patienten bremsen. © pikepicture/ Getty images

Kein Allheilmittel, aber vielversprechend: Eine neuartige Impfung gegen Alzheimer könnte das Fortschreiten der Demenz zumindest bei einigen Patienten bremsen. Das legen die Ergebnisse einer zwei Jahre laufenden Phase-2-Studie nahe. Der auf einem Peptid basierende Impfstoff führte zur Bildung von Antikörpern gegen fehlgefaltete Tau-Neurofilamente, die als Mitauslöser von Alzheimer gelten. Bei Patienten mit anfangs erhöhten Tau-Werten gingen diese durch die Impfung zurück und auch ihre Symptome besserten sich.

Bisher gibt es gegen die Alzheimer-Demenz kein wirksames Heilmittel, der fortschreitende Niedergang der Hirnzellen lässt sich bislang weder stoppen noch rückgängig machen. Zwar gibt es immer wieder Wirkstoff-Kandidaten, von denen sich viele gegen die für Alzheimer typischen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn richten. Die Wirksamkeit dieser Mittel war aber bislang eher enttäuschend oder hielt sich in Grenzen, wie bei dem jüngst in den USA zugelassenen monoklonalen Antikörper Aducanumab.

Tau-Proteine
Die Tau-Proteine sind normalerweise wichtige Bestandteile der Mikrotubuli und damit des Stützgerüsts der Nervenzellen. Sind sie jedoch fehlgefaltet, kommt es zu Zellschäden und verknäuelten Ansammlungen dieser Proteine. © selvanegra/ Getty images

Impfstoff mobilisiert Antikörper gegen fehlgefaltete Proteine

Einen anderen Ansatz hat deshalb ein Team um Petr Novak von AXON Neuroscience in Bratislava gewählt. Ihre Therapie setzt nicht an den Beta-Amyloid-Proteinen an, sondern an den Tau-Fibrillen – fädigen Proteinen, die bei Alzheimer ebenfalls fehlgebildet sind und sich in den Gehirnzellen anreichern. Diese Ansammlung von Tau-Proteinen gilt als Mitauslöser der Demenz und ihre Ausbreitung über das Gehirn kennzeichnet die erst jüngst identifizierten Subtypen von Alzheimer.

Um die Ausbreitung der krankmachenden Neurofibrillen zu verhindern, haben Novak und sein Team einen Peptid-Impfstoff gegen die fehlgefalteten Tau-Proteine entwickelt. Dieser besteht aus einem Peptid, das aus vier Untereinheiten der fehlgefaltete Proteinvariante zusammengesetzt ist. Der Kontakt mit diesem Impfstoff bringt das Immunsystem des Patienten dazu, gezielt Antikörper gegen das pathologische Tau-Protein zu bilden. In Tierversuchen konnte eine solche Impfung bereits das Fortschreiten der Tau-Fehlfaltung verhindern und Demenzsymptome bei Ratten rückgängig machen.

Phase-2-Studie über zwei Jahre

Ob diese Alzheimer-Impfung auch beim Menschen wirkt, haben die Forschenden nun in einer Phase-2-Studie mit 196 Patienten mit milden Alzheimer getestet. Zwei Drittel der Teilnehmer erhielten jeweils elf Injektionen mit dem Peptid-Vakzin – anfangs in vierwöchigem Abstand, später nur noch alle 14 Wochen. Ein Drittel bekam nur ein Placebo. Als geeignet für die Studie galten Patienten, die erhöhte Werte des Tau-Proteins in der Rückenmarksflüssigkeit hatten oder bei denen Hirnscans einen deutlichen Rückgang des Hirnvolumens zeigten.

Das Forscherteam kontrollierte im Verlauf von zwei Jahren unter anderem die Menge der gegen das fehlgefaltete Tau-Protein gebildeten Antikörper und die Anreicherung der Neurofibrillen im Gehirn. Parallel fanden in regelmäßigen Abständen aber auch standardisierte Tests der geistigen Leistung statt.

Reichlich Antikörper, weniger krankhafte Tau-Proteine

Das Ergebnis: Wie erhofft bildeten 98,3 Prozent der geimpften Testpersonen größere Mengen an Antikörpern gegen das fehlgefaltete Tau-Protein. Der Titer der Immunglobulin-G-Antikörper lag im Schnitt bei 1:17.350, wie Novak und sein Team berichten. Ernstere Nebenwirkungen seien dabei nicht aufgetreten. „Der AADvac1-Impfstoff ist demnach sicher und gut verträglich“, so das Team.

Noch wichtiger jedoch: Bei den geimpften Testpersonen verringerten sich im Laufe der Studie die Biomarker, die auf die Präsenz krankhafter Tau-Proteine in Gehirn und Rückenmark hindeuten. Das Vakzin reduzierte zudem die Konzentration des Neurofilaments NfL im Blut der Geimpften gegenüber der Placebogruppe um 58 Prozent, wie die Forschenden berichten. Auch dieses Neurofilament gilt als Anzeiger für eine fortschreitende Schädigung des Gehirns durch Alzheimer.

Vakzin wirkte nicht bei allen

Allerdings: Deutlich ausgeprägt und signifikant waren diese positiven Effekte nur bei den Patienten, bei denen zu Beginn der Studie erhöhte Konzentrationen der Tau-Proteine festgestellt worden waren. Testpersonen, die zwar mittels Hirnscans mit Alzheimer diagnostiziert worden waren, aber keine auffälligen Tau-Werte aufwiesen, zeigten nur wenig Veränderung bei den Biomarkern, wie Novak und sein Team einräumen.

Ähnliches galt in Bezug auf die kognitiven Leistungen der Patienten: Auch hierbei zeigten vor allem die 54 Patienten eine Besserung, die anfangs schon erhöhte Tau-Werte aufwiesen. In dieser Untergruppe ergaben zwei standardisierte Tests ein deutlich langsameres Fortschreiten des geistigen Abbaus als in der Placebogruppe. Nach diesen wurde der klinische Niedergang um 27 Prozent gebremst, der funktionale um 30 Prozent.

Phase-3-Studie in Planung

Nach Ansicht des Forschungsteams legen diese Ergebnisse nahe, dass diese Alzheimer-Impfung vor allem dann wirkt, wenn ein Patient ausgeprägte Fehlbildungen bei den Tau-Proteinen zeigt. Das AADvac1-Vakzin ist demnach wohl noch kein Allround-Mittel gegen die Demenz, könnte aber einem möglicherweise beträchtlichen Teil der Alzheimer-Patienten helfen. „Die präklinischen und klinischen Daten sprechen in jedem Falle dafür, die Entwicklung von AADvac1 weiter voranzutreiben“, konstatieren Novak und seine Kollegen.

Als nächsten Schritt planen sie eine Phase-3-Studie mit deutlich mehr Patienten. In dieser soll dann auch der anfängliche Status der Tau-Proteine bei allen Teilnehmern gezielter erfasst und berücksichtigt werden. (Nature Aging, 2021; doi: 10.1038/s43587-021-00070-2)

Quelle: Nature, Axon Neuroscience

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