Spannender Fund: In England haben Archäologen die Relikte eines in eisernen Fußfesseln begrabenen Toten aus der Römerzeit gefunden. Der Mann war außerhalb des antiken Friedhofs verscharrt worden und zeigte Spuren von Verletzungen und körperlicher Arbeit. Das legt nahe, dass er ein Gefangener oder Sklave war. Ungewöhnlich ist allerdings, dass er mitsamt der durchaus wertvollen Fußfessel begraben wurde.
Die Haltung von Kriegsgefangenen oder Angehörigen unterworfener Völker als Sklaven hat eine lange unrühmliche Tradition: Schon in der Antike ließen sich reiche Römer von Haussklaven bedienen, nutzten sie als Arbeiter auf ihren Ländereien oder für andere „niedere“ Tätigkeiten. Davon zeugen viele historische Aufzeichnungen aus jener Zeit. Auch in den von Römern eroberten Gebieten, darunter die Britischen Inseln, war die Sklaverei üblich. Eindeutige archäologische Belege für Sklaven im römischen Großbritannien fehlten aber bisher.
Eiserne Fußfessel um die Knöchel
Jetzt haben Archäologen einen Toten entdeckt, der deutliche Hinweise auf sein Dasein als Sklave oder Gefangener mit ins Grab genommen hat. Es handelt sich um die Überreste eines Mannes, der bei Ausgrabungen im Ort Great Casterton in Mittelengland unweit eines bereits bekannten antiken Friedhofs gefunden worden war. Anders als die ordentlich ausgerichteten Toten des Friedhofs lag dieser Tote jedoch wie zufällig hingefallen in einem ehemaligen Graben.
Noch ungewöhnlicher jedoch: „Als die unteren Teile der Beine freigelegt wurden, sahen wir, dass sie durch eiserne, mit einem Schloss versehene Fesseln zusammengebunden waren“, berichtet Chris Chinnock vom Museum of London Archaeology (MOLA). Diese Fußfessel bestanden aus zwei um die Knöchel des Mannes befestigten Ringen, deren Abstand von maximal 97 Zentimetern ihm zu Lebzeiten nur kleine, schlurfende Schritte erlaubt hätten.
Sklave, Gefangener oder Bestrafter?
„Die ist das erste Beispiel für ein Begräbnis in Großbritannien, bei dem ein Toter mitsamt abschließbarer und damit wiederabnehmbarer Eisenfesseln bestattet wurde“, erklären Chinnock und sein Kollege Michael Marshall. Das weckt die Frage, wer der in der Zeit zwischen 226 und 427 gestorbene Mann war und warum er in Ketten begraben wurde. In historischen Dokumenten aus der Römerzeit werden Kettensklaven – Servi Vincti – häufig im Zusammenhang mit Feldarbeiten erwähnt.
Allerdings wurden damals auch die zur Zwangsarbeit verurteilten Gefangenen häufig in Ketten gelegt, wie die Forscher erklären. Nach dem im römischen Britannien des vierten Jahrhunderts geltenden Gesetz durften zudem Coloni – eine Art tributpflichtige Leibeigene – ebenfalls wie Sklaven gefesselt werden, wenn sie weggelaufen waren. Das macht es schwer, eindeutig festzustellen, ob der Tote ein Sklave im engeren Sinne war oder ein aus anderen Gründen Gefangener, so Chinnock und Marshall.
Spuren verheilter Wunden
Nähere Untersuchungen der antiken Gebeine ergaben, dass der im Alter zwischen 26 und 35 Jahren verstorbene Mann zu Lebzeiten entweder schwere Arbeit verrichtete oder geschlagen wurde. An seinen Knöcheln und Schienbeinen sind zudem Knochenverwachsungen zu erkennen, die auf teilweise bereits verheilte Verletzungen hindeuten. „Ob es eine Verbindung zwischen den geheilten Wunden am Knöchel und dem Tragen der Fußketten gibt, lässt sich aber nicht belegen“, sagen die Archäologen.
In jedem Falle aber müssen die Fußeisen ihren Träger stark behindert haben. „Für ihre Träger waren diese Ketten sowohl eine Form der Gefangenschaft als auch eine Methode der Bestrafung. Sie verursachten Unbehagen, Schmerzen und Wunden, die auch nach dem Abnehmen sichtbar geblieben sein könnten“, erklärt Marshall. Dennoch waren solche Fußeisen bei den Feldsklaven der Römer durchaus üblich.
Warum wurden die Fußeisen mitbegraben?
Ungewöhnlich ist jedoch, dass der Tote nicht mit einfachen, dauerhaft angeschmiedeten Fußeisen begraben wurde, sondern mit verschließbaren Fesseln. „Abschließbare Fußeisen waren aufwändige und durchaus wertvolle Objekte, die unter normalen Umständen nach dem Tod ihres Trägers aufgeschlossen und entfernt wurden“, sagen die Archäologen. Die Tatsache, dass dieser Mann mit diesen Eisen begraben wurde, könnte darauf hindeuten, dass die Ketten auch eine symbolische Bedeutung hatten.
„Einige Römer glaubten, dass die Toten wiederkehren konnten, um die Lebenden zu stören, vor allem wenn sie gewaltsam zu Tode gekommen waren oder die Totenrituale nicht eingehalten wurden“, erklären die Forscher. „In diesen Kontext könnte es auch sein, dass der Tote seine Fußeisen aus symbolischen Gründen behalten sollte oder dass sie ihm sogar erst für die Bestattung angelegt wurden.“ Letzteres erscheint allerdings angesichts des lieblosen Verscharrens des Toten in einem Graben als eher unwahrscheinlich.
Nach Ansicht der Archäologen belegen die Fußeisen in jedem Fall, dass dieser Mann in der Gewalt anderer lebte und starb und dass er offensichtlich unter wenig würdevollen Umständen zu Tode und ins Grab kam. (Britannia, 2021; doi: 10.1017/S0068113X21000076)
Quelle: Museum of London Archaeology (MOLA)