Verhaltensforschung

Auch Killerwale führen Freundschaften

Vor allem Weibchen und junge Orcas interagieren mit bestimmten Artgenossen

Orcas
Orcas haben auch innerhalb ihrer von Verwandten geprägten Gruppe einige engere Freunde. © University of Exeter

Freundschaft ist kein rein menschliches Phänomen: Auch Schwertwale führen Freundschaften, wie Drohnenaufnahmen einer Orca-Population im Pazifik gezeigt haben. Demnach verbringen die Wale mit bestimmten Artgenossen mehr Zeit als mit anderen. Dabei bevorzugen sie diejenigen, die das gleiche Geschlecht haben und in einem ähnlichen Alter sind – ähnliches gilt für menschliche Freundschaften.

Als soziales Wesen ist der Mensch auf seine Mitmenschen angewiesen: Wir werden nicht nur von anderen aufgezogen, sondern schließen mit Gleichgesinnten auch Freundschaften. Diese prägen unser Sozialverhalten, tun unserer körperlichen Gesundheit gut und mildern Stress. Ähnliches gilt auch für unsere engsten Verwandten. Denn auch Schimpansen, Paviane und Co. haben Freunde, mit denen sie etwa Unternehmungen machen oder potenzielle Partner beeindrucken.

Wie interagieren Schwertwale?

Ob und inwieweit Schwertwale (Orcinus orca) auch Freundschaften schließen, hat ein Forscherteam um Michael Weiss von der University of Exeter untersucht. Bisher nahm man an, dass die Sozialstruktur von Orcas primär auf Verwandtschaftsbeziehungen basiert. Dabei bilden die Tiere die Tiere meist mit ihren Müttern und mütterlichen Verwandten eine Gruppe, in der auch Erlerntes wie Jagdtechniken untereinander weitergegeben werden.

Um mehr über das Sozialverhalten der Orcas zu erfahren, nutzten die Forscher Drohnen, die sie über Schwertwal-Populationen im Pazifik kreisen ließen. Die Drohnenaufnahmen erlaubten es ihnen, Verhaltensweisen wie gemeinsames Schwimmen, körperlichen Kontakt sowie synchrones Auftauchen einzelner Wale mitzuverfolgen. „Indem wir Drohnen zu unserem Equipment hinzugefügt haben, waren wir in der Lage, in das soziale Leben dieser Tiere einzutauchen wie nie zuvor“, erklärt Weiss Kollege Darren Croft.

Gleich und Gleich gesellt sich gern

Das Ergebnis: Es ist kein Zufall, mit welchen Gruppenmitgliedern die Orcas engeren Kontakt haben. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Wale selbst innerhalb dieser eng zusammenhängenden Gruppen die Interaktion mit bestimmten Individuen bevorzugen“, berichtet Weiss. „Es ist so, als wenn deine Mutter dich als Kind zu einer Feier mitnimmt – du hast dir die Feier nicht ausgesucht, aber du kannst dir immer noch aussuchen, mit wem du etwas machen möchtest, wenn du dort bist.“.

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass die Orcas innerhalb ihrer Gruppen auch ein Art von Freundschaft kennen. Sie interagieren mit bestimmten Artgenossen enger und häufiger als mit anderen. Ähnlich wie beim Menschen gesellt sich dabei offenbar bevorzugt Gleich und Gleich: Die Schwertwale pflegten vor allem zu ihnen in Geschlecht und Alter ähnlichen Individuen näheren Kontakt.

Weibchen und junge Wale sind sozialer

Dabei stellten die Wissenschaftler geschlechtsspezifische Unterschiede fest: So waren es meistens Weibchen, die körperlichen Kontakt zu Artgenossinnen hatten oder synchron mit ihnen auftauchten. „Erwachsene männliche Killerwale sind wesentlich größer als Weibchen und haben daher einen höheren Energiebedarf und verbringen mehr Zeit mit der Nahrungssuche“, erklären Weiss und sein Team. Dieser unterschiedliche Lebensstil könnte soziale Interaktionen zwischen den Geschlechtern erschweren, vermuten die Forscher.

Zudem fiel auf, dass junge Orcas kontaktfreudiger waren, während ältere sich weniger sozial zeigten. Laut der Wissenschaftler könnte diese Beobachtung damit zusammenhängen, dass Jungtiere einen großen Teil ihres Energiebedarfs durch Säugen oder durch das Teilen von Beute decken. „Dies kann dazu führen, dass mehr Zeit mit sozialen Kontakten verbracht wird, hauptsächlich mit anderen jungen Individuen“, so Weiss und seine Kollegen.

Parallelen zum Menschen

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die sozialen Interaktionen der Schwertwale komplexer sind als bisher angenommen. Außerdem wird deutlich, dass die Orcas in Bezug auf die Bildung sozialer Bindungen und die soziale Lebensgeschichte, uns Menschen und auch anderen sozialen Säugetieren ähnlich sind.

„Wir fanden faszinierende Parallelen zwischen dem Verhalten von Walen und anderen Säugetieren und sind gespannt auf die nächsten Schritte dieser Forschung“, so das Forscherteam abschließend. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2021, doi: 10.1098/rspb.2021.0617)

Quelle: University of Exeter

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