Medizin

Die Wut rauslassen

Schmerz und unterdrückte Gefühle

Nicht nur unsere Erwartungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung von Schmerzen, sondern auch die Emotionen. Neben Angst kann auch Ärger, vor allem unterdrückter, das Leid intensivieren. Gerade dies ist ein Zustand, der bei Schmerzpatienten besonders häufig auftritt. Das ständige Leiden und die damit verbundenen Einschränkungen im Alltag frustrieren. Frauen sind davon häufiger betroffen als Männer.

Metal
Es muss kein Heavy Metal sein: Aggressive Musik hilft, unterdrückten Ärger rauszulassen. © pascalgenest/ Getty images

Warum aggressive Musik helfen kann

Max-Planck-Forscherin Lydia Schneider will daher herausfinden, wie sich unterschiedliche Stimmungen in der Musik auf das Schmerzempfinden von Frauen auswirken. Die Idee dahinter: Lässt sich womöglich die schmerzlindernde Wirkung von Musik steigern, wenn man dabei den Stil produziert, der der eigenen Stimmung gerade entspricht? Aus einer früheren Studie mit Metal-Musik wusste man, es sind vor allem aggressive Lieder, die Wut in Luft auflösen können.

Und tatsächlich deutet sich an: „Hört man sich nach provozierter Wut aggressive Musik an, steigt die Schmerztoleranz, bei fröhlicher dagegen nicht“, so Schneider über die vorläufigen Ergebnisse. Grund dafür könnte die emotionale Übereinstimmung zwischen dem Gehörten und dem eigenen Empfinden sein, die wohltuend wirken könne. „Bei Ärger ist es besonders wichtig, ihn auch ausdrücken zu können, sonst staut er sich auf und beeinflusst langfristig den Körper und dessen Schmerzempfinden.“ Gegen diesen Stau kann sogar schon das Fluchen helfen, wie Studien belegen – es lindert tatsächlich die empfundenen Schmerzen.

Wie misst man Ärger?

Durch die Musik kann dem eigenen Gefühl Ausdruck verliehen werden, ohne selbst Aggressionen auszuüben. Für ihre Untersuchungen nutzte die Wissenschaftlerin jedoch nicht Metal, sondern Klassik. Sie wählte klassische Stücke, die zwar gleich stark anregten und ähnliche Instrumente nutzten, sich aber in ihrer Stimmung unterschieden – aggressive und fröhliche Musikstücke. So wollte sie sicherstellen, dass sich Reaktionen der Patientinnen besser miteinander vergleichen lassen. „Natürlich spielt auch der Musikgeschmack der Person eine Rolle“, so Schneider.

Den Ärger ihrer Probandinnen erfasste sie anhand eines standardisierten Fragebogens, dem sogenannten Spielberger Ärgerinventar. Der analysiert anhand einzelner Fragen, wieviel Wut generell in einer Person steckt, aber auch, wie stark sie im Moment aufgebracht ist. „Ein Problem ist jedoch, dass die soziale Erwünschtheit hier stark mit reinspielt. Gerade Frauen geben oft nicht an, wie stark sie sich eigentlich über etwas ärgern“, erzählt Schneider.

Hier liegt daher eine der Herausforderungen in den Untersuchungen. Nur wenn man weiß, wie stark jemand wirklich in Rage ist, kann man das mit Effekten verschiedener Stimmungen in der Musik in Verbindung bringen. Daher, so Schneider, werte das Team gerade die körperlichen Signale der Studienteilnehmer aus, etwa die sogenannte Herzratenvariabilität. Die Wissenschaftlerin hofft, mit ihrer Forschung letztlich den Betroffenen helfen zu können.

„Weiß man mehr darüber, wie Musik und Bewegung Schmerzen lindern, lassen sich womöglich viele Medikamente ersetzen – und gleichzeitig viele weitere positive Nebeneffekte erzielen“, sagt Scheider.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der subjektive Teil des Schmerzes
Wie Erwartungen und Gefühle unser Schmerzempfinden beeinflussen

Wenn es wehtut
Schmerz ist mehr als nur das Feuern der Sensoren

Getrennte Signale
Der physikalischer Reiz und seine subjektive Komponente

Ausbrechen aus dem Teufelskreis
Mit Musik und Sport gegen die Schmerzangst

Die Wut rauslassen
Schmerz und unterdrückte Gefühle

Interview: Schaltstelle Rückenmark
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