Klima

Klimawandel: Ozonloch über dem Nordpol wird häufiger

Treibhausgase und Erwärmung fördern ozonabbauende Bedingungen über der Arktis

polare Stratosphärenwolken
Polare Stratosphärenwolken begünstigen den Ozonabbau -und sie werden häufiger. © Ross Salawitch/ University of Maryland

Es erscheint paradox: Obwohl ozonabbauende Substanzen längst verboten sind, könnte es ein Ozonloch über dem Nordpolargebiet künftig häufiger geben – mit Folgen auch für Mitteleuropa. Der Grund: Der Klimawandel begünstigt Bedingungen, die einen drastischen Ozonschwund verursachen. Dieser Trend droht die Erholung der Ozonschicht durch das Verbot von FCKW und Co zu überholen, wenn der Klimaschutz nicht bald greift, berichten Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.

2011, 2016, 2020: Schon mehrfach in den letzten Jahren ist es über der Arktis zu einem drastischen Ozonschwund gekommen. Im Frühjahr 2020 waren in der dichtesten Zone der Ozonschicht sogar 95 Prozent des Ozons zerstört – so viel wie nie zuvor auf der Nordhalbkugel. Ursache dafür ist eine extreme Abkühlung der Stratosphäre, durch die sich polare Stratosphärenwolken bilden. In ihnen reagieren Chlor und Brom unter Lichteinfluss mit Ozon und zersetzen es in einer Kettenreaktion zu normalem zweiatomigen Sauerstoff.

Ozonloch
Am 29. März 2020 war das Ozon in 20 Kilometer Höhe über der Arktis fast vollständig verschwunden. © Alfred-Wegener-Institut

Normale Schwankungen oder bedenklicher Trend?

Doch sind solche arktischen Ozonlöcher nur die Ausnahme – eine Folge natürlicher Klimaschwankungen? Oder steckt mehr dahinter? Das haben Peter von der Gathen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und seine Kollegen jetzt mithilfe von 53 aktuellen Klimamodellen überprüft. Dafür fütterten sie die Simulationen mit Daten zur Klimaentwicklung von 1950 bis 2100, sowie mit der gemessenen und prognostizierten Abnahme ozonzerstörender Substanzen in der Atmosphäre.

FCKW und andere „Ozonkiller“ sind zwar seit 1987 verboten, viele dieser Substanzen bauen sich in der Atmosphäre aber nur sehr langsam ab. „Bis zum Jahr 2000 stiegen die Konzentrationen dieser Substanzen im Polarwirbel noch“, erklärt von der Gathen. „Seitdem fallen sie und liegen heute bei 90 Prozent des Maximums. Erst zum Ende des Jahrhunderts werden sie nach Einschätzung der World Meteorological Organization unter 50 Prozent gesunken sein.“

Unter anderem deshalb ist auch das Ozonloch über der Antarktis noch nicht verschwunden und selbst in den mittleren Breiten und den Tropen hält der Ozonabbau weiter an. Zwar prognostizierten Wissenschaftler noch im Jahr 2016, dass sich das Südpol-Ozonloch schon 2050 schließen könnte – neuere Messungen wecken daran aber Zweifel.

Schleichende Zunahme des Ozonschwunds seit 1950

Die neuen Analysen bestätigen die Zweifel. Denn zumindest über der Arktis ist keine Erholung in Sicht – eher im Gegenteil. Die Simulationen ergaben, dass sich seit 1950 die Klimabedingungen im hohen Norden zugunsten eines Ozonabbaus verändert haben. „Unsere Analyse meteorologischer Daten zeigt einen signifikanten Trend hin zu tieferen Temperaturen in den kalten stratosphärischen Wintern und damit verbunden hin zu steigenden Ozonverlusten“, berichtet von der Ganten. Dieser Trend ist auch dann noch nachweisbar, wenn man die starken jährlichen Schwankungen berücksichtigt.

Das bedeutet: Es ist kein Zufall, das es in den letzten Jahren häufiger ein Ozonloch über der Arktis gab. Stattdessen sehen die Forscher darin eine Folge des Klimawandels: „Die Auswertung der Klimamodelle zeigt klar, dass dieser Trend Teil des Klimawandels und damit das Ergebnis der globalen Treibhausgasemissionen ist“, betont von der Ganten.

Ozonsonde
Start einer Ozonsonde während der MOSAiC-Expedition im Nordpolarmeer. © Alfred-Wegener-Institut

Kältebarriere und Wärmedecke

Wie Klimawandel und Ozonabbau zusammenhängen, ist zumindest in Teilen bekannt: Zum einen verändert die überproportional starke Erwärmung der Arktis die großräumigen Luftströmungen und damit auch den Polarwirbel. Dieses Tiefdruckgebiet über dem Nordpol erzeugt eine starke Ringströmung, die wie eine Barriere für wärmere Luftmassen wirkt und so die Abkühlung der polaren Stratosphäre fördert. Durch den Klimawandel löst sich dieser Polarwirbel im Frühjahr zunehmend verspätet oder gar nicht auf.

Als zweites kommt ein Nebeneffekt der Treibhausgase zum Tragen. Nimmt ihr Gehalt in den unteren Atmosphärenschichten zu, wirken sie wie eine Decke, die zwar nach unten hin wärmt, aber diese Wärme nicht bis in die Stratosphäre lässt. Das potente Treibhausgas Methan kann zudem bis in die Stratosphäre aufsteigen und dort die Luftfeuchtigkeit erhöhen, wie das Forscherteam erklärt. Das fördert die Bildung der polaren Stratosphärenwolken und damit den Ozonabbau.

Wettlauf mit der Zeit

Dieser negative Klimaeffekt konterkariert den langsamen Abbau der ozonzerstörenden Substanzen. Was das für die Zukunft bedeutet, haben die Forscher ebenfalls in den Modellen simuliert. Das Ergebnis: „Alle außer einem Klimamodell zeigen, dass die kalten Winter im polaren Vortex mit der Zeit noch kälter werden“, berichtet Koautor Ross Salawitch von der University of Maryland. „Und je mehr Treibhausgas-Emissionen es gibt, desto steiler ist dieser Trend – und das bedeutet mehr Ozonabbau.“

„Wenn wir unsere Treibhausgas-Emissionen nicht schnell und umfassend reduzieren, könnte der arktische Ozonverlust trotz des großen Erfolgs des Montrealer Protokolls bis zum Ende des laufenden Jahrhunderts immer schlimmer werden, statt der allgemein erwarteten Erholung zu folgen“, erklärt Koautor Markus Rex vom AWI. „Dies stellt einen fundamentalen Paradigmenwechsel in unserer Beurteilung der Zukunft der arktischen Ozonschicht dar.“

Folgen auch für Mitteleuropa

Auswirkungen hätte ein häufigerer Ozonschwund über dem Nordpol auch für Europa, Nordamerika und Teile Asiens: „Der arktische Polarwirbel driftet immer mal wieder auch über Mitteleuropa, so dass es in Deutschland jeweils im Frühjahr zu einigen Tagen reduzierter Ozonschicht kommen kann“, sagt Rex. Dadurch nimmt die UV-Belastung stark zu und das Hauptkrebsrisiko steigt.

Für den MOSAiC-Expeditionsleiter Markus Rex ist die Botschaft aus der Arktis klar: „Es gibt viele gute Gründe, die Treibhausgasemissionen schnell und umfassend zu reduzieren. Eine drohende Verschärfung des Ozonabbaus über der Arktis kommt jetzt noch dazu.“ (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-24089-6)

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, University of Maryland

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