Von der Natur abgeguckt: Forscher haben einen neuartigen Roboter konstruiert, der sich effektiv und schnell durch den Untergrund wühlen kann. Der pneumatische Roboterwurm vereint dafür die Bohrtechniken von drei natürlichen Vorbildern: den Wurzelspitzen der Pflanzen, dem Sand-Oktopus und den Sandfisch-Echsen. In ersten Tests grub sich der Roboter mit zwei Zentimetern pro Sekunde durch losen Sand – das ist schneller als jeder andere Roboter vor ihm, wie die Wissenschaftler in „Science Robotics“ berichten.
Roboter sind inzwischen fast überall im Einsatz: Sie tauchen bis in die Tiefsee, fliegen als Drohnen durch die Luft und erkunden sogar fremde Planeten. Auch in unwegsamem Gelände oder engen Gängen haben sich robotische Helfer längst bewährt. Ein Bereich der robotischen Erkundung ist jedoch bislang kaum abgedeckt: der Untergrund. Denn er setzt der Fortbewegung starken Widerstand entgegen – es ist schwer, in ihn einzudringen, gleichzeitig hemmt die Reibung des körnigen Materials das Fortkommen.
„Die größte Herausforderung bei der Fortbewegung im Untergrund sind die entgegenwirkenden Kräfte“, erklärt Erstautor Nicholas Naclerio von der University of California in Santa Barbara. „Wenn man sich durch im Untergrund bewegt, muss man zudem Boden, Sand oder anderes Material aus dem Weg schaffen.“ Hinzu kommt, dass das von der Schwerkraft beeinflusste Verhalten der Körnchen waagerecht Grabende unweigerlich vom Weg abbringt: Es lenkt sie stetig etwas nach oben hin ab.
Drei Lösungen aus der Natur
Um diese Probleme zu überwinden, haben sich Naclerio und seine Kollegen angeschaut, welche Strategien die Natur für die Fortbewegung im Untergrund entwickelt hat. Ein erstes Prinzip fanden sie bei den Wurzelspitzen der Pflanzen: Diese bewegen sich nicht als Ganzes durch den Boden, sondern bilden nur an ihrer Spitze neue Zellen aus. Dadurch ist nur dieser kleine Bereich der hemmenden Reibung des umgebenden Materials ausgesetzt.
Eine zweite Strategie setzen Tiere wie der Sand-Oktopus (Octopus kaurna) oder der Sandfisch (Trichodon trichodon) um: Sie stoßen einen Wasserstrahl aus, der das Sediment auflockert und so den Grabwiderstand verringert. Eine dritte Anpassung findet sich unter anderem bei einigen Grabschlangen oder dem Apothekerskink (Scincus scincus). Diese Tiere besitzen einen asymmetrisch, nach oben hin stärker abgeschrägten Kopf. Dies wirkt der nach oben ablenkenden Tendenz beim waagerechten Graben entgegen.
Ein Roboterwurm aus Draht, Nylon und viel Luft
Auf Basis dieser drei Strategien entwickelte das Team eine ganz neue Art von Bohrroboter. Dieser besteht aus einem röhrenförmigen Drahtgerüst von sechs Zentimeter Durchmesser, über das innen und außen eine doppelwandige Nylonhülle läuft. Diese bewegt sich innen nach vorne und außen nach hinten. Dadurch wächst der pneumatische Roboter vorne durch Ausstülpen neuen Hüllmaterials, das hinten wieder nach innen umgeleitet wird – er ahmt so das Wurzelspitzenwachstum der Pflanzen nach und verringert seine Reibung.
Um das Graben zu erleichtern, besitzt der Grabroboter am Vorderende zwei Düsen, über die er Druckluft ausstoßen kann. Je nach Bohrrichtung kann dieser Luftstrom nach vorne oder unten gerichtet werden. Ein asymmetrisches Blech am Kopf sorgt dafür, dass er dabei nicht nach oben abgelenkt wird, sondern seinen waagerechten Kurs halten kann. Für die Steuerung sorgen dünne Draht-„Sehnen“ im Inneren.
Schneller als ein Maulwurf
Wie effektiv sich dieser Grabroboter durch den Untergrund wühlt, belegten erste Tests. Bei diesen grub sich der Roboterwurm selbstständig 35 Zentimeter tief in den Sand ein, legte im Untergrund Strecken von knapp einem Meter zurück und umkurvte mehrere im Sand eingegrabene Hindernisse. „Das demonstriert die Fähigkeit des Roboters, vertikal und horizontal zu navigieren und seine Tiefe zu kontrollieren“, so Naclerio und sein Team.
Der Roboterwurm erreichte beim Graben eine Geschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Sekunde – er ist damit schneller als jeder grabende Roboter vor ihm. „Zum Vergleich: Frühere steuerbare Grabroboter schafften 0,11 cm/s in Glasperlen, wurzelähnlich vorankommende Roboter erreichten nur 0,0067 cm/s“, berichten die Forscher. Der neue Roboterwurm bewegt sich sogar schneller durch den Untergrund als Maulwürfe und Muscheln, die nur rund einen Zentimeter pro Sekunde schaffen.
Einsatz auf dem Mond und Asteroiden denkbar
Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnen Roboter nach diesem Prinzip ganz neue Möglichkeiten der Anwendung. Sie könnten eingesetzt werden, um Röhren für Bewässerungsschläuche oder elektrische Leitungen zu graben, um Messungen im Untergrund durchzuführen oder Bodenproben zu gewinnen. Sie könnten überall dort arbeiten, wo der Untergrund locker und nicht zu schwer ist – beispielsweise in sandigen, trockenen Gegenden.
Auch für das Graben in geringer Schwerkraft, wie sie sie beispielsweise auf Asteroiden oder Monden herrscht, wäre der Roboterwurm gut geeignet, wie Naclerio und seine Kollegen erklären. Sie arbeiten bereits mit der NASA zusammen an einem Projekt, in dem solche Roboter für die Untergrunderkundung auf dem Mond entwickelt werden sollen. (Science Robotics, 2021; doi: 10.1126/scirobotics.abe2922)
Quelle: University of California – Santa Barbara