Nach 40 Jahren bewiesen: Astronomen haben erstmals eine Elektroneneinfang-Supernova beobachtet – einen dritten, bisher nur theoretisch vorhergesagten Typ von Sternexplosionen. Dabei kollabiert ein Stern, weil seine enorme Schwerkraft die Elektronen in seinem Innern in die Atomkerne hineinpresst. Dieser Supernova-Typ könnte auch erklären, wie der berühmte Krebsnebel entstand – das Relikt einer im Jahr 1054 sogar tagsüber am Himmel sichtbaren Sternexplosion.
Zwei Hauptarten von Sternexplosionen sind bisher bekannt. Massereiche Sterne von mehr als zehn Sonnenmassen explodieren am Ende ihres Lebenszyklus in einer sogenannten Kernkollaps-Supernova. Dabei reicht der Strahlungsdruck durch die nachlassende Kernfusion nicht mehr aus, um die enorme Schwerkraft auszugleichen, der Kern fällt in sich zusammen und es kommt zur Explosion. Eine Supernova vom Typ Ia ereignet sich dagegen in Doppelsternsystemen mit einem Weißen Zwerg. Dieses Relikt eines Sterns von bis zu acht Sonnenmassen saugt Material von seinem Begleiter ab, bis eine Grenze überschritten wird und der Weiße Zwerg explodiert.
Was passiert mit den Sternen dazwischen?
Unklar war jedoch bisher, was mit Sternen passiert, deren Masse genau dazwischen liegt – bei acht bis zehn Sonnenmassen. Diese Sterne sind zu schwer, um zum Weißen Zwerg zu werden, aber nicht schwer genug, um die Kernfusion bis zur Bildung von Eisenatomen weiterlaufen zu lassen – wie bei Kernkollaps-Sternen der Fall. An diesem Punkt kommt eine vor rund 40 Jahren von dem japanischen Astrophysiker Kenichi Nomoto postulierte Supernova-Form ins Spiel – die Elektroeinfang-Supernova.
Dieser Theorie nach erfolgen diese Sternexplosionen bei sogenannten Super-AGB-Sternen – Roten Riesen, deren Kern vorwiegend aus Sauerstoff, Neon und Magnesium besteht. Durch die an diesem Punkt stoppende Kernfusion wächst der Druck im Inneren so stark an, dass die Elektronen in die Atomkerne gedrückt werden. Dieser als Elektroneneinfang bezeichnete Prozess führt dazu, dass der Kern instabil wird und in einer Supernova explodiert. So weit die Theorie. Ein Beobachtungsbeweis für diese Supernovatyp fehlte jedoch bisher.
Alle Merkmale des lange gesuchten Supernova-Typs
Jetzt hat sich dies geändert: Erstmals haben Astronomen eine solche Elektroneneinfang-Supernova im All entdeckt. Im März 2018 registrierten die ersten Teleskope das Aufleuchten der Explosion im Außenbereich einer 31 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Daraufhin verfolgten verschiedene weitere Observatorien auf der Erde und im Orbit die weitere Entwicklung von Supernova 2018zd über zwei Jahre hinweg.
Diese Daten hat nun ein Team um Daichi Hiramatsu vom Las Cumbres Observatory in Kalifornien ausgewertet – und mehrere Auffälligkeiten entdeckt. Dazu gehören starke Massenverluste schon vor der eigentlichen Supernova, eine ungewöhnliche Zusammensetzung des Lichtspektrums, eine vergleichsweise schwache Explosion sowie wenig radioaktive Prozesse und ein neutronenreicher Kern. „All diese Eigenschaften von SN 2018zd können durch eine Elektroneinfang-Supernova erklärt werden“, sagt Hiramatsu.
Zusätzlich gelang es dem Astronomenteam durch Vergleich mit älteren Aufnahmen der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer, Aufnahmen des Vorgängersterns zu finden. Diese legen nahe, dass es sich bei dem Vorgängerstern tatsächlich um einen Super-AGB-Stern handelt – einen Roten Riesen mit untypischem Sauerstoff-Neon-Kern.
„Missing-Link“ der Sternexplosionen
Nach Ansicht des Forschungsteams spricht all dies dafür, dass es sich bei der Supernova 2018zd um den lange gesuchten dritten Typ der Sternexplosionen handelt. „Das war ein echter ‚Heureka‘-Moment für uns, das wir nun dazu beitragen können, die 40 Jahre alte Theorie zu bestätigen“, sagt Hiramatsu. Die Beobachtungen belegen erstmals, dass es diesen lange postulierten Explosionstyp bei Sternen tatsächlich gibt – und schließen so die Lücke zwischen Kernkollaps- und Typ-Ia-Supernova.
„Ich freue mich sehr, dass die Elektroneneinfang-Supernova endlich entdeckt worden ist“, kommentiert der Begründer der Theorie, Kenichi Nomoto. „Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich Theorie und Beobachtungen ergänzen.“
Erklärung auch für den Krebsnebel
Die Beobachtungen werfen aber auch neues Licht auf den berühmten Krebsnebel – den leuchtenden Überrest einer im Mittelalter am Himmel sichtbaren Supernova. Dieses rund 6.300 Lichtjahre entfernte Gebilde aus leuchtenden Gasen entstand durch eine Sternexplosion im Jahr 1054. Aufzeichnungen chinesischer Astronomen zufolge war diese Supernova damals 23 Tage lang sogar tagsüber am Himmel zu sehen, nachts strahlte das Nachglühen der Explosion noch zwei Jahre lang.
Doch obwohl der Überrest dieser Supernova einer der am besten untersuchten überhaupt ist, war bisher strittig, durch welche Art von Sternexplosion er zustande kam. Die anhand der Supernova 2018zd gewonnenen Erkenntnisse helfen nun jedoch, einige der vorher schwer erklärbaren Merkmale des Krebsnebels einzuordnen und legen nahe, dass auch er durch eine Elektroneneinfang-Supernova entstand.
„Der Begriff ‚Rosetta-Stein‘ wird zwar oft als Analogie verwendet, aber in diesem Fall passt er wirklich“, sagt Koautor Andrew Howell vom Las Cumbres Observatory. „Denn die Supernova 2018zd hilft uns nun, tausend Jahre alte Aufzeichnungen aus aller Welt zu dekodieren. Und es hilft uns dabei, das Phänomen, das wir zuvor nicht verstanden, den Krebsnebel, mit einem gut dokumentierten Ereignis wie dieser Supernova zu verknüpfen.“ (Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-021-01384-2)
Quelle: Las Cumbres Observatory Global Telescope, University of California – Davis