Konkurrenz um Fläche: Der Ausbau der Windkraft stockt – auch weil sich Naturschutz, Anwohnerinteressen und Standortwahl immer wieder in die Quere kommen. Jetzt zeigt eine neue Karte, wo in Deutschland das Konfliktpotenzial niedrig ist und daher Flächen für die Windkraft geeignet wären. Demnach sind bundesweit 3,6 Prozent der Fläche für die Windkraftnutzung geeignet, die höchsten Anteile haben Brandenburg, Niedersachen und Sachsen-Anhalt.
Das Potenzial der Windenergie ist groß: Allein in Europa gäbe es genügend Onshore-Kapazität, um den Strombedarf der Welt zu decken – theoretisch. In der Praxis jedoch sieht es weniger rosig aus: Der Ausbau der Windkraft stockt und viele Standorte sind weniger geeignet als zunächst angenommen. Dazu gehören unter anderem Flächen in der Nähe von Wäldern und Vogelbrutplätzen, aber auch der vorgeschriebene Abstand zu Siedlungen, Flughäfen oder Stromleitungen schränkt die geeigneten Flächen ein.
Wohin mit den Windrädern?
Das weckt die Frage, wie und vor allem wo der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien stattfinden soll. Denn laut dem gerade beschlossenen Bundesklimaschutzgesetz sollen in Deutschland bis 2030 rund 65 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. „Um das zu erreichen, muss die Windkraft in Deutschland deutlich ausgebaut werden“, sagt Boris Stemmer von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
Das Problem: Immer häufiger regt sich Widerstand gegen geplante Anlagen. „Umwelt- und Landschaftsschutz werden in den frühen Planungsphasen nicht ausreichend in der Planung berücksichtigt, die kommen dann oft erst vor Gericht zum Tragen und genau das kostet Zeit“, erklärt Wolfgang Peters von Bosch & Partner. Im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz haben daher Stemmer, Peters und ihr Team kartiert, wo in Deutschland Flächen mit niedrigem Konfliktpotenzial existieren und wie viele.
Karte zeigt konfliktarme Standorte
Das Ergebnis ist eine Karte, die geeignete Windkraftflächen in unterschiedliche Risikoklassen einstuft. Sie zeigt damit an, welche Flächen außerhalb der schon bestehenden Ausschlussgebiete beispielsweise wegen naher Vogelschutzgebiete oder Biosphärenreservate weniger geeignet sind oder weil geschützte Spezies dort vorkommen. Dadurch wird sichtbar, wo noch potenzielle Standorte existieren, die weniger konfliktträchtig sind und dem Naturschutz nicht in die Quere kommen.
Konkret ergibt sich daraus: Rund 3,6 Prozent der Fläche in Deutschland sind auch aus Sicht des Naturschutzes für die Nutzung von Windenergie geeignet. Auf diese Flächen schätzen die Wissenschaftler das Konfliktpotential mit Natur- und Landschaftsschutz als so gering ein, dass die Chancen für den Bau einer Windkraftanlage gut bis sehr gut sind. Insgesamt sind dies knapp 13.000 Quadratkilometer.
Anteile je nach Bundesland unterschiedlich
Die potenziell geeigneten Windkraft-Standorte sind dabei sehr unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt. „Nicht alle Bundesländer können und sollten gleich große Flächenanteile für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen“, sagt Stemmer. Während beispielsweise Nordrhein-Westfalen vor allem aufgrund des hohen Anteils an Ausschlussflächen durch die dichte Besiedelung nur auf 1,9 Prozent der Fläche kommt, bietet sich in Sachsen-Anhalt ein weitaus größeres Flächenpotenzial. Dort wären 16,5 Prozent der Fläche für Windräder geeignet, in Brandenburg sind es 10,2 und in Niedersachen 9,2 Prozent.
„Fläche ist die neue Währung der Energiewende“, sagt Koautor Felix Christian Matthes vom Öko-Institut in Berlin. „Nur, wenn wir es schaffen, Naturschutz- und Landschaftspflege in der Planung ernst zu nehmen, können wir den Ausbau der Windenergie so vorantreiben, dass das Erreichen der Klimaschutzziele realistisch wird.“ (Projekt „Planspiel zur naturverträglichen räumlichen Verteilung der erneuerbaren Energieerzeugung in Beispielregionen“, Zwischenbericht (PDF))
Quelle: Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe