Klein, aber oho: Astronomen haben einen in mehrerer Hinsicht außergewöhnlichen Weißen Zwerg entdeckt. Mit einem Radius von 2.140 Kilometern ist er der kleinste seiner Art – er ist kaum größer als der Mond. Gleichzeitig ist er jedoch extrem magnetisiert und mit 1,35 Sonnenmassen wahrscheinlich massereicher als jeder andere Weiße Zwerg. Es könnte sogar sein, dass er noch zu einem Neutronenstern kollabiert, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Weiße Zwerge entstehen, wenn ein massearmer Stern das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat. Auch unsere Sonne wird sich in rund sieben Milliarden Jahren erst zum Roten Riesen aufblähen und dann ihre Hüllen ausschleudern. Übrig bleibt ein glimmender Kern – der Weiße Zwerg. Dieser kühlt im Laufe der Zeit immer weiter ab und kann im Extremfall sogar auskristallisieren. Ist er Teil eines Doppelsternsystems, kann er aber auch Material von seinem Begleiter abziehen, bis er in einer Supernova vom Typ Ia explodiert.
Ziemlich schnell und extrem magnetisiert
Doch es gibt noch einen dritten Weg, wie der rund 130 Lichtjahre entfernte Weiße Zwerg ZTF J1901+1458 demonstriert. Entdeckt haben ihn Astronomen um Ilaria Caiazzo vom California Institute of Technology, als sie Daten der Zwicky Transient Facility am Palomar Observatorium in Kalifornien auswerteten. Dabei fiel als erstes auf, dass dieser Sternenrest ungewöhnlich schnell rotiert: Er benötigt für eine Umdrehung nur 6,94 Minuten, während die meisten anderen Weißen Zwerge dafür mehrere Stunden brauchen.
Noch ungewöhnlicher jedoch: Spektralanalysen seines Lichts ergaben, dass der Weiße Zwerg ein extrem starkes Magnetfeld besitzt. „Sein Magnetfeld erreicht 600 bis 800 Millionen Gauss“, berichten Caiazzo und ihre Kollegen. Damit ist dieser Sternenrest fast eine Milliarde mal stärker magnetisiert als unsere Sonne. Außerdem ist er mit rund 46.000 Kelvin Oberflächentemperatur auch extrem heiß, in seinen Inneren könnten nach Schätzung der Astronomen sogar 20 bis 30 Millionen Grad herrschen.
Der kleinste und schwerste seiner Art
Einen echten Rekord knackt der Weiße Zwerg aber mit seiner Größe und Masse: Mit einem Radius von 2.140 Kilometern ist er der kleinste bisher bekannte Weiße Zwerg, wie die Astronomen berichten. Der Sternenrest ist nur wenig größer als der Erdmond. Das aber hat Folgen auch für seine Masse: „Es erscheint paradox, aber kleinere Weiße Zwerge sind massereicher als größere“, erklärt Caiazzo. „Das liegt daran, dass Weißen Zwergen die Kernfusion fehlt, die normale Sterne gegen ihre eigene Schwerkraft stabilisiert.“
Dadurch werden die Sternenreste extrem komprimiert. Je kleiner ein Weißer Zwerg ist, desto weniger kann er der zusammendrückenden Schwerkraft entgegensetzen und wird folglich immer dichter. Für ZTF J1901+1458 ermittelten Caiazzo und ihr Team ein Gewicht von 1,327 bis 1,365 Sonnenmassen. „Er könnte damit der massereichste Weiße Zwerg sein, der je entdeckt wurde“, berichten sie. „Seine Masse liegt weniger als zwei Prozent von der höchstmöglichen Masse für einen Weißen Zwerg entfernt.“
Aus zwei Vorgängern verschmolzen
Wie aber kam dieser kleine, aber schwere Sternenrest zustande? Wenn ein Stern dieses Stadium seines Lebenszyklus erreicht, endet er normalerweise in einem deutlich größeren, leichteren Weißen Zwerg. Die Astronomen vermuten daher, dass ZTF J1901+1458 das Produkt einer Verschmelzung ist, bei der sich zwei Weiße Zwerge in einem Doppelsternsystem zunächst eng umkreisten und dann kollidierten. Erste Hinweise auf eine solche Verschmelzungen haben Astronomen bereits 2020 bei einem anderen Weißen Zwerg entdeckt.
Im Falle von ZTF J1901+1458 könnte ihm dieser „Todestanz“ auch sein starkes Magnetfeld und die schnelle Rotation verliehen haben, wie Caiazzo und ihre Kollegen erklären. Sollte sich dies bestätigen, wäre der nahe Weiße Zwerg ein guter Kandidat, um einige offene Fragen zu solchen Ereignissen zu klären. „Wir wissen beispielsweise noch nicht, wie hoch die Rate solcher Verschmelzungen von Weißen Zwergen ist und wie viele davon in einer Typ-1a-Supernova enden“, erklärt Caiazzo. „Auch wie das Magnetfeld bei diesen Ereignissen entsteht und warum ihre Stärke so stark variiert ist bislang unklar.“
Wird der Weiße Zwerg zum Neutronenstern?
Spannend auch: Es könnte sogar sein, dass der „übergewichtige“ Weiße Zwerg zu einem Neutronenstern wird – einem noch dichteren Sternenrest, der normalerweise nur nach der Supernova eines massereichen Sterns entsteht. „ZTF J1901+1458 ist so massereich und dicht, dass Elektronen in seinem Kern von Protonen eingefangen werden können und so Neutronen entstehen“, erklärt Caiazzo. „Wenn eine ausreichend große Zahl von Elektronen auf diese Weise geschluckt wurde, kollabiert der Sternenkern.“
Das Resultat wäre ein Neutronenstern. „Mit einem Magnetfeld von 20 Milliarden Gauss und einer Rotationsperiode von 15 Millisekunden würde dieser neugeborene Neutronenstern dann einem jungen Pulsar ähneln“, erklären die Astronomen. Das wirft die interessante Frage auf, ob vielleicht viele dieser schnellen, stark magnetischen Neutronensterne gar nicht aus der Supernova eines schweren Sterns hervorgegangen sind, sondern vielmehr aus der Verschmelzung zweier Weißer Zwerge – immerhin sind diese das Endstadium für mehr als 90 Prozent aller Sterne im Kosmos.
Das Forschungsteam hofft, bald mehr darüber zu erfahren. „Die Zwicky Transient Facility entdeckt zurzeit viele weitere solcher schweren Weißer Zwerge. Dies könnte uns helfen, den Ursprung und das weitere Schicksal dieser Objekte besser zu verstehen“, so die Astronomen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03615-y)
Quelle: W. M. Keck Observatory