Planetare Cousins: Astronomen haben vier Exoplaneten entdeckt, die um zwei 130 Lichtjahre entfernte Geschwister-Sterne kreisen – die beiden Sonnen entstanden wahrscheinlich gemeinsam in einer Gaswolke, sind aber kein Doppelstern. Einer der Planeten ist zudem der jüngste bisher bekannte Exoplanet mit ultrakurzer Umlaufbahn. Er wirft ein neues Licht darauf, wie und wo solche ihrem Stern extrem nahen Planeten entstehen, wie die Forscher berichten.
Inzwischen sind Planeten um fremde Sterne keine Besonderheit mehr – Astronomen haben schon mehr als 4.500 Exoplaneten nachgewiesen, darunter auch einige sehr junge Exemplare. Dennoch ist der Prozess ihrer Entstehung noch alles andere als vollständig geklärt. Fragen gibt es beispielsweise dazu, wann die Planetenbildung um einen Jungstern einsetzt, wie schnell sie abgeschlossen ist und wie Gasriesen wie der Planet Jupiter entstehen.
Stellare Geschwister
Neue Erkenntnisse dazu könnten nun zwei Planetensysteme liefern, die Astronomen in nur 130 Lichtjahren Entfernung entdeckt haben. Mithilfe des TESS-Satelliten der NASA detektierten Christina Hedges vom Ames Research Center der NASA und ihre Kollegen mehrere Transits um die beiden jungen Sterne TOI 2076 und TOI 1807. Beide sind erst knapp 200 Millionen Jahre alt und ein wenig kühler als unsere Sonne.
Diese beiden Jungsterne liegen rund 30 Lichtjahre auseinander und sind damit zu weit voneinander entfernt, um einen Doppelstern zu bilden. Aus Messdaten des Gaia-Satelliten der ESA geht aber hervor, dass beide sich nahezu gleich schnell bewegen und einen gemeinsamen Ursprung haben. Hedges und ihre Kollegen gehen daher davon aus, dass diese Sterne gemeinsam in einer Gaswolke geboren wurden – ähnlich wie einst die Sonne und ihr heute weit entfernt liegender Schwesterstern.
Von Planeten-„Teenagern“ umgeben
Das Besondere jedoch: TOI 2076 und TOI 1807 sind nicht nur Geschwister, sie sind auch beide von jungen Planeten umgeben. „Diese Planeten sind keine Neugeborenen mehr, aber auch noch nicht voll ausgereift“, erklärt Hedges. „Sie entsprechen eher Teenagern, die sich in einer Übergangsphase ihres Lebenszyklus befinden.“ Die vier Exoplaneten-Teenager können daher wertvolle Einblicke in die Entwicklung planetarer Himmelskörper bieten.
„Angesichts der Seltenheit junger Exoplaneten, vor allem in Mehrplanetensystemen, repräsentieren diese Funde eine beispiellose Chance, die Bildung und Entwicklung von Exoplaneten und ihren Atmosphären zu erforschen“, konstatiert das Astronomenteam. Denn gängiger Annahme nach besitzen Jungplaneten anfangs noch eine dichte Atmosphäre aus Gasresten der Urwolke. Später verlieren einige von ihnen diese erste Hülle, andere legen sich eine sekundäre Atmosphäre zu.
Einblick in frühe Entwicklung
Das Alter der nun entdeckten Jungplaneten legt nahe, dass sie sich mitten in diesem Entwicklungsprozess befinden. „Die TESS-Entdeckung der Planetensysteme TOI 2076 und TOI 1807 kann daher unser Wissen über dieses Teenager-Stadium von Planeten voranbringen“, erklärt Koautor Trevor David vom Center for Computational Astrophysics in New York. Das könnte auch Rückschlüsse auf die Entwicklung unseres eigenen Sonnensystems erlauben.
Der Stern TOI 2076 wird von gleich drei Planeten umkreist, deren Größen im Bereich zwischen Supererde und Mini-Neptun liegen. Der innerste Planet, TOI 2076b, ist etwa dreimal größer als die Erde und hat eine Rotationperiode von rund zehn Tagen, die beiden äußeren Planeten TOI 2076c und d haben den vierfachen Erdradius. Ihre genaue Entfernung vom Stern konnten die Astronomen wegen lückenhafter Daten nicht ermitteln.
Frühe Wanderung von TOI 1807b?
Besonders spannend ist jedoch der Planet um den zweiten Stern TOI 1807: Er ist rund doppelt so groß ist wie die Erde und umkreist seinen Stern sehr eng. Für einen Umlauf benötigt TOI 1807b nur 13 Stunden. „Er ist der jüngste bisher bekannte ultrakurzperiodische Planet“, berichten die Astronomen. Damit ist TOI 1807b zwar alles anderer lebensfreundlich, könnte aber entscheidende Inforationen darüber liefern, wie solche sternennahen Planeten entstehen – und möglicherweise neue Fragen aufwerfen.
Der Grund: Theoretische Modelle sagen voraus, dass sich Planeten erst in gewisser Entfernung von ihrem Stern bilden können – weiter außen, als es der aktuellen Position von TOI 1807b entspricht. Denn so nah am Stern sind die stellaren Gezeitenkräfte so stark, dass sie die anfangs noch lose Materialansammlung sofort wieder auseinanderreißen würden. Demnach müsste sich der junge Exoplanet innerhalb von weniger als 200 Millionen Jahren jenseits seines heutigen Orbits gebildet haben und dann sofort nach innen gewandert sein.
Die Astronomen hoffen, dass künftige Beobachtungen mit den leistungsstarken Optiken des Weltraumteleskops Hubble und ab Ende 2021 dem James-Webb-Weltraumteleskop mehr Aufschluss über den Entwicklungszustand der vier Jungplaneten und ihrer Atmosphären geben werden. (The Astronomical Journal, 2021; doi: 10.3847/1538-3881/ac06cd)
Quelle: NASA