Physik

Forscher machen Wasser metallisch

Experiment verleiht Wasser freie Elektronen und Leitfähigkeit - ohne Hochdruck

Wasser-Metall
Die Umfärbung dieses Tropfens von silbrig zu golden zeigt an, dass die Wasserschicht auf seiner Oberfläche metallische Eigenschaften bekommen hat. © Phil Mason / IOCB Prague

Wundersame Verwandlung: Forscher haben Wasser erstmals metallische Eigenschaften verpasst – ohne Hochdruck und bei Raumtemperatur. Gelungen ist dies durch einen raffinierten Trick: Sie ließen im Vakuum Wasserdampf auf einem Tropfen flüssiger Alkalimetalle kondensieren. Die Einwanderung von Elektronen aus dem Metall verlieh der dünnen Wasserschicht daraufhin kurzzeitig die Leitfähigkeit und das Aussehen eines Metalls: Der Tropfen bekam einen Goldglanz.

Metalle besitzen eine gute Leitfähigkeit, weil ihre delokalisierten Außenelektronen sich frei im Atomgitter bewegen können. Anders ist dies bei destillierten Wasser: Weil die Außenelektronen der beteiligten Atome fest gebunden bleiben, ist reines Wasser ein nahezu perfekter Isolator. Um es leitend und damit metallisch machen, müsste man die Wassermoleküle stark komprimieren. Der hohe Druck bringt dann die Orbitale der Außenelektronen so nah zusammen, dass sie überlappen. Durch die erhöhte Elektronendichte werden einige Elektronen mobil und erlauben so den Stromfluss.

Das Problem jedoch: „Im Fall des reinen Wassers wird der dafür nötige Druck auf 48 Megabar geschätzt – das ist jenseits unserer heutigen experimentellen Möglichkeiten und kommt wahrscheinlich nur im Kern von großen Planeten oder Sternen vor“, erklären Philip Mason von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag und seine Kollegen. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Wasserstoff, Helium und möglicherweise auch Wasser im Inneren des Jupiter metallisch sein könnten.

Alkalimetalle und Wasser – eine heikle Kombination

Aber es geht auch anders, wie die Forscher jetzt in einem Experiment beweisen. Ausgangspunkt dafür war die Überlegung, dass man die Elektronendichte des Wassers auch durch eine Dotierung erhöhen könnte – indem man zusätzliche Elektronen aus einem anderen Material einschleust. Aus früheren Versuchen war zudem bekannt, dass sich Alkalimetalle dafür prinzipiell als Elektronengeber eignen würden.

Bei der Kombination von Alkalimetallen und Wasser gibt es aber eine entscheidende Hürde – wie die meisten aus der Schule wissen: „Wenn man einen Klumpen Natrium ins Wasser wirft, bekommt man kein metallisches Wasser, sondern eine sofortige und heftige Explosion“, erklärt Masons Kollege Pavel Jungwirth. „Um diese heftige und ziemlich kontraproduktive Reaktion zu umgehen, haben wir das Ganze umgekehrt gemacht: Wir haben Wasser zum Metall hinzugegeben.“ Dabei war die Wassermenge so gering, dass die Explosion ausblieb.

Tropfen
Diese Aufnahmen zeigen, wie sich der Akalimetalltropfen nach Ablagerung der Wassermoleküle verfärbt.© Phil Mason / IOCB Prague

Tropfen wird goldglänzend

Konkret läuft das Experiment so ab: In einer Hochvakuum-Probenkammer tritt aus einer feinen Düse ein winziger Tropfen einer Natrium-Kalium-Lösung aus. Der silbrige Tropfen wächst rund zehn Sekunden lang heran, bevor er sich von der Düse löst und herunterfällt. Während der Tropfen sich bildet, leiten die Forscher Wasserdampf in die Kammer ein. Ein Teil der Wassermoleküle lagert sich auf der Tropfenoberfläche ab und bildet eine um rund 80 Moleküllagen pro Sekunde dicker werdende Wasserschicht.

Das Interessante dabei: Sobald sich die ersten Wassermoleküle auf dem Metalltropfen abgelagert haben, ändert sich dessen Farbe. „Der silbrige Natrium-Kalium-Tropfen überzieht sich mit einem goldenen Schimmer, das ist sehr eindrucksvoll“, berichtet Koautor Robert Seidel vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie in Berlin. Der metallische Goldglanz bleibt rund fünf Sekunden lang erhalten, bevor die Tropfenfarbe über Bronze und Purpur schließlich zu weiß wechselt.

Freie Elektronen in der Wasserschicht

Dieser Farbwechsel signalisiert eine entscheidende Wandlung im elektrochemischen Verhalten der Wasserschicht. Wie spektroskopische Analysen bestätigten, wird das nichtleitende Wasser während der Zeit des Goldglanzes leitfähig – es nimmt metallische Eigenschaften an. „Unsere Beobachtungen bestätigen, dass die goldene Färbung und ihr charakteristischer Glanz die metallische Natur der wässrigen Oberflächenschicht anzeigen“, schreiben Mason und seine Kollegen.

Messbar ist dies an der Präsenz von Ladungsschwankungen, sogenannten Plasmonen, und daran, dass sich ein Leitungsband mit einer Breite von rund 1,1 Elektronenvolt bildet, wie die Forscher erklären. Beides zeigt an, dass es im Wasser nun frei bewegliche Elektronen gibt. Sie stammen aus dem Alkalimetall und sind nach Anlagerung der Wassermoleküle in die wässrige Schicht übergewechselt. Den Messungen zufolge liegt die Dichte dieser zusätzlichen Elektronen während der Goldphase bei rund fünf Trilliarden Elektronen pro Kubikzentimeter.

So funktioniert die Umwandlung des Wassers.© Thunderf00t

Metallisch ohne Hochdruck

Dieses Experiment belegt damit das zuvor für unmöglich Gehaltene: Wasser kann auch ohne extremen Druck metallisch gemacht werden. Im Tropfenexperiment hielt dieser für reines Wasser ungewöhnliche Zustand immerhin einige Sekunden an, wie die Forscher berichten. Dann allerdings führt die chemische Reaktion der Alkalimetalle mit dem Wasser dazu, dass weißes Alkali-Hydroxid entsteht.

„Unsere Studie zeigt nicht nur, dass metallisches Wasser tatsächlich auf der Erde hergestellt werden kann, sondern charakterisiert auch die spektroskopischen Eigenschaften, die mit seinem schönen goldenen Metallglanz verbunden sind“, sagt Seidel. Das ermögliche es künftig, die Eigenschaften und das Verhalten von metallischem Wasser auch ohne Hochdruck zu erforschen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03646-5)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, Institute of Organic Chemistry and Biochemistry of the Czech Academy of Sciences

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