Astronomie

Das Rätsel der neun Lichter

Astronomen finden keine Erklärung für Objekte auf einer 70 Jahre alten Fotoplatte

Neun Lichtpunkte
Erst sind sie da, dann sind sie weg: Die grün eingekreisten Lichtpunkte sind nur in einer einzigen Himmelsaufnahme vom 12. April 1950 zu sehen (links). In späteren Aufnahmen sind diese Stellen leer. © Villarroel et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Was war das? Neun Lichtpunkte auf einer astronomischen Fotoplatte geben Forschern bis heute Rätsel auf. Denn diese am 12. April 1950 aufgenommenen Lichter passen zu keinem astronomischen Objekt, aber auch nicht zu gängigen Kontaminationen oder Störquellen, wie Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten. Zudem wurden an dieser Himmelspositionen weder davor noch danach ähnliche Lichter gefunden.

Ob Supernovae, Kometen, Strahlenausbrüche an Schwarzen Löchern oder Kollisionen: Im Kosmos gibt es viele Prozesse, die einen Himmelskörper vorübergehend aufleuchten und wieder erlöschen lassen. Einige von ihnen dauern nur wenige Sekunden, andere sind über Monate oder sogar Jahre nachweisbar. Anhand des Lichtspektrums, der Form und der Dauer solcher Beobachtungen können Astronomen meist einordnen, was dahintersteckt.

Neun simultan auftauchende Lichtpunkte

Doch es gibt eine astronomische Aufnahme, die auch heute noch Kopfzerbrechen bereitet. Es handelt sich um eine Fotoplatte, die am 12. April 1950 vom Teleskop des Palomar Observatory in Südkalifornien aufgenommen wurde. Sie zeigt einen 10 x 10 Bogenminuten großen Himmelsausschnitt, in dem neben bekannten Sternen und anderen Himmelsobjekten, einige nicht identifizierbare Lichtpunkte zu erkennen sind. Ihre Position entspricht keinem bekannten Objekt.

Zu sehen sind acht sternähnliche, runde Punkte und ein möglicherweise leicht länglicher Fleck, die verstreut auf der Fotoplatte auftauchen. „Diese Quellen sind weder in einer 30 Minuten früher gemachten Aufnahme, noch in einem sechs Tage später erstellten Foto zu sehen“, berichten Beatriz Villarroel vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm und ihre Kollegen. Auch in späteren Aufnahmen dieses und anderer Teleskope ist an der Position dieser neun Lichter nichts mehr zu finden.

Fahndung nach astronomischen Gegenparts

Auf der Suche nach einer Erklärung für diese transienten Lichtquellen haben Villarroel und ihr Team den fraglichen Himmelsausschnitt nun noch einmal untersucht, welche Objekte oder Ereignisse als Ursache in Frage kommen. Zuerst glichen sie die Position der neun Lichtpunkte noch einmal mit neueren Himmelsaufnahmen dieses Gebiets ab und durchsuchten dieses auch selbst mit dem Gran Canarias Teleskop.

Vergleich
Fotoplatten vom 12. April 1950 (links) und aktuelle Vergleichsaufnahmen mit dem Gran Canarias Telescope.© Villarroel et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Doch fündig wurden sie dabei nicht: Für nur zwei der Lichtquellen konnten sie aktuelle optische Gegenstücke identifizieren, die zumindest in der Nähe liegen. Doch diese passen nicht zu dem kurzen und augenscheinlich einmaligen Aufleuchten der alten Lichtpunkte. „Ein Cluster von sehr fernen Galaxien könnte zwar das vorübergehende Aufleuchten erklären, aber dies müsste auch nach den 1950er Jahren noch anhalten“, schreibt das Team.

Hinzu kommt: Die gängigen veränderlichen oder transienten Lichtquellen treten im Universum meinst einzeln auf – nicht gleich im Neunerpack. Eine solche Häufung wäre selbst dann unwahrscheinlich, wenn es sich um nicht miteinander verknüpfte, nur zufällig auf einer Fotoplatte zusammen abgelichtete Objekte handelte, so Villarroel und ihr Team. Denn nach Daten von Himmelsdurchmusterungen sind im Schnitt 2,5 transiente Ereignisse pro Quadratgrad und Tag beobachtbar. Auf der Fotoplatte sind es neun Ereignisse in 30 Minuten und wenigen Bogenminuten.

Könnten es Asteroidenfragmente oder Meteore sein?

Eine plausiblere Erklärung für die Häufung wäre, dass alle neun Lichtpunkte von einer Quelle stammen – beispielsweise den Fragmenten eines Asteroiden oder in der Atmosphäre zerfallenen Meteoriten. Das Problem dabei: Weil sich diese Objekte schnell bewegen und der Erde relativ nahe sind, müssten sie in den damals 50 Minuten lang belichteten Fotoplatten als lange Leuchtspuren erscheinen, erklären die Astronomen.

Runde Lichtflecke könnten theoretisch von kosmischen Staubkörnern stammen, die nur einmal kurz aufblitzen, bevor sie verdampft sind. Allerdings sind diese winzigen Blitze viel zu lichtschwach, als dass sie das Palomar-Teleskop damals aufgenommen haben könnte. „Die Tatsache, dass wir hier neun simultan auftauchende Transiente haben, passt damit zu keiner bekannten natürlichen Erklärung“, konstatieren Villarroel und ihre Kollegen.

Satellitenblitzer passen – waren aber unmöglich

Was aber kann es dann sein? Bei modernen Teleskop-Aufnahmen sind es häufig menschengemachte Objekte, die solche kurzen Störsignale hinterlassen – Satelliten. Wenn ihre Sonnensegel oder reflektierenden Außenwände von der Sonne angestrahlt werden, kann dies in astronomischen Aufnahmen kurze Lichtblitze erzeugen. Auch rotierender Weltraumschrott kann solche Lichtreflexionen verursachen.

„Tatsächlich sind sogar die meisten der sehr kurzlebigen transienten Signale Satellitenblitzer“, erläutern die Astronomen. „Viele Satelliten blinken nur ein oder zweimal, andere hinterlassen mehrere, in einer Linie verlaufende Blitzer.“ Das Problem nur: Die Fotoplatte stammt von 1950 – sie entstand sieben Jahre bevor mit Sputnik-1 der erste künstliche Satellit die Umlaufbahn erreichte.

Fallout der Atombombentests?

Wenn es nichts Astronomisches ist, könnten dann methodische Mängel diese Lichtpunkte erzeugt haben? Auch diese Frage haben Villarroel und ihre Kollegen untersucht. Eine Möglichkeit wären Staubkörnchen auf den Glasplatten des Scanners, mit denen die Fotoplatten digitalisiert wurden. Auch teilweise Doppelbelichtungen oder winzige Feuchtigkeits-Tröpfchen auf den Fotoplatten wären denkbar. Allerdings hinterlassen solche Störeffekte meist mehr Spuren und auch die Form der Lichtpunkte passt nicht.

Ähnliches gilt für den Effekt von radioaktiver oder kosmischer Strahlung, beispielsweise durch auf die Fotoplatte treffende Teilchen. So ist das Palomar-Observatorium nicht weit vom US-Atombomben-Testgelände in Alamogordo entfernt, wie die Astronomen erklären. Theoretisch wäre es daher möglich, dass der Fallout dieser Tests auf der Fotoplatte verewigt wurde. „Diese Partikel würden die Fotoplatten mit einer relativ konstanten Rate treffen“, so das Team. Dann müssten aber auch andere Aufnahmen aus dieser Zeit solche Spuren zeigen.

Detektive gesucht

Am Schluss ihrer Spurensuche müssen Villarroel und ihre Kollegen feststellen, dass es weiterhin keine schlüssige Erklärung für die neun Lichtpunkte gibt. Wie sie betonen wäre es aber wichtig, ihre Quelle zu identifizieren. Denn in den astronomischen Archiven finden sich noch weitere transiente Phänomene, die auf ihre Klärung warten.

„Wir glauben, dass das Rätsel um die simultanen Transienten eine Detektivgeschichte ist, der die astronomische Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit schenken sollte“, konstatiert das Astronomenteam. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-92162-7)

Quelle: Scientific Reports

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