Besser vorbereitet: Forscher haben den Grund dafür identifiziert, warum Kinder meist nur mild oder gar nicht an Covid-19 erkranken: Ihre oberen Atemwege sind besser gegen das Coronavirus und andere virale Erreger gewappnet als bei Erwachsenen. Schon vor der Infektion patrouillieren mehr und aktivere Immunzellen in den Schleimhäuten von Nase und Rachen. Die Schleimhautzellen tragen zudem Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, die Viren früh erkennen und Alarm schlagen.
Schon zu Anfang der Corona-Pandemie fiel auf, dass Kinder sich zwar ähnlich oft mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken, aber weit seltener an Covid-19 erkranken. Meist verläuft die Infektion bei ihnen symptomlos oder mild. Nur in sehr seltenen Fällen tritt einige Wochen nach der Infektion eine schwere systemische Entzündung auf, das Pädiatrische Inflammatorische Multiorgan-Syndrom (PIMS). Auch Long Covid kommt bei Kinder seltener vor als bei Erwachsenen.
Blick in die oberen Atemwege
Aber warum? Schon länger vermuten Mediziner, dass dies mit einer besseren unspezifischen Immunabwehr der Kinder zusammenhängt – ihr Immunsystem ist möglicherweise grundsätzlich aktiver und wachsamer gegenüber möglichen Eindringlingen. Ob das stimmt und was genau dahintersteckt, haben nun Jennifer Loske vom Berlin Health Institute (BIH) an der Charité-Universitätsmedizin Berlin und ihre Kollegen näher untersucht.
Für ihre Studie untersuchten sie bei 18 gesunden und 24 mit SARS-CoV-2 infizierten Kindern zunächst welche und wie viele Abwehrzellen in den Schleimhäuten der oberen Atemwege präsent sind. Dann ermittelten sie mittels Einzelzell-Transkriptom-Analyse, welche Gene in welchen Zellen wie häufig abgelesen wurden. Insgesamt wurden für diese Studie 268.745 Zellen von 42 Kindern und 44 Erwachsenen analysiert.
Mehr und aktivere Immunzellen
Die Untersuchungen ergaben: Schon bei den gesunden Kindern patrouillieren im Nasen- und Rachenraum deutlich mehr Immunzellen als bei Erwachsenen. „Die Proben der SARS-CoV-2-negativen Kinder enthielten hohe Dichten von fast jeder Art von Abwehrzellen mit deutlicher Dominanz der neutrophilen Leukozyten“, berichten die Forschenden. Letztere sind die weißen Blutkörperchen, die der unspezifischen Abwehr von Erregern dienen.
Auffällig auch: Bei Kindern ist eine Untergruppe der zytotoxischen T-Zellen besonders zahlreich in den Schleimhäuten der oberen Atemwege vertreten. Diese Zellen dienen dazu, mit Viren infizierte Zellen effizient abzutöten, bevor sie ihre Virenfracht ausschütten. Bei den Kindern sind diese Zellen schon vor einer Infektion vorhanden, bei Erwachsenen dagegen kaum. „Das liefert uns weitere Belege für die bessere antivirale Immunantwort der Kinder im Vergleich zu Erwachsenen“, so das Team.
Mehr Sensoren für virale Angreifer
Das ist aber nicht alles: Auch die Schleimhautzellen der Kinder sind offenbar besser gegen einen viralen Angriff gewappnet. Sie produzieren auf ihrer Oberfläche besonders viele Sensoren, die der Erkennung von Viren dienen, wie Loske und ihre Kollegen feststellten. Diese sogenannten Mustererkennungsrezeptoren spielen als Frühwarnsystem einer Infektion eine wichtige Rolle, weil sie eine Kaskade von Abwehrreaktionen, darunter auch die Ausschüttung von Botenstoffen wie Interferon auslösen. Dadurch zeigen infizierte Kinder eine deutlich stärkere Interferonproduktion in Nase und Rachen.
Die Analysen der Genaktivität enthüllten, dass die Gene für diese Mustererkennungsrezeptoren bei Kindern vor allem zu Beginn einer Corona-Infektionen weit aktiver sind als bei Erwachsenen. Passend dazu fiel auch die Interferon-Antwort bei den kleinen Patienten stärker aus. Erst ab dem fünften Tag nach Befall mit SARS-CoV-2 gleichen sich die Reaktionen von Kindern und Erwachsenen in dieser Beziehung an, wie das Team berichtet.
Besser gewappnet
Nach Ansicht des Forschungsteams sprechen diese Ergebnisse dafür, dass die oberen Atemwege von Kindern insgesamt besser gegen Angriffe von Viren gewappnet sind. Weil die unspezifische Immunabwehr bei ihnen stärker aktiviert und quasi immer in Alarmbereitschaft ist, kann sie die Infektion mit SARS-CoV-2 schon im Frühstadium effektiver bekämpfen. Tatsächlich zeigen Studien, dass die Coronaviren sich in den Atemwegen von Kindern weniger gut vermehren und früher beseitigt werden.
„Das bringt uns ein großes Stück weiter im Verständnis darin, warum Kinder die Infektion mit SARS-CoV-2 so viel besser kontrollieren können als Erwachsene“, sagt Koautor Marcus Mall von der Charité.
Seniorautorin Irina Lehmann vom BIH sieht darin eine Chance, vielleicht auch gefährdete Erwachsenen künftig besser schützen zu können: „Aus dem Wissen heraus, welche Voraktivierungen hilfreich als Schutz vor bestimmten Viren sind, könnte man nun auch darüber nachdenken, eine derartige Anti-Virus-Antwort bereits vor einer Infektion gezielt zu induzieren und so möglicherweise Risikopatienten vor einer schweren Erkrankung zu schützen“ (Nature Biotechnology, 2021; doi: 10.1038/s41587-021-01037-9)
Quelle: Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)