Astronomie

Milchstraße: Spiralarm hat einen Sporn

Seitlich abstehende Struktur am Sagittarius-Arm ist etwas für die Milchstraße ganz Neues

Milchstraße
Am Sagittarius-Arm der Milchstraße haben Astronomen eine neue Struktur entdeckt – eine Art Sporn, der seitlich absteht. © NASA/JPL-Caltech

Galaktische Überraschung: Astronomen haben an einem der Spiralarme der Milchstraße einen abstehenden „Sporn“ entdeckt – etwas für unsere Galaxie ganz Neues. Das 3.000 Lichtjahre lange Gebilde steht vom Sagittarius-Arm ab und besteht primär aus Jungsternen und Sternenwiegen. Während solche abstehenden Sporne und Federn bei anderen Spiralgalaxien schon beobachtet wurden, ist dies in der Milchstraße der erste – es könnte aber noch mehr davon geben.

Obwohl die Milchstraße unsere galaktische Heimat ist, kennen wir ihre Struktur bisher nur grob. Denn als Teil von ihr können wir sie nie von außen und damit als Ganzes sehen. Astronomen entdecken daher immer wieder neue, überraschende Merkmale unserer Heimatgalaxie. Dazu gehören riesige Blasen aus energiereicher Strahlung und Magnetfeldern, fremde Sterne, eine Verlangsamung ihres Balkens und eine verbeulte Scheibe. Auch ein zentraler Gasüberschuss und ein klumpiger Halo wurden erst vor Kurzem identifiziert.

Abstehender „Sporn“ am Sagittarius-Arm

Jetzt gibt es eine weitere Überraschung: Astronomen haben an dem uns nächstgelegenen Spiralarm der Milchstraße eine ungewöhnliche Struktur entdeckt. Für ihre Studie hatte das Team um Michael Kuhn vom California Institute of Technology einen Teil des Sagittarius-Arms mithilfe von Infrarotdaten des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA kartiert. Ergänzende Entfernungs- und Bewegungsdaten des europäischen Gaia-Satelliten halfen ihnen dabei, die Struktur aufzuklären.

Sporn
Lage und Größe der neuentdeckten Struktur. © NASA/JPL-Caltech

Dabei zeigte sich Überraschendes: Einige Ansammlungen von Jungsternen und Sternenwiegen in diesem Armsegment fügten sich nicht in die Ausrichtung des Spiralarms ein, sondern ragten seitlich daraus hervor. „In den meisten Modellen der Milchstraße bildet der Sagittarius-Arm eine Spirale, die mit einen Winkel von rund zwölf Grad aufs Zentrum zuläuft“, erklärt Kuhn. „Aber die jetzt entdeckte Struktur ragt in einem Winkel von 56 Grad heraus.“

Keine zufällige Anordnung

Die Gaia-Daten bestätigten, dass sich die Himmelskörper und Gase in diesem rund 3.000 Lichtjahre langen Sporn alle mit gleicher Geschwindigkeit und in die gleiche Richtung bewegen – es ist demnach keine kurzlebige und zufällige Anordnung, sondern eine feste, durch Gravitation und andere großräumige Einflüsse gebildete Unterstruktur des Spiralarms, wie die Astronomen erklären. Sie schließen nicht aus, dass sich der Sporn möglicherweise sogar noch weiter nach außen fortsetzt. Die Gaia-Daten waren in diesem Bereich zu ungenau.

In dieser neuentdeckten Struktur liegen viele junge Sterne und Sternenhaufen sowie einige der bekanntesten und spektakulärsten Sternenwiegen unserer Galaxie, darunter der Adlernebel mit den berühmten „Säulen der Schöpfung„, aber auch der Trifid- und der Lagunennebel. Zudem finden sich dort mehrere starke Quellen von Mikrowellen, die auf Rote Überriesen oder die Bildung massereicher Sterne hindeuten könnten.

Nie zuvor in der Milchstraße beobachtet

Ein solcher Seitensporn an einem Spiralarm ist für die Milchstraße etwas völlig Neues. „Eine solche Abweichung von der Ausrichtung des Sagittarius-Arms wie in der jetzt identifizierten Struktur ist noch nie zuvor beobachtet oder dokumentiert worden“, so die Astronomen. Bei anderen Spiralgalaxien wurden allerdings schon ähnliche Strukturen beobachtet. Ob aber auch die Milchstraße sie besitzt, war bislang unbekannt.

Jetzt legt die Entdeckung dieses Sagittarius-Sporns nahe, dass es solche „Auswüchse“ auch in unserer Heimatgalaxie gibt. Allerdings muss erst noch untersucht werden, ob der jetzt identifizierte Sporn ein Einzelfall ist oder ob es auch an anderen Stellen der Spiralarme diese Strukturen gibt. „In jede Fall ist dies eine Erinnerung daran, wie viele Unsicherheiten es noch über die großräumige Struktur der Milchstraße gibt“, sagt Koautor Robert Benjamin von der University of Wisconsin-Whitewater. „Wir müssen mehr in die Details gehen, wenn wir das große Bild verstehen wollen.“ (Astronomy & Astrophysics, 2021; doi: 10.1051/0004-6361/202141198)

Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory

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