Biologie

Manche Wespennester leuchten grün

Überraschende Entdeckung einer starken Biofluoreszenz bei den Kokons von Feldwespen

Wespennest
Nest von Polistes brunetus unter normalem weißen Licht und bei Bestrahlung mit UV-Licht. © Bernd Schöllhorn und Serge Berthier

Faszinierendes Leuchten: Bei einer Expedition im Dschungel Vietnams haben Biologen eine überraschende Eigenschaft bei den Nestern einiger Feldwespen entdeckt – sie fluoreszieren leuchtend grün, wenn man sie mit UV-Licht anstrahlt. Dieses Leuchten ist teilweise bis zu 20 Meter weit sichtbar. Auch die Nester einiger in Europa und Südamerika heimischer Feldwespen fluoreszieren, wie Folgestudien ergaben. Wozu dieses Leuchten dient, ist jedoch nicht eindeutig geklärt.

Pflanzen tun es, einige Haie, Geckos, Chamäleons und sogar Gleithörnchen und Schnabeltiere: All diese Lebewesen fluoreszieren im Halbdunkeln und Dunkeln in leuchtenden Farben. Hinter dieser Biofluoreszenz stecken Moleküle, die durch das UV-Licht der Sonne angeregt werden. Die überschüssige Energie geben sie dann in Form von längerwelligem, farbigem Licht wieder ab – sie leuchten.

Grünes Leuchten im nächtlichen Regenwald

Ein weiteres Leuchtphänomen haben nun Willy Daney de Marcillac von der Sorbonne Universität in Paris und seine Kollegen entdeckt – in einem von Wespen geschaffenen Biomaterial. Wie sie bei einer Expedition im Norden Vietnams feststellten, leuchten die Nester einiger Feldwespen der Gattung Polistes gelblich-grün, wenn man sie mit einer UV-Taschenlampe anstrahlt. „In der natürlichen Umgebung ist diese starke Fluoreszenz selbst in fünf bis 20 Meter Entfernung noch mit bloßem Auge zu erkennen“, berichten die Forschenden.

Wespennester
Nester von Polistes-Wespen unter normalen und UV-Licht. © Bernd Schöllhorn und Serge Berthier

Neugierig geworden, begannen die Wissenschaftler, diese zuvor unbekannte Form der Fluoreszenz bei einem Biomaterial wie den Wespennestern näher zu untersuchen. Dafür testeten sie neben den drei in Vietnam vorkommenden Polistes-Arten auch die Nester einer in Südfrankreich und einer in Südamerika vorkommenden Spezies dieser Feldwespen. Es zeigte sich: Auch die Nester dieser Wespen fluoreszieren im UV-Licht – allerdings etwas weniger stark und eher bläulich als grün.

Proteine der Kokondeckel fluoreszieren am stärksten

Die näheren Untersuchungen enthüllten zudem, dass das stärkste Leuchten von den Kappen und Rändern der einzelnen Waben und Kokons ausgeht. Typischerweise konstruieren die Feldwespen ihre Nester aus zerkauten Holzfasern, aus denen sie eine Art Papierbrei herstellen. Aus diesem bauen sie die Wände der Brutwaben für ihre Larven. Die Öffnungen der Waben werden mit einem Gespinst aus fädigen Seidenproteinen verschlossen.

„Die einzelnen Fasern dieser Seide werden durch weitere Proteine miteinander verklebt und bilden so die Membranen der Kokonkappen“, erklären de Marcillac und seine Kollegen. Aus ihren Tests schließen sie, dass die Biofluoreszenz vor allem vom Gespinst der Kokonkappen ausgehen muss. „Damit stellen die Kokonkappen von Polistes ein natürliches Biomaterial dar, dass mechanische Festigkeit mit einzigartigen Fluoreszenz-Eigenschaften verbindet“, schreibt das Team.

Arterkennung oder UV-Schutz?

Doch welchen Zweck hat das Fluoreszieren der Wespennester? Eine mögliche Erklärung wäre, dass das Leuchten den Wespen dabei hilft, die Nester verschiedener Arten auseinanderzuhalten. Allerdings zeigten gerade die Nester der beiden gemeinsam in Nordvietnam vorkommenden Polistes-Arten ein sehr ähnliches Leuchten, was eher gegen diese Hypothese sprechen würde, wie die Forschenden erklären. Hier seien auf jeden Fall nähere Untersuchungen nötig.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Fluoreszenz den in den Kokons sitzenden Wespenlarven Schutz bietet. Denn wenn die Kokondeckel im Rahmen ihrer Fluoreszenz UV-Licht absorbieren, verhindern sie gleichzeitig das Eindringen dieser schädlichen Strahlung bis ins Innere. „Gerade während ihrer Metamorphose macht die häufige Zellteilung und Differenzierung der Gewebe die Larven besonders sensibel“, erklären de Marcillac und seine Kollegen. Und selbst im dichten Regenwald dringe noch sehr viel UV-Licht durch die Baumkronen.

Nach Ansicht der Forschenden ist es daher durchaus plausibel, dass das Fluoreszieren der Wespennester vor allem dem Schutz der Larven dient. „Es wurde schon häufiger gezeigt, dass die Fluoreszenz eine effiziente, von vielen Organismen genutzte Möglichkeit ist, den schädlichen UV-Anteil des Sonnenlichts herauszufiltern“, schreiben sie.

Nur die Spitze eines Eisbergs

Dennoch sind die leuchtenden Wespennester in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen fluoresziert nicht das Tier selbst, sondern ein von ihm erzeugtes Material. Zum anderen sind bei Insekten bisher nur wenige Beispiele für Biofluoreszenz bekannt. „Die Entdeckung dieses erstaunlichen Beispiels für ein fluoreszierendes terrestrisches Biomaterial könnte dazu beitragen, die möglichen adaptiven Funktionen der natürlichen Fluoreszenz weiter aufzuklären“, sagt Seniorautor Bernd Schöllhorn von der Universität Paris.

Das Forschungsteam ist überzeugt, dass eine intensivere und systematischere Suche nach weiteren fluoreszenten landlebenden Organismen nicht nur das Wissen um dieses Phänomen erweitern wird. Es könnte auch zur Entdeckung neuartiger und interessanter leuchtfähiger Biomaterialien führen. (Journal of the Royal Society Interface, 2021; doi: 10.1098/rsif.2021.0418)

Quelle: Journal of the Royal Society Interface

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