Anthropogeographie

Angekohlte Reste

Was von Philodems Papyrusrollen übrigblieb

Es erscheint fast wie ein Wunder: Die antiken Texte des Philodem lassen sich heute lesen, obwohl sie auf Papyrus, einem pflanzlichen Trägermaterial, geschrieben wurden – und dieses erst den heißen Asche- und Gasströmen des Vulkanausbruchs ausgesetzt war und dann 1.700 Jahre unter Gesteinsmassen begraben lag.

Papyrus-Fragment
Auf den ersten Blick ist auf ihr nichts zu erkennen: Bruchstück einer Papyrusrolle, aufgezogen auf Karton. © Kilian Fleischer

Durch einen Glücksfall konserviert

Dass die Papyri trotzdem erhalten blieben, verdanken sie einem glücklichen Zufall: „Das hat etwas mit der Lage der Villa zu tun“, erklärt der Philologe Kilian Fleischer. Nur an dieser Stelle waren die Temperaturen nach dem Vesuvausbruch exakt so, dass die Buchrollen karbonisierten und nicht direkt verbrannten. „Ein paar Straßen weiter vorne oder weiter hinten wären sie vermutlich auf alle Zeit verloren gewesen“, so der Forscher.

Gut zwei Drittel der insgesamt 1.000 Rollen sind in den vergangenen 200 Jahren seit ihrer Entdeckung wieder entrollt worden – natürlich nie am Stück, sondern immer mit vielen Lücken, Löchern, Verklebungen. Gut 5.000 dieser Bruchstücke befinden sich fein säuberlich gerahmt in Neapel in der Biblioteca Nazionale – mal mehr, mal weniger gut erschlossen.

Und für genau eine dieser Rollen interessiert sich Kilian Fleischer. Seit gut zwei Jahren arbeitet er daran, ihren Text zu entziffern, zu übersetzen und mit dem derzeitigen Wissen über die Antike zu vergleichen. Neben Köln ist Würzburg die einzige deutsche Universität, wo an Herkulanischen Papyri geforscht wird, unter anderem am Würzburger Zentrum für Epikureismusforschung.

Einblick in die Arbeit antiker Autoren

„Bei dieser Rolle handelt es sich um einen Band eines insgesamt zehnbändigen Werks, das Philodem über die Geschichte der Philosophie verfasst hat“, sagt Fleischer. Der sogenannte „Index Academicorum“ stellt Platon und die von ihm gegründete Akademie in den Mittelpunkt und schildert deren Geschichte vom Beginn bis zur Zeit Philodems. Noch ein weiterer Aspekt macht den Papyrus für den Altphilologen so interessant: Es handelt sich dabei um ein echtes Autorenmanuskript, eine vorläufige Arbeitsfassung beziehungsweise Projektskizze Philodems.

Dementsprechend finden sich neben und unter dem Text, der in vertikalen Kolumnen angeordnet ist, aber auch auf der Rückseite zahlreiche handschriftliche Anmerkungen und Änderungsvorschläge Philodems. „Der Papyrus gewährt uns somit wertvolle Einblicke in den Entstehungsprozess eines antiken Buches und in die Arbeitsweise antiker Autoren“, sagt Fleischer. Sogar der Vergleich mit der Endfassung ist möglich – zumindest mit den wenigen Überresten, die davon erhalten geblieben sind.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Bibliothek des Philodemus
Wie Forscher verkohlte Schriftrollen aus Herculaneum wieder lesbar machen

Philodems Erbe
Ein Schatz begraben unter Asche und Gestein

Angekohlte Reste
Was von Philodems Papyrusrollen übrigblieb

Papyri im Hyperspektrallicht
Eine spezielle Technik erhöht die Lesbarkeit

Virtueller Blick ins Innere
Wie liest man unentrollte Schriftrollen?

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