Schwarzes Loch frisst Sternenkern: Astronomen haben erstmals einen bisher nur theoretisch postulierten Typ von Supernova beobachtet – den Kollaps eines Sternenkerns nach Kollision mit einem Schwarzen Loch oder Neutronenstern. Wenn dieses Schwergewicht den Sternenkern erreicht, unterbricht es die Kernfusion und löst eine verfrühte Kernkollaps-Supernova aus. Die Strahlungssignatur eines solchen Ereignisses haben Forscher nun erstmals entdeckt.
Normalerweise explodiert ein massereicher Stern, wenn sein Fusionsbrennstoff erschöpft ist. Der von der Kernfusion im Kern erzeugte Strahlendruck reicht dann nicht mehr aus, um der enormen Gravitation des Sterns entgegen zu wirken und der Kern kollabiert – es folgt eine Supernova. Übrig bleibt ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. War der Stern zuvor Teil eines Doppelsternsystems, bleibt der Partnerstern zurück – im Orbit um den massereichen Sternenrest.
Todestanz von Sternenrelikt und Stern
Schon länger postulieren Astrophysiker, dass diese Kombination bei engen Doppelsternsystemen zu einem verfrühten Ende des verbliebenen Sterns führen kann: Durch die große Schwerkraft des Schwarzen Lochs oder Neutronensterns umkreisen sich beide immer enger, bis es zur Kollision kommt. Dabei wird zunächst Material aus der Sternenhülle ins All ausgeschleudert und bildet einen mächtigen Gasring um beide.
Doch dann sinkt das Schwarze Loch oder der Neutronenstern bis in den Kern des Sterns und leitet dessen Ende ein: „Wäre der Kollisionspartner ein anderer Stern, würde dies einfach den Brennstoffvorrat im Kern auffüllen und ein verjüngter, noch massereicherer Kern wäre das Resultat“, erklären Dillon Dong vom California Institute of Technology und seine Kollegen. „Doch bei einem Schwarzen Loch oder Neutronenstern zerreißen die Gezeitenkräfte den Kern und führen zu einer verschmelzungsbedingten Explosion.“
Weil die Kernfusion im Inneren des Sternenkerns unterbrochen wird, löst dies eine verfrühte Kernkollaps-Supernova des Sterns aus. Dieser Spezialtyp einer kollisionsbedingten Kernkollaps-Supernova wurde bisher zwar theoretisch postuliert, aber noch nie im All beobachtet.
Radioquelle und Röntgenblitz als Indizien
Jetzt haben Dong und sein Team diesen Supernova-Typ erstmals nachgewiesen – im Außenbereich einer rund 480 Millionen Lichtjahre von uns entfernten Galaxie. Ein erstes Indiz dafür lieferten Aufnahmen einer Himmelsdurchmusterung mit den Radioteleskopen des Very Large Array in New Mexico. Die Daten ab 2017 zeigten eine starke Radioquelle, die bei früheren Surveys bis zum Jahr 2005 noch nicht vorhanden war.
Ein zweites Indiz lieferte ein kurzer Gammastrahlenausbruch, den das MAXI-Instrument an Bord der Internationalen Raumstation ISS am 14. August 2014 einfing. Dessen Ursprungsort lag genau dort, wo auch die VT 1210+4956 getaufte Radioquelle lag und zeigte eine ungewöhnliche Kombination von weicher Röntgenstrahlung, hoher Intensität und kurzer Dauer.
Passt zu keinem bekannten Ereignis
„Diese Kombination ähnelt keinem bekannten vorübergehenden Röntgenereignis“, berichten die Astronomen. Denn bei klassischen Supernovae ist die Luminosität tausendfach geringer, ein schwacher Gammastrahlenausbruch hingegen würde zehnfach länger anhalten, wie Dong und sein Team erklären.
Was aber war es dann? Aus näheren Beobachtungen mit dem Very Large Array und den Teleskopen des Keck Observatory auf Hawaii ging hervor, dass der kurze Röntgenblitz vom Strahlenjet einer Sternexplosion verursacht worden sein muss. Die Radiostrahlung hingegen entstand, als die Schockwelle der Explosion einen dichten Gasring um den Explosionsort traf.
Kollisions-Supernova liefert die Erklärung
Nach Ansicht der Astronomen spricht all dies dafür, dass es sich bei VT 1210+4956 um den lange gesuchten Fall einer kollisionsbedingten Supernova handeln muss. Demnach explodierte in diesem 480 Millionen Lichtjahre entfernten Doppelsternsystem zuerst der eine Partner in einer normalen Kernkollaps-Supernova. Aufgrund des geringen Abstands begannen der dabei gebildete Rest in Form eines Neutronensterns oder Schwarzen Lochs einen Todestanz mit dem verbleibenden Stern: Beide kamen sich immer näher.
Vor rund 300 Jahren trat das Schwarze Loch dann in die Atmosphäre des Partnersterns ein und begann, dessen Gas ins All hinauszuschleudern. Dann erreichte die spiralige Bahn beider Partner ihr Ende: Das Schwarze Loch oder der Neutronenstern sank bis in den Sternenkern und löste die Supernova aus. Diese Explosion verursachte den 2014 registrierten Röntgenausbruch. „Der Partnerstern wäre ohnehin irgendwann explodiert, aber diese Kollision hat den Prozess beschleunigt“, sagt Dong.
„Alle Puzzlestücke passen perfekt zusammen“
„Theoretiker haben vorhergesagt, dass es so etwas gibt, aber dies ist das erste Mal, dass wir ein solches Ereignis beobachtet haben“, so Dong. Sein Kollege Greg Halliman ergänzt: „Alle Puzzlestücke passen perfekt zusammen, um diese erstaunliche Geschichte zu erzählen: Das Relikt eines vor langer Zeit explodierten Sterns stürzt in seinen Begleiter und verursacht dadurch auch dessen Explosion.“ (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abg6037)
Quelle: National Radio Astronomy Observatory