Ein einfacher, schneller Test der Hirnströme könnte die Alzheimer-Diagnose erleichtern – und die Demenz schon vor Auftreten subjektiv bemerkbarer Symptome anzeigen. Der von britischen Forschern entwickelte „Fastball“-Test zeigt den Patienten Bilder von Alltagsobjekten, während ihre Hirnströme von einer Elektrodenkappe aufgezeichnet werden. Das EEG-Muster verrät dann, ob ihre gedächtnisgestützte Erkennung bereits gestört ist oder nicht. In einer ersten Pilotstudie lag die Trefferquote bereits höher als bei klassischen Verhaltenstests, wie das Team berichtet.
Alzheimer ist die häufigste Ursache für Demenz im Alter, doch ein Heilmittel oder eine Möglichkeit, den fortschreitenden Abbau der Gehirnsubstanz rückgängig zu machen, gibt es bislang nicht. Umso wichtiger ist es, die Demenz frühzeitig zu erkennen – dann besteht zumindest die Chance, den Abbau zu verlangsamen. Bisher wird Alzheimer jedoch meist erst diagnostiziert, wenn subjektiv spürbare Ausfälle auftreten. Zu diesem Zeitpunkt ist der Hirnabbau meist schon weit fortgeschritten.
Mit Elektrodenkappe und Laptop
„Die Tests, die wir zurzeit zur Erkennung von Alzheimer einsetzen, verpassen die ersten 20 Jahre der Krankheit“, erklärt Erstautor George Stothart von der University of Bath. „Dadurch verpassen wir enorme Möglichkeiten, den Patienten schon früher zu helfen.“ Weltweit suchen Wissenschaftler daher nach neuen Methoden, um Alzheimer schon vor Auftreten der ersten Symptome zu erkennen. In der Erprobung sind unter anderem Bluttests, die Alzheimer-spezifische Biomarker nachweisen können.
Eine weitere Diagnose-Möglichkeit haben nun Stothart und seine Kollegen entwickelt. Ihre „Fastball“ getaufte Methode erfordert nur wenig aktive Mitwirkung der Patienten und lässt sich mit geringem Aufwand selbst in einer normalen Praxis oder sogar zuhause bei den Patienten anwenden. Benötigt wird dafür nur ein Laptop oder anderer Rechner und eine Elektrodenkappe zur Ableitung der Hirnströme, wie das Team erklärt.
Subtile Veränderungen im EEG
Während des wenige Minuten dauernden Tests werden den Betroffenen in drei Testdurchläufen Bilder von Alltagsobjekten gezeigt, einige wiederholen sich, andere sind neu. „Die Testperson muss den Test nicht verstehen oder viel tun“, erklärt Stothart. Ausschlaggebend für die Diagnose sind die mittels EEG abgeleiteten Hirnströme. „Allein durch die Art und Weise, wie ihr Gehirn auf die Bilder reagiert, können wir schon viel darüber lernen, was ihr Gehirn leisten kann oder aber nicht mehr.“
Im EEG der Testpersonen finden sich bei Alzheimer subtile Veränderungen, die Ausfälle in der gedächtnisgestützten Wiedererkennung anzeigen. „Neuropsychologische und bildgebende Verfahren deuten darauf hin, dass das unbewusste Erinnern und das Erkennen der Bekanntheit von Hirnregionen abhängig sind, die besonders früh von der Alzheimer-Erkrankung betroffen sind: dem Hippocampus und dem perirhinalen Cortex“, erklären die Forschenden. „Während solche Veränderungen in Verhaltenstests nicht erfasst würden, ist Fastball für diese Defizite sensitiv.“
In Pilotstudie erfolgreich
Wie gut dieser Fastball-Test funktioniert, haben Stothart und sein Team in einer Pilotstudie mit 20 Alzheimer-Patienten im noch relativ frühen Stadium und gesunden Kontrollpersonen unterschiedlichen Alters getestet. Zum Vergleich absolvierten alle Testpersonen zusätzlich einen gängigen Test zum bewussten Wiedererkennen und Erinnern, wie er auch in der Alzheimer-Diagnose üblich ist.
Das Ergebnis: Der EEG-Test konnte die Alzheimer-Patienten mit 86-prozentiger Treffsicherheit identifizieren, während klassische psychologische Tests dies nur zu rund 63 Prozent schafften. Als besonders hilfreich erwies sich der Test zudem dabei, normale altersbedingte Defizite von krankhaften Demenzanzeichen zu trennen: „Im verhaltensgestützten Test unterschied sich die Wiedererkennung bei älteren gesunden Testpersonen nicht signifikant von der der Alzheimer-Patienten. Im Fastball-Test schon“, berichtet das Team.
Chance auf frühere Diagnose
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte ein solcher Test die Alzheimer-Diagnose in der jetzigen Form um bis zu fünf Jahre nach vorne verschieben. Sie hoffen aber, dass sie diese Zeitspanne noch weiter ausweiten können. „Wir sind erst in einem frühen Stadium der Entwicklung“, erklärt Stothart. „Wir testen Fastball jetzt schon in immer früheren Phasen von Alzheimer und erweitern die Hirnaktivität, die der Test erfasst.“
Auch an einer Miteinbeziehung von verbalen und weiteren visuellen Tests arbeitet das Team bereits. „Das Fernziel für Diagnosehilfen wie diese wäre es, Alzheimer und andere Demenzen schon im mittleren Alter lange vor Auftreten der Symptome nachweisen zu können“, sagt Stothart. „Noch sind wir davon sehr weit entfernt, aber unser Test ist ein kleiner Schritt in diese Richtung.“ (Brain, 2021; doi: 10.1093/brain/awab154)
Quelle: University of Bath