Technik

Ein Sandstrahler auf atomarer Ebene

Technische Universität Wien

Von Halbleitern bis zum Mondgestein: Viele Materialien bearbeitet man mit Ionenstrahlen. An der TU Wien ließ sich nun erklären, wie dieser Prozess von der Rauigkeit der Oberfläche abhängt.

Wenn man eine Metalloberfläche von einer Lackschicht befreien möchte, kann man dafür einen Sandstrahler verwenden: Unzählige Sandkörner werden auf die Oberfläche geschossen, übrig bleibt sauberes Metall. Ganz ähnlich kann man sich das „Sputtern“ vorstellen – bloß viel kleiner, auf atomarer Skala. Die Oberfläche wird mit Ionen, das sind geladene Atome, bestrahlt. Dadurch lassen sich beispielsweise mikroskopisch kleine Verunreinigungen entfernen.

Wenn man es mit perfekten Oberflächen zu tun hat und alle Oberflächenatome exakt in einer glatten Ebene angeordnet sind, kann man die Auswirkungen des Ionenbeschusses recht einfach vorausberechnen. Doch in der Praxis ist das nur sehr selten der Fall. Bei komplizierten, rauen Oberflächen ist schwer zu sagen, wie viel Material beim Sputtern entfernt wird. Ein Rechenmodell der TU Wien erlaubt es nun, die Oberflächenrauigkeit auf einfache Weise zu charakterisieren und so den Sputterprozess auch bei komplizierteren Proben korrekt zu beschreiben.

Abtragen oder Auftragen dünner Schichten

„Das Zerstäuben von Oberflächen durch Ionenbeschuss ist eine sehr beliebte und vielseitig einsetzbare Technik“, sagt Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Einerseits kann man damit Material sehr präzise abtragen, etwa in der Halbleitertechnik, um perfekt saubere Oberflächen zu erzeugen. Andererseits kann man damit aber auch ein beliebiges Material gezielt verdampfen, das sich danach dann auf einer anderen Oberfläche niederschlagen soll, etwa um superentspiegelte Brillengläser oder Hartstoffschichten auf Spezialwerkzeugen herzustellen.“ Um dabei die richtige Materialmenge zu verwenden, muss man den Sputterprozess sehr genau verstehen.

Ähnliches gilt für die Kernfusionsforschung: Auf der Suche nach extrem widerstandsfähigen Materialien für die Innenwand eines zukünftigen Fusionsreaktors muss man berechnen können, wie viel Material durch den ständigen Beschuss mit energiereichen Ionen aus der Reaktorkammer abgetragen wird. Dies lieferte auch die ursprüngliche Motivation für diese Studie, welche durch das europäische Fusionsforschungsprogramm EUROfusion finanziert wurde und an der auch Kollegen der Universität Uppsala, des Helmholtzzentrums in Dresden und des Max Planck Instituts für Plasmaphysik in Greifswald beteiligt waren. Auch in der Astrophysik beschäftigt man sich mit Gesteinsoberflächen, die von den geladenen Teilchen des Sonnenwindes bombardiert und durch Sputterprozesse erodiert und dadurch verändert werden, etwa auf den Mond oder auf dem Planeten Merkur.

Auf den Winkel kommt es an

„Die Materialmenge, die durch den Ionenbeschuss aus der Probenoberfläche herausgeschlagen wird, hängt neben der Projektilenergie im Wesentlichen von zwei Dingen ab: Vom Winkel, in dem die Ionen auf die Oberfläche treffen, und von der Rauigkeit der Oberfläche“, sagt Christian Cupak, der Erstautor der aktuellen Studie. „Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, die Rauigkeit der Oberfläche so zu charakterisieren, dass man daraus genau ableiten kann, wie viel Material beim Sputtern entfernt wird.“

Die Rauigkeit der Oberfläche ändert den lokalen Einschlagwinkel der Teilchen, außerdem kommt es zu Abschattungseffekten: Manche Bereiche der Oberfläche werden überhaupt nicht von Ionen getroffen. Zusätzlich kann es passieren, dass sich das abgetragene Material an bestimmten Stellen erneut anlagert, ähnlich wie Geröll im Gebirge. Das vermindert die Effektivität des Sputterns zusätzlich.

Ganz unterschiedliche Oberflächenproben wurden an der TU Wien untersucht. Mit Hilfe moderner hochauflösender Mikroskopiemethoden wurde erst die Rauigkeit der Proben analysiert, danach wurden sie mit Ionen beschossen und die Ergebnisse mit den Modellrechnungen verglichen. „Am Ende gelang es uns, einen einzigen Parameter zu ermitteln, der den Sputterprozess sehr zuverlässig beschreibt“, sagt Christian Cupak. „Es handelt sich um ein Maß für die mittlere Oberflächenneigung.“ Wie hoch die einzelnen Erhebungen auf der rauen Oberfläche sind, spielt keine wesentliche Rolle. Eine Rauigkeit auf Nanometerskala hat ganz ähnliche Auswirkungen wie eine Rauigkeit in der Größenordnung von Millimetern, solange die Winkelverteilung der einzelnen Oberflächen-Stückchen in beiden Fällen dieselbe ist. „Die Frage ist nicht, wie hoch der durchschnittliche Berg auf der Oberfläche ist, sondern bloß, wie steil er ist“, erklärt Christian Cupak. „Wir konnten zeigen, dass unser Parameter das Endergebnis des Sputter-Prozesses viel besser beschreibt als andere Rauigkeits-Parameter, die man bisher verwendet hat.“

Das Forschungsteam an der TU Wien wird die neue Oberflächen-Charakterisierungsmethode nun sowohl in der Fusionsforschung als auch in astrophysikalischen Studien verwenden. In der industriellen Anwendung könnte das neue Modellierungsverfahren für mehr Zuverlässigkeit und Präzision sorgen. (Applied Surface Science, 2021; doi: 10.1016/j.apsusc.2021.151204)

Quelle: Technische Universität Wien

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