Archäologie

Teotihuacan: Erbauer formten Landschaft um

Strukturen der präkolumbischen Kultur prägen selbst moderne Bauten

Sonnenpyramide
Blick auf die Sonnenpyramide von Teotihuacan. Für sie und zwei weitere Pyramiden bewegten die Erbauer der Stadt mehr als 2,4 Millionen Kubikmeter Gestein und Erde. © f9photos/ Getty images

Nachhaltige Umformung: Auch wenn das Reich von Teotihuacan längst untergegangen ist – die Relikte der präkolumbischen Metropole sind bis heute prägend. Neue LIDAR-Kartierungen enthüllen nun, in welchem Ausmaß die Landschaft selbst jenseits des alten Stadtgebiets umgeformt wurde. Allein für drei der großen Pyramiden von Teotihuacan wurden 2,4 Millionen Tonnen Erde und Gestein bewegt, zwei Flüsse fließen bis heute in einem neuen Bett. Noch heute folgen viele Straßen und Felder den alten Strukturen.

Von 100 vor bis 550 nach Christus stand rund 45 Kilometer nordöstlich des heutigen Mexico City die größte Metropole der damaligen Zeit: Teotihuacan. Allein das innere Stadtgebiet erstreckte sich über 20 Quadratkilometer, mehr als 125.000 Menschen lebten dort. Einzigartig war an dieser präkolumbischen Metropole das Fehlen eines Königspalasts, aber auch die rechtwinklige Struktur, die sich bis auf die Wohnviertel erstreckte – es gab sogar Apartmentkomplexe ähnlich heutigen Mietshäusern.

Heute sind die Überreste von Teotihuacan UNSESCO-Weltkulturerbe. Doch über die Kultur, die einst die beeindruckenden Pyramiden, die Avenue der Toten, die Plazas und Wohnbauten errichtete, ist noch immer kaum etwas bekannt.

LIDAR
LIDAR-Scans (rechts) zeigen auch Strukturen, die in normalen Satellitenaufnahmen nicht sichtbar sind, wie hier Details der Umfassungsmauern der Sonnenpyramide. © Nawa Sugiyamaspan>

Landschaftsumbau bis über die Stadtgrenzen hinaus

Um das ganze Ausmaß der einst mit Teotihuacan verknüpften Bautätigkeit und Landschaftsumformung sichtbar zu machen, haben nun Nawa Sugiyama von der University of California in Riverside und ihre Kollegen eine neue Kartierung durchgeführt. Dafür werteten sie Daten von lasergestützten LIDAR-Scans aus und legten den Fokus dabei auf die Spuren Teotihuacans, die heute unter modernen Bauten oder Infrastrukturen liegen. Ergänzend führten sie hunderte Begehungen vor Ort durch.

Die neue Kartierung enthüllt: Die Erbauer von Teotihuacan gestalteten das gesamte Tal von Teotihuacan in einem beispiellosen Ausmaß um. Sie ebneten das Gelände nicht nur ein, sondern trugen den Boden an vielen Stellen bis auf den Felsuntergrund ab. An anderen Stellen gewannen sie Grundgestein, um mit diesem Geröll Senken in Stadtgebiet aufzufüllen. Die Spuren dieser Arbeiten erstrecken sich weit über das bisher erfasste Gebiet von Teotihuacan hinaus.

Millionen Kubikmeter Erde und Gestein

„Das vielleicht offensichtlichste Beispiel für die künstliche Umgestaltung der Landschaft ist das enorme Volumen des Materials, das für die drei großen Pyramidenkomplexe verwendet wurde: 2,4 Millionen Kubikmeter Felsgestein, Geröll, Adobeziegel und Erde wurden für die Anlagen verbaut“, berichten die Archäologen. „Noch nicht miteinbezogen sind in dieses Volumen die Plattformen des Moon-Plaza-Komplexes und die Mauer, die die Sonnenpyramide umgibt.“ Ein Großteil dieser Steine und Erde stammte aus der weiteren Umgebung der Stadt, deren Landschaft dadurch ebenfalls verändert wurde.

Die LIDAR-Kartierung enthüllt eine weitere Ingenieursleistung der Baumeister von Teotihuacan: Sie leiteten gleich zwei Flüsse um, die einst durch das Stadtzentrum flossen. Der Rio San Juan und der Rio San Lorenzo wurden kanalisiert und ihre Ausrichtung entsprechend bestimmter kalendarisch und astronomisch bedeutsamer Linien verändert. Zusätzlich errichteten die Erbauer von Teotihuacan weitere Kanäle und Umleitungen, die teilweise bis heute zur Bewässerung genutzt werden, wie Sugiyama und ihre Kollegen berichten.

Zudem macht die neue Kartierung insgesamt mehr als 1.000 Spuren von Gebäuden, knapp 170 künstlich angelegte Senken und 6.314 Terrassen aus der Zeit von Teotihuacan sichtbar. Ein Großteil dieser Strukturen, darunter 5.700 Terrassen, waren zuvor nicht dokumentiert.

Spuren sogar unter heutigem Stadtgebiet

Interessant auch: Die Baumaßnahmen von Teotihuacan beeinflussen die Infrastruktur der Region bis heute. Denn längst haben moderne Siedlungen und die Ausläufer von Mexico City die Außenbereiche von Teotihuacan überwuchert. Dabei orientieren sich viele neue Bauten oder auch Feldränder unwillkürlich an den schon vor 2.000 Jahren angelegten Strukturen, obwohl diese oberirdisch nicht mehr sichtbar sind.

„Wir leben nicht in der Vergangenheit, aber ihr Erbe prägt uns dennoch. Bei einer so monumentalen Stadt wie Teotihuacan sind die Folgen der einstigen Aktionen noch immer in der Landschaft sichtbar“, sagt Sugiyama. Ihrer Kartierung zufolge sind 65 Prozent der modernen urbanen Gebiete rund um Teotihuacan entlang der alten Linien und Strukturen ausgerichtet.

Vor der Zerstörung dokumentiert

Nach Ansicht der Forschenden können LIDAR-Kartierungen gerade in heute überbauten Gebieten nicht nur dazu beitragen, das Ausmaß historischer Landschaftsgestaltung besser zu erfassen. Sie können auch dabei helfen, den Schutz solcher Relikte zu verbessern. „Wir können die moderne Urbanisation nicht verhindern. Aber die LIDAR-Karte zeigt uns die alten Strukturen, die heute in alarmierendem Tempo überbaut und zerstört werden“, erklärt Sugiyama.

Allein durch die vorbereitenden Bodenarbeiten für den Bau eines neuen internationalen Flughafens wurden seit 2015 mehr als 200 archäologische Relikte zerstört – ihre Spuren sind jetzt nur noch auf LIDAR-Karten vor dieser Zeit zu sehen. (PLoS ONE, 2021; doi: 10.1371/journal.pone.0257550)

Quelle: University of California – Riverside

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