Neue Sicht auf die Erdgeschichte: Die Kontinente der Erde haben sich offenbar anders entwickelt als gedacht, wie Isotopenanalysen nahelegen. Demnach entstand neue kontinentale Erdkruste im Verlauf der Erdgeschichte nicht gleichmäßig, sondern in sechs Schüben. Zudem war der Silikatgehalt der Kontinentkruste schon vor 3,7 Milliarden Jahren ähnlich hoch wie heute – bisher gingen einige Geologen von einem abrupten Anstieg mit Beginn der Plattentektonik aus.
Am Anfang war der Ozean: Bevor die irdischen Landmassen entstanden, bestand die Kruste unseres Planeten vorwiegend aus basaltischer, ozeanischer Kruste. Erst später entstand auch die silikatreichere kontinentale Kruste und die ersten Landmassen erhoben sich aus dem Meer – so die gängige Theorie. Als möglicher Auslöser dafür gilt der Beginn der Plattentektonik und das Auftürmen erster Gebirge. Doch wann und wie sich dies ereignete, ist aufgrund widersprüchlicher Daten unklar.
Zeitreise mit Sediment-Isotopen
„Unser Wissen über die Geschichte der Kontinente ist alles andere als vollständig“, erklärt Marion Garçon von der Universität Clermont-Auvergne und der ETH Zürich. So ist neben dem Beginn der Plattentektonik auch umstritten, wie gleichmäßig die kontinentale Kruste wuchs und ob sich ihre Zusammensetzung im Laufe der Erdgeschichte geändert hat. Einigen Studien zufolge soll es vor 2,5 bis 3 Milliarden Jahren einen abrupten Anstieg im Silikatgehalt gegeben haben – möglicherweise im Zusammenhang mit dem Beginn der Plattentektonik.
Um diese Fragen zu klären, hat Garçon nun mehr als 2.600 Isotopendaten von Sedimentgesteinen verschiedenen Alters ausgewertet – von der Zeit vor rund 3,7 Milliarden Jahren bis heute. Im Speziellen verglich sie dabei das Verhältnis der Isotope Samarium-147 zu Neodym-144, aus dem sich auf den Silikatgehalt der Kontinentkruste zum Zeitpunkt der Sediment-Entstehung schließen lässt. Zusätzlich wertete sie das Verhältnis von Neodym-143 zu Neodym-144 aus, das den Anteil junger Kontinentkruste verrät.
Silikatreich schon vor 3,7 Milliarden Jahren
Das erste Ergebnis: Entgegen gängiger Annahme hat sich der Silikatgehalt der kontinentalen Kruste in den letzten 3,7 Milliarden Jahren nicht signifikant verändert. „Der aufgetauchte Teil der Kontinentkruste war mit einem Gehalt von mehr als 60 Prozent Siliziumdioxid schon felsisch, als die ersten noch erhaltenen Sedimente abgelagert wurden“, schreibt Garçon. Selbst die ältesten Proben entsprechen in ihren Werten schon denen heutiger kontinentaler Kruste.
Nach Ansicht der Forscherin spricht dies entweder dafür, dass die Plattentektonik die Krustenzusammensetzung weniger beeinflusst als angenommen, oder aber, dass es schon vor 3,7 Milliarden Jahren erste Formen der Tektonik und Subduktion gab. Letzteres würde mit den Ergebnissen einer vor kurzem erschienenen Studie an Strontium-Isotopen in alten Barytmineralen übereinstimmen.
Sechs Schübe des Kontinentwachstums
Doch es gibt noch ein zweites Ergebnis – und auch dieses widerspricht einigen gängigen Annahmen. Wie die Neodym-143 zu Neodym-144 Daten ergaben, wurde die kontinentale Kruste im Verlauf der Erdgeschichte nicht gleichmäßig nachproduziert. „Das Volumen der jungen Kontinentkruste war im Zeitverlauf nicht konstant“, berichtet Garçon. „Stattdessen zeigt sich eine Serie von Spitzen und Senken.“
Das bedeutet: Im Laufe der Erdgeschichte wuchsen die Kontinente in sechs deutlichen Schüben, die jeweils im Abstand von 500 bis 700 Millionen Jahren aufeinander folgten. In der Gegenwart befindet sich die Erdkruste allerdings in einer Phase der relativen Ruhe: „In den letzten 200 bis 300 Millionen Jahren hat sich das Netto-Volumen der kontinentalen Kruste nicht signifikant verändert“, berichtet die Forscherin.
Was waren die Auslöser?
Was aber löste diese kontinentalen Wachstumsschübe aus? Garçon vermutet, dass bedeutende geologische Ereignisse die Ursache waren. Eine mögliche Erklärung wäre die Bildung von magmatischen Großprovinzen (Large Igneous Province, LIP) wie den Columbia- und Karoo-Flutbasalten oder den Sibirischen- und Dekkan-Trapps. Sie förderten enorme Mengen Magma an die Oberfläche. Allerdings gibt es nur für einige der Wachstumsschübe zeitliche Übereinstimmungen mit diese Ereignissen, wie die Forscherin erklärt.
Eine andere Möglichkeit wäre die zyklische Bildung von Superkontinenten. Schon länger vermuten Geologen, dass die Vereinigung der irdischen Kontinente zu solchen Riesen-Landmassen im Laufe der Erdgeschichte nicht zufällig auftreten, sondern sich im Abstand von rund 500 Millionen Jahren wiederholten. Als mögliche Ursache gelten Schwankungen im Tempo der tektonischen Plattenbewegung. Nach Ansicht von Garçon könnten sie auch die Schübe beschleunigten Krustenwachstums erklären.
Allerdings: Auch in der zeitlichen Datierung der Superkontinent-Entwicklung gibt es große Unsicherheiten, was einen Abgleich mit den Wachstumsschüben der kontinentalen Kruste erschwert, wie die Geologin betont. Insofern bieten ihre Ergebnisse zwar neue Einblicke in die Entwicklung der irdischen Kontinentkruste, werfen aber auch neue Fragen auf. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abj1807)
Quelle: CNRS