Erster Kontakt: Die europäisch-japanische Raumsonde BepiColombo kommt heute Nacht ihrem Zielplaneten Merkur erstmals nahe. Gegen 01:40 Uhr unserer Zeit wird die Sonde ihren ersten Vorbeiflug am Merkur absolvieren. Dabei rast sie in nur 200 Kilometer Höhe über die Planetenoberfläche hinweg – ein riskantes Manöver. Planetenforscher erwarten mit Spannung erste Nahaufnahmen sowie Messdaten aus der extrem dünnen Merkuratmosphäre.
Die 2018 gestartete europäisch-japanische Mission BepiColombo ist erst der dritte Besucher am innersten Planeten des Sonnensystems. Denn wegen seiner Sonnennähe ist der Merkur notorisch schwer anzusteuern und erst wenig erforscht. Auch BepiColombo muss insgesamt neun Flyby-Manöver vollführen, um in den Merkurorbit einschwenken zu können – eines an der Erde, zwei an der Venus und sechs am Merkur.
Die Mission besteht aus zwei Orbitersonden, die während des Hinfluges noch in einer gemeinsamen Fähre sitzen. Erst im Jahr 2025, wenn BepiColombo in die Umlaufbahn um den Merkur eingeschwenkt ist, werden sie freigesetzt und dann unabhängig voneinander ihre Messungen durchführen.
Auf Tuchfühlung mit dem Merkur
Jetzt kommt die Raumsonde erstmals ihrem Zielplaneten nahe: Am Samstag, 02. Oktober 2021, wird BepiColombo den ersten Merkur-Vorbeiflug absolvieren – passenderweise am Geburtstag ihres Namensgebers: An diesem Tag hätte der 1984 gestorbene italienische Astronom – Giuseppe Colombo seinen 101. Geburtstag gefeiert. Ihm verdankt die Raumfahrt entscheidende Berechnungen dazu, wie man sich mittels Flybys dem Merkur annähern kann.
Bei ihrem ersten Vorbeiflug geht die Raumsonde BepiColombo direkt fast bis auf Tuchfühlung mit dem Merkur: Gegen 01:34 Uhr unserer Zeit wird sie die Nachtseite des Planeten in nur knapp 200 Kilometer Höhe überfliegen. Ein Flyby in einem so geringen Abstand erfordert eine extrem präzise Navigation, was angesichts einer Entfernung zur Erde von mehr als 100 Millionen Kilometern und sechs Minuten Zeitverzögerung im Funkverkehr keine leichte Aufgabe ist.
Doch nach Angaben der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ist BepiColombo genau auf Kurs: „Die Flugbahn unserer Mission ist so sorgfältig geplant, dass wir keine weiteren Korrekturmanöver erwarten“, berichtet Elsa Montagnon, Spacecraft Operations Manager der Mission.
Gefährliche Hitze
Während des Merkur-Vorbeiflugs ist die Raumsonde extremen Temperaturen ausgesetzt, weil die Sonneneinstrahlung dort sechsmal höher ist als in Erdnähe. Hinzu kommt, dass die von der Sonne auf bis zu 470 Grad aufgeheizte Merkuroberfläche intensive Wärmestrahlung abgibt. Ungeschützte Oberflächen der Sonde könnten sich dadurch auf mehr als 300 Grad aufheizen. Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord und die gesamte Elektronik mussten daher entsprechend hitzestabil angelegt werden.
Einige Sensoren wurden eigens verspiegelt, um ein Aufheizen auf mehr als 180 bis 200 Grad zu vermeiden. Außerdem schirmt ein Hitzeschild sensible Bauteile vor direkter Strahlung ab. „Dieser Vorbeiflug ist ein erster wirklicher Test, ob die thermischen Schutzkonzepte für unsere Messgeräte funktionieren“, erklärt Werner Magnes vom Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF).
Erste Aufnahmen und Messdaten
Für die Planetenforscher bietet der nahe Vorbeiflug die Chance, erste Aufnahmen und Messdaten von der Oberfläche des Merkur zu erhalten. Zwar sind die beiden Teilsonden der Mission für ihren Transport noch übereinandergestapelt und daher nicht alle wissenschaftlichen Instrumente einsatzbereit. Elf der 16 Messgeräte sind aber schon aktiv oder werden für den Flyby eingeschaltet. Dazu kommen zwei Kameras, die Nahaufnahmen der Planetenoberfläche erstellen werden.
Aktiv sind auch die Magnetometer beider Teilsonden. Darunter ist auch das in Teilen in Deutschland mitentwickelte Instrument MPO-MAG. Dieses besteht aus zwei Sensoren, die auf einem Ausleger der Sonde angebracht sind und besonders hochauflösende Magnetfeldmessungen durchführen können. „Zum ersten Mal wird eine Raumsonde das Merkur-Magnetfeld der südlichen Hemisphäre in niedriger Höhe messen“, erklärt Wolfgang Baumjohann vom IWF. „Damit stehen die bisher aufgestellten Modelle für das Eigenmagnetfeld des Planeten auf dem Prüfstand.“
Eigens für den Flyby eingeschaltet wird zudem ein Ionenspektrometer, das erstmals die Zusammensetzung der extrem dünnen Merkur-Atmosphäre von nahem messen wird. „Wir freuen uns darauf, erstmals Ergebnisse von Messungen so nahe an der Merkur-Oberfläche zu bekommen“, sagt Projektwissenschaftler Johannes Benkhoff von der ESA. Erste Daten und Aufnahmen des Flybys erwartet die ESA im Verlauf des Samstags.
Quelle: European Space Agency (ESA), Österreichische Akademie der Wissenschaften