Rauschen reduziert: Eine neue Beschichtung der Spiegel könnte das Gravitationswellen-Observatorium LIGO deutlich sensitiver machen als bisher. Die aus Titan -und Germaniumdioxid bestehende Beschichtung reflektiert die Messlaser besser und verringert das thermische Störrauschen um die Hälfte. Dadurch könnte LIGO Gravitationswellen in einem achtfach größeren Volumen des Alls detektieren.
Seit dem ersten Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2016 haben die Laser-Interferometer des LIGO-Observatoriums in den USA mehr als 50 Verschmelzungen von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen nachgewiesen. Diese Kollisionen verursachen Erschütterungen der Raumzeit, die noch in großer Entfernung nachweisbar sind – sofern die Detektoren diese winzigen Stauchungen und Dehnungen des Raums erfassen und vom Grundrauschen der Störeffekte unterscheiden können.
Gegen das Rauschen
In den letzten Jahren haben die Wissenschaftler am LIGO-Observatorium einige Methoden entwickelt, um solche Störeffekte zu minimieren. So unterdrückt eine „Quantenpresse“ das Rauschen, das durch Quantenfluktuationen erzeugt wird. Die Detektoren sind zudem so sensitiv, dass sie messen können, wie selbst die 40 Kilogramm schweren Spiegel der Anlage durch dieses Quanteneffekte vibrieren.
Doch es gibt noch einen zweiten Störeffekt: Gerade in dem für die Detektion der Gravitationswellen entscheidenden Frequenzbereich um 100 Hertz kommt neben dem Quantenrauschen auch das thermische Rauschen zum Tragen – die von der Wärmenergie verursachte Bewegung der Atome und Moleküle in den Beschichtungen der Spiegel. Je vollständiger die Strahlen der Messlaser reflektiert werden, desto weniger Energie absorbiert die Beschichtung und desto weniger stark „zappeln“ ihre Atome.
Fahndung quer durchs Periodensystem
An diesem Punkt setzen Gabriele Vajente vom California Institute of Technology (Caltech) und ihre LIGO-Kollegen mit ihrer Neuerung an: „Wir wollten ein Material finden, das das Maximum des heute Möglichen bietet“, so Vajente. „Denn unsere Fähigkeit, ins All hinaus zu lauschen, ist letztlich von dem limitiert, was in diesem mikroskopischen Maßstab geschieht.“ Für ihre Studie entwickelten sie eine Testmethode, mit der sie nach potenziell geeigneten reflektiven Materialien suchen konnten.
„Wir können nun de Eigenschaften eines neuen Materials vollautomatisiert und in nur acht Stunden testen – vorher brauchten wir dafür fast eine Woche“, berichtet Vajente. „Das hat es uns ermöglicht, das ganze Periodensystem nach passenden Materialien und Materialkombinationen zu durchforsten. Eines erwies sich dabei zwar als völlig ungeeignet, gab uns aber dennoch wertvolle Hinweise auf möglicherweise wichtige atomare Merkmale.“
Molekülbewegung um die Hälfte verringert
Tatsächlich wurde das Team fündig: Eine Mischung aus 44 Prozent Titandioxid und 56 Prozent Germaniumdioxid erwies sich als besonders rauschmindernd und reflektiv. „Diese Mischung zeigt eine interne Streuung im Bereich von 10-4, das ist gering genug, um die Brownsche Bewegung fast um den Faktor zwei zu verringern“, berichten die Forschenden. Für die präzise und gleichmäßige Beschichtung des Spiegelglases werden Titan und Germanium verdampft und mithilfe eines Ionenstrahls auf die Oberfläche gebracht und oxidiert.
Die dadurch erreichte Verringerung des thermischen Rauschens könnte die LIGO-Detektoren künftig dazu befähigen, Gravitationswellen in einem achtmal größeren Raumvolumen als bisher aufzuspüren. „Mit diesen neuen Beschichtungen erwarten wir, dass wir die Detektionsrate für Gravitationswellen von einmal in der Woche auf täglich oder mehr steigern können“, sagt LIGO-Direktor David Reitze vom Caltech.
Einsatz beim Advanced LIGO Plus
Das LIGO-Team schätzt, dass die neuen Beschichtungen der Spiegel in der fünften Laufzeit des Observatoriums zum Einsatz kommen werden. Sie wären damit Teil der Verbesserungen, die ab Mitte der 2020 Jahre für das Advanced LIGO Plus Programm geplant sind. „Das wird ein Gamechanger für Advanced LIGO Plus“, sagt Reitze. „Und es ist ein großartiges Beispiel dafür, wie sehr LIGO auf den Fortschritten in Optik und Materialforschung basiert.“
Vorher wird im Sommer 2022 zunächst die vierte Laufzeit der LIGO-Detektoren beginnen. Auch sie profitiert von vielen im Vergleich zu früheren Messphasen optimierten Technologien. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.127.071101)
Quelle: California Institute of Technology