Er kann Skateboard fahren, Treppensteigen und auf einer Slackline balancieren: US-Forscher haben einen Roboter entwickelt, der durch sein perfektes Gleichgewicht verblüfft. Doch es gibt einen Trick: Der zweibeinig laufende Roboter wird von zwei Propellern stabilisiert – er ist ein Zwitter aus Laufroboter und Drohne. Dadurch kann er nahtlos vom Laufen ins Fliegen übergehen. Der Hybrid-Roboter könnte überall dort eingesetzt werden, wo Balancieren und Arbeiten in großer Höhe nötig ist.
Sie erkunden fremde Planeten, tauchen in tiefste Ozeangräben oder ziehen schwerste Lasten: Einige Roboter leisten für uns Menschen Unmögliches und werden in der Forschung oder auch als Katastrophenhelfer eingesetzt. Andere sind als Drohnen oder Industrieroboter längst Teil des Alltags. In einem Punkt allerdings haben die Maschinenwesen noch Schwächen: Wenn es um den zweibeinigen Gang geht, sind wir Menschen ihnen in puncto Stabilität und Gleichgewicht meist überlegen.
Vom Skateboard bis zur Slackline
Doch es gibt einen Roboter, den offenbar nichts aus dem Gleichgewicht bringen kann: Der von Kyunam Kim vom California Institute of Technology und seinen Kollegen entwickelte LEONARDO-Roboter kann nicht nur zweibeinig laufen, Treppensteigen und Hindernisse übersteigen – er fährt sogar Skateboard ohne umzukippen und balanciert auf einer Slackline. Selbst wenn man ihn von der Seite mit einem Stock schubst, bringt ihn dies nicht aus dem Gleichgewicht.
Wie aber ist das möglich? Der Trick liegt im Detail: Bei näherem Hinschauen erkennt man, dass der rund 75 Zentimeter große LEO-Roboter ein Hybrid ist – an seinen Armen sitzen vier kleine Propeller, die ihm zusätzlichen Auftrieb geben und ihn selbst in Schieflage oder beim Stolpern vor dem Fallen bewahren können. Bekommen die Propeller vollen Schub, kann der Roboter mit ihrer Hilfe sogar abheben und fliegen.
Drohne und Laufroboter zugleich
Damit ist der LEO-Roboter ein Zwitter zwischen Laufroboter und Drohne. „Die mehrgelenkigen Beine und die Propeller ermöglichen ihm sowohl die terrestrische wie die fliegende Fortbewegung und einen fließenden Übergang zwischen beiden“, erklären die Forschenden. Während diese Kombination aus Laufen und Fliegen im Tierreich häufig vorkomme – bei Vögeln, Insekten oder Fledermäusen – sei dies der der erste Roboter, der diese Kombination demonstriere.
„LEO schließt damit die Lücke zwischen der bipedalen und fliegenden Fortbewegung – zwei Bewegungsformen, die bei existierenden Robotersystemen typischerweise nicht verknüpft sind“, erklärt das Team. Um den Laufroboter das Fliegen zu erleichtern, ist er besonders leicht gebaut und drückt sich – ähnlich wie ein startender Vogel – beim Abheben mit den Beinen ab. Die Bewegungen und das Navigieren erfolgen dabei autonom mithilfe des Bordcomputers und der Sensorsysteme.
Prototyp in Leichtbauweise
Noch läuft der LEO-Roboter nicht besonders schnell oder elegant – er schafft nur rund 20 Zentimeter pro Sekunde und wirkt dabei eher zögerlich. Das liegt daran, dass sich die Wissenschaftler bei ihrem Prototyp für eine Leichtbau-Variante mit flexiblen, aus Karbonfasern konstruierten Beinen und nur 2,5 Kilogramm Gewicht entschieden. Jedes Bein wird nur von drei kleinen Servomotoren bewegt, die Füße sind mit besonders griffigen Gummi-Zehen ausgestattet. Steht LEO in Ruhe, ruht sein Fuß auf Zehen und Ferse, das Laufen geschieht nur auf den Zehen.
Weil seine Propeller auch beim normalen Laufen die ganze Zeit rotieren, braucht LEO relativ viel Energie. Das allerdings ließe sich noch optimieren, wie Kim und seine Kollegen erklären: Würde man seine Beine und Füße stabiler machen, könnte LEO auch ohne permanente Propellerunterstützung laufen.
Einsatz auf Hochspannungsleitungen, Brücken oder Pipelines
Ohnehin sehen die Wissenschaftler das Einsatzgebiet ihres Hybrid-Roboters eher dort, wo normale Laufroboter versagen: bei Arbeiten in großer Höhe und auf instabilen Untergründen. Ein Beispiel wäre die Inspektion von Hochspannungsleitungen – eine gefährliche Arbeit, die bisher nur von bestens geschulten Fachkräften durchgeführt werden kann, die teilweise per Hubschrauber an ihren luftigen Arbeitsplatz gebracht werden müssen.
„LEO könnte selbst zu den Leitungen hinauffliegen und auf ihnen entlanglaufen, um sie zu inspizieren oder zu reparieren“, so das Team. Eine weitere Anwendung wäre die Inspektion von Dächern und Pipelines oder das Streichen und Warten von Brücken und ihren Drahtaufhängungen. Auch dabei könnte die Balancierfähigkeit des Roboters gute Dienste leisten, wie Kim und sein Team erklären.
Ähnlich sieht es der Robotikforscher Stefano Mintchev von der ETH Zürich. In einem begleitenden Kommentar schriebt er: „Richtig glänzen kann LEO überall dort, wo er seine beiden Fortbewegungsarten zusammen nutzen kann.“ Er sieht in dem neuen Hybrid-Roboter einen ersten Schritt hin zu einer neuen Generation von bioinspirierten, multimodalen Robotern. (Science Robotics, 2021; doi: 10.1126/scirobotics.abf8136)
Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)