Chemie

Chemie-Nobelpreis für die asymmetrische Organokatalyse

Entdecker einer ganz neuen Klasse von Katalysatoren ausgezeichnet

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Der Chemie-Nobelpreis geht an die Entdecker eine neuen Klasse von Katalysatoren aus einfachen organischen Molekülen. © Garsya/ iStock.com

Ihre Entdeckung hilft heute bei der Herstellung von Arzneimitteln, Chemikalien und sogar Solarzellen: Den diesjährigen Chemie-Nobelpreis erhalten zwei Forscher, die eine ganz neue Klasse von Katalysatoren entdeckt haben: einfache organische Moleküle, mit deren Hilfe sich maßgeschneiderte asymmetrische Verbindungen herstellen lassen. Der Preis geht dafür an Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim und an David MacMillan von der Princeton University.

Bevor die beiden Preisträger im Jahr 2000 ihre bahnbrechenden Erkenntnisse publizierten, kannte man nur zwei Arten von Katalysatoren. In der Natur und im menschlichen Körper katalysieren bestimmte Proteine – Enzyme genannt – eine Vielzahl biochemischer Reaktionen. Die zweite Klasse sind anorganische Metallverbindungen, wie sie beispielsweise in Katalysatoren von Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Gemeinsam ist beiden, dass sie vorübergehend an der chemischen Reaktion teilnehmen und durch dabei helfen, chemische Bindungen aufzubrechen oder neu zu knüpfen.

Doch beide Katalysator-Klassen haben Nachteile und sind nicht für alle Zwecke einsetzbar: Enzyme sind hoch spezifisch und nicht immer an die Erfordernisse großtechnischer Produktion anpassbar. Metall-Katalysatoren sind oft umweltschädlich und viele von ihnen arbeiten nur unter Sauerstoffabschluss und in trockener Umgebung effektiv.

Hinzu kommt, dass sie bei asymmetrischen chiralen Molekülen oft beide Varianten in gleichen Anteilen erzeugen. Gerade in der Medizin und Biochemie besitzt aber oft nur eine der beiden spiegelverkehrten Molekül-Konfigurationen die gewünschten Eigenschaften: Eine Variante kann eine effektive Medizin sein, die andere dagegen wirkungslos.

List: Eine Aminosäure als Katalysator

An diesem Punkt setzen die Arbeiten der beiden Preisträger an, den beiden haben nach weiteren Formen von Katalysatoren gesucht – und sie gefunden. Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim ging bei seiner Forschung von Enzymen aus – komplexen Proteinen aus hunderten Aminosäuren. Seine Idee: Möglicherweise braucht man für manche Katalyse-Reaktionen nicht das ganze Protein, sondern es reichen schon eine oder wenige Aminosäuren.

List überprüfte dies mit der Aminosäure Prolin, von der man schon wusste, dass sie bei bestimmten chemischen Reaktionen eine katalytische Wirkung entfalten kann. Der Forscher testete, ob Prolin die sogenannte Aldol-Reaktion katalysieren kann. Bei dieser Reaktion reagieren Aceton und aromatische Aldehyde miteinander und bilden neue Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen. Und tatsächlich: Schon die Zugabe von Prolin reichte, um diese Aldol-Reaktion effektiv zu katalysieren, wie List feststellte.

Nähere Analysen ergaben, dass das im Prolin enthaltene Stickstoffatom dafür eine entscheidende Rolle spielt. Im Zusammenspiel mit einem Proton der Reaktionspartner trägt es dazu bei, die Reaktion zu stabilisieren und zu begünstigen. Anders als bei Metallkatalysatoren entstand dabei zudem bevorzugt eine der beiden chiralen Molekülformen. Im Februar 2000 veröffentlichte List seine Ergebnisse und beschrieb das Konzept als ganz neue Form der asymmetrischen Katalyse mit organischen Molekülen.

MacMillan: Iminium-Ion gesucht

Etwa um die gleiche Zeit arbeitete David MacMillan an der University of California in Berkeley an einem ganz ähnlichen Katalyseprinzip. Er suchte nach einfachen organischen Molekülen, die ein bestimmtes Ion, das sogenannte Iminium-Ion, bilden konnten. Bei dieser geladenen Molekülform ist ein Stickstoffatom im Kohlenwasserstoffgerüst so eingebunden, dass es ein Elektron aufnehmen kann. Dadurch kann es in chemischen Reaktionen als Katalysator dienen.

Nach Experimenten mit verschiedenen Molekülen fand MacMillan die Konfiguration, die das gesuchte Iminium-Ion effektiv und zuverlässig bildete. Am Beispiel der Diels-Alder-Reaktion, durch die ringförmige Kohlenwasserstoff-Verbindungen aufgebaut werden, demonstrierte der Forscher nicht nur, dass seine organischen Katalysatoren funktionierten, sie erzeugten ebenfalls bevorzugt eine der beiden asymmetrischen Molekülformen. Auch seine Ergebnisse wurden im Jahr 2000 veröffentlicht, MacMillan prägte dafür den Begriff Organokatalyse.

„Ebenso einfach wie genial“

„Dieses Konzept der Katalyse ist ebenso einfach wie genial“, sagt Johan Åqvist, Vorsitzender des Nobelpreiskomitees für Chemie. Die Arbeiten von List und MacMillan bildeten den Startpunkt für ein ganz neues Gebiet der Katalyse und schufen damit neue Möglichkeiten, asymmetrische Moleküle einfach und in der gewünschten Konfiguration herzustellen.

Neben Rohstoffen für Arzneimittel und chemische Produkte gehören dazu beispielsweise auch neue Materialien für organische Solarzellen. Weil die organischen Katalysatoren zudem anders als viele Metallkatalysatoren ungiftig und umweltverträglich sind, tragen sie auch dazu bei, die Chemie ein wenig grüner zu machen.

Quelle: Nobelprize.org

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