Archäologie

Zerstörte ein Meteor das biblische Sodom?

Tunguska-ähnliche Explosion eines Meteors könnte Bronzezeit-Großstadt im Jordantal vernichtet haben

Jordantal
Die Stadtruinen von Tall el-Hammam gelten als mögliches reales Vorbild der biblischen Stadt Sodom – und wie diese wurde auch die reale Bronzezeitstadt durch eine feurige Katastrophe zerstört. ©

Feuer von Himmel: Die biblische Geschichte vom feurigen Ende der Stadt Sodom könnte eine reale Wurzel haben. Denn Archäologen haben Hinweise darauf entdeckt, dass vor 3.650 Jahren ein Meteor über dem Jordantal explodierte. Er löste eine Schock- und Hitzewelle aus, die die Mauern der Bronzezeitstadt Tall el-Hammam zerstörte und selbst Keramik, Gestein und Ziegel zu Glas schmolz. Das Ausmaß der Explosion könnte das des Tunguska-Ereignisses im Jahr 1908 übertroffen haben, wie das Team im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichtet.

Das feurige Ende der biblischen Städte Sodom und Gomorrha gehören zu den bekanntesten Geschichten des alten Testaments. In ihnen wird beschrieben, wie die Städte, alle ihre Bewohner und die Vegetation um Umland durch Feuer und Schwefel vom Himmel zerstört werden. Auch im Koran finden sich Verweise auf eine solche Zerstörung des „Volkes des Lot“. Ob diese Geschichte aber auf einem realen Ereignis beruht, ist umstritten.

Palast
So könnte der Palast von Tall el-Hammam ausgesehen haben. © Bunch et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Metropole der Bronzezeit

Doch jetzt gibt es erste Hinweise darauf, dass dieses biblische „Feuer vom Himmel“ durchaus real gewesen sein könnte. Sie finden sich im südlichen Jordantal, einer fruchtbaren Senke nordöstlich des Toten Meeres. „Während der mittleren Bronzezeit lebten in diesem Gebiet mehr als 50.000 Menschen, verteilt auf drei große und mehrere kleinere Städte sowie Dörfer und Gehöfte, die sich über 4000 Quadratkilometer erstreckten“, erklären Ted Bunch von der Northern Arizona University und seine Kollegen.

Auch die bekannte biblische Stadt Jericho lag in diesem Tal. Noch größer als Jericho war damals jedoch Tall el-Hammam, eine befestigte Metropole mit Palästen, Tempeln, Werkstätten und Wohngebäuden. Allein das von der vier Meter dicken Stadtmauer eingegrenzte Stadtgebiet erstreckte sich über 36 Hektar. Einige Archäologen vermuten, dass Tall el-Hammam die reale Entsprechung des biblischen Sodom gewesen sein könnte.

Rätselhafte Zerstörung

Das Interessante jedoch: Tall el-Hammam, Jericho und die meisten anderen Siedlungen in diesem Teil des Jordantals wurden um etwa 1650 vor Christus zerstört – alle zur gleichen Zeit. Ausgrabungen zeigen weitreichende Zerstörungen von Gebäuden und Mauern sowie Spuren von heftigen Bränden, darunter eine 1,50 Meter dicke Schicht aus verkohltem Material und Asche. Die Städte und ihr Umland bliebe nach diesen Bränden offenbar mehrere Jahrhunderte lang verlassen, das einst dicht besiedelte Gebiet wurde nur noch vereinzelt von nomadischen Hirten besucht.

Was aber war die Ursache für das plötzliche Ende von Tall el-Hammam, Jericho und den anderen Siedlungen? Auf der Suche hach einer Antwort haben Bunch und sein interdisziplinäres Team 38 verschiedene Materialproben aus Tell el-Hammam und einem benachbarten Wadi einer umfassenden chemischen, mineralogischen und Isotopen-basierten Analyse unterzogen. Besonderes Augenmerk legten sie dabei auf ungewöhnliche Hitzespuren wie verglaste oder geschmolzene Ziegel und Keramik, verkohlte Textilreste und pulverisierten Lehm.

Schockwelle und extrem hohe Temperaturen

Die Analysen ergaben Überraschendes: Die Keramik- und Ziegelreste müssen auf mehr als 1.400 Grad erhitzt worden sein, um ihre Oberfläche schmelzen und verglasen zu lassen. Darüber hinaus enthielten viele verglaste Fundstücke aus Tall el-Hammam aber auch winzige Körnchen aus geschmolzenem Quarz, Platin, Zirkon und Iridium – Elementen, die erst bei 1.500 bis 2.500 Grad schmelzen, wie das Team berichtet.

„Diese Belege für ein Hochtemperatur-Brennen wurden im gesamten Stadtgebiet gefunden. Aber zur damaligen Zeit gab es keine Technologie, mit der die Menschen ein so heißes Feuer hätten entfachen können“, erklärt Koautor Sid Mitra von der East Carolina University. Hinzu kommt eine weitere Anomalie: In den verkohlten Ablagerungen stießen die Forscher auf geschockten Quarz und diamantähnliche Kohlenstoff-Nanokristalle, die beide nur unter sehr hohem Druck oder bei starken Schockwellen entstehen.

Auffallend war zudem, dass bei dem Ereignis nahezu alle Trümmer und eingestürzte Mauern in Richtung Nordosten gefallen oder geweht worden waren. „Innerhalb kurzer Zeit muss eine von Trümmern erfüllte Schockwelle mit hoher Geschwindigkeit von Südwesten über die Lehmziegelmauern der Stadt hinweggerast sein“, beschreiben die Forsche das Szenario. Die Mauerkronen und Dächer wurden dabei pulverisiert oder geschmolzen und selbst schwere Objekte mitgerissen.

EXplosion
Zerstörungsradius des Tunguska-Ereignisses projiziert auf das südliche Jordantal. © Bunch et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Tunguska-Ereignis über dem Jordantal

Was aber war die Ursache? Um herauszufinden, welches Ereignis diese ungewöhnliche Kombination von Merkmalen hervorgerufen haben könnte, überprüften die Wissenschaftler verschiedene mögliche Ursachen, darunter Krieg, Vulkanismus, Blitzeinschläge oder Erdbeben. Doch keines dieser Ereignisse kann den Auswertungen zufolge die hohen Temperaturen in Kombination mit Schockspuren und einheitlicher Sturzrichtung erklären.

Nach Ansicht von Bunch und seinem Team bleibt damit nur eine Ursache übrig: die Explosion eines Meteoriten. Ähnlich wie beim Tunguska-Ereignis im Jahr 1908 könnte ein gut 60 Meter großer Meteor oder Komet in der Luft zerplatzt sein. „Der Feuerball verursachte einen Hochtemperatur-Hitzepuls, der alle exponierten Materialien schmolz. Darauf folgte eine hyperschnelle Druckwelle, die die Lehmziegelmauern der Stadt pulverisierte, die Stadt einebnete und ihre Bewohner zerschmetterte“, berichten die Forscher.

Wäre eine solche Meteor-Explosion wenige Kilometer südwestlich der Stadt erfolgt, könnte dies sowohl die hohen Temperaturen erklären, als auch die Richtung der Schockwelle. Vielleicht wäre dieses Szenario sogar auch die Erklärung für die vor Kurzem gemachte Entdeckung des Meteoritenminerals Allabogdanit am Toten Meer – auch dessen Präsenz deutet auf ein kosmisches Ereignis in dieser Region hin.

Vorbild für Sodom und Gomorra?

Und sogar die biblische Geschichte von Sodom und Gomorrha könnte in einem solche Ereignis ihren Ursprung haben: „Ein Augenzeugenbericht dieser 3.600 Jahre alten Katastrophe könnte in der mündlichen Überlieferung weitergegeben worden sein, bis er dann in die biblischen Schriften aufgenommen wurde“, spekulieren Bunch und seine Kollegen. Immerhin passe sowohl die Geschichte der fallenden Mauern von Jericho in dieses Szenario als auch die Zerstörung einer mächtigen Stadt, die in der Bibel als Sodom tituliert wird, sagt Mitra.

„Tall el-Hammam könnte damit nach Abu Hureyra in Syrien die zweitälteste Stadt sein, die von einem kosmischen Airburst oder einem Einschlag zerstört wurde und der früheste Ort, dessen Schicksal schließlich in der Bibel niedergeschrieben wurde“, konstatieren die Forscher. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-97778-3)

Quelle: East Carolina University

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