Sonnensystem

Erster Blick auf die größten Asteroiden im Sonnensystem

Analyse von 42 Brocken im Asteroidengürtel gibt erste Hinweise auf Gesetzmäßigkeiten

Asteroiden
Dies sind nur einige der 42 mehr als 100 Kilometer großen Asteroiden, die Astronomen jetzt erstmals abgebildet und näher untersucht haben. © ESO/M. Kornmesser, Vernazza et al./ MISTRAL algorithm (ONERA/CNRS)

Von Zwergplanet bis „Hundeknochen“: Astronomen haben erstmals 42 der größten Objekte im Asteroidengürtel abgelichtet und näher untersucht. Die Bestandsaufnahme enthüllt unter anderem, warum einige Asteroiden rund, andere dagegen langgestreckt sind und wodurch einige Brocken eigenen kleine Monde bekommen. Die Aufnahmen liefern zudem Indizien dafür, dass zumindest einige der Brocken ursprünglich aus der Gegend jenseits des Neptun stammen.

Zwischen Mars und Jupiter liegt ein Ring voller urzeitlicher Planetentrümmer und „toter“ Kometen – der Asteroidengürtel. In ihm kreisen Millionen Brocken unterschiedlichster Größe um die Sonne – vom erbsengroßen Körnchen bis zum knapp tausend Kilometer großen Zwergplaneten Ceres. Durch Kollisionen und Schwerkraft-Turbulenzen können aus diesem Gürtel immer wieder Meteoriten in Richtung Erde geschleudert werden, gleichzeitig ist er ein wichtiges Reservoir von Brocken aus der Frühzeit unseres Sonnensystems.

Unerforschter Gürtel

Trotz dieser großen Bedeutung ist der Asteroidengürtel bisher weitgehend unerforscht. Nur eine Handvoll größerer Objekte wurden bisher näher untersucht und hochaufgelöst abgebildet. „Nur drei große Asteroiden des Hauptgürtels, Ceres, Vesta und Lutetia, wurden bisher mit hoher Detailgenauigkeit abgebildet“, erklärt Pierre Vernazza vom Astrophysikalischen Laboratorium in Marseille. Über die große Mehrheit der anderen mehr als 100 Kilometer großen Objekte aber war kaum etwas bekannt.

Das hat sich jetzt geändert: Ein Astronomenteam um Vernazza hat mithilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile erstmals 42 der größten Objekte im Asteroidengürtel abgelichtet und untersucht. Das erlaubt es erstmals, Parameter wie Form, Dichte. Rotationstempo oder Topografie dieser kosmischen Brocken näher zu katalogisieren und mögliche Gesetzmäßigkeiten aufzudecken.

Das Rätsel der Form

Die Analysen enthüllten: In Bezug auf ihre Form bilden die großen Asteroiden zwei deutlich getrennte Gruppen – sie zeigen eine bimodale Verteilung. Einige sind nahezu perfekt kugelförmig, wie beispielsweise die Zwergplaneten Hygiea und Ceres. Andere dagegen besitzen eine langgestreckte Form. Das extremste Beispiel für solche länglichen Objekte ist der wie eine Hantel oder ein Hundeknochen geformte Asteroid Kleopatra.

Aber warum? Die Größe scheint für die dreidimensionale Form der Objekte nur eine untergeordnete Rolle zu spielen: „In jeder Größenklasse gibt es offenbar eine Gruppe runder und eine Gruppe länglicher Himmelskörper“, berichten Vernazza und seine Kollegen. Auffällig sei jedoch, dass 16 der 18 besonders langgestreckten Objekte eine Rotationsperiode von weniger als acht Stunden zeige. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine schneller Eigendrehung eine längliche Form begünstigt.

Die 42 größten Asteroiden und ihre Orbits.© European Southern Observatory (ESO)

Dichte deutet auf Herkunft hin

Ein weiteres Ergebnis: Die Dichten der Objekte im Asteroidengürtel sind extrem unterschiedlich. Einige Asteroiden wie Lamberta und Sylvia sind mit einer Dichte von etwa 1,3 Gramm pro Kubikzentimeter so leicht wie ein Stück Grillkohle. Andere Objekte wie die Asteroiden Psyche und Kalliope sind mit 3,9 und 4,4 Gramm pro Kubikzentimeter dichter als Diamant. Dieses breite Spektrum bestätigt Vermutungen, nach denen zumindest einige Himmelskörper im Asteroidengürtel eher ehemaligen Kometen oder lockeren Trümmerhaufen entsprechen als massiven Felsbrocken.

Die Unterschiede in der Zusammensetzung der Asteroiden sprechen nach Ansicht der Astronomen dafür, dass sie nicht alle vor Ort entstanden sind. Vor allem die Objekte mit einem hohen Gehalt an Wassereis und anderen leicht flüchtigen Elementen müssen demnach weiter außen, jenseits der sogenannten Schneegrenze entstanden sein. Ab dort gefror Wasser in der Urwolke zu Eis und erlaubte so die Bildung eisreicher Himmelskörper.

Frühe Wanderung und kleine Trabanten

„Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Körper seit ihrer Entstehung beträchtlich gewandert sind“, erklärt Koautor Josef Hanuš von der Karlsuniversität in Prag. Dies stützt Modelle, nach denen die Wanderung der großen Gasriesen in der Frühzeit des Sonnensystems auch viele Asteroiden aus dem Bereich jenseits des Neptun nach innen mitriss, andere dagegen nach außen schleuderte.

Neue Erkenntnisse gibt es auch zu Asteroiden, die eigene kleine Monde besitzen: „Fünf der sechs beobachten Mehrfachsysteme haben eine Rotationsperiode von weniger als sechs Stunden und ein Achsenverhältnis von weniger als 0,65“, berichten die Astronomen. Das lasse darauf schließen, dass eine schnelle Drehung und langgestreckte Form die Abtrennung von Bruchstücken begünstigt, die dann als Trabanten um ihre Mutterkörper kreisen.

Hoffnung auf die scharfen Augen des ELT

Noch haben die Forscher mit diesen Beobachtungen erst angefangen, die Geheimnisse des Asteroidengürtels näher zu ergründen. Sie hoffen aber, mit dem zurzeit in Chile gebauten Extremely Large Telescope (ELT) der ESO noch mehr Asteroiden näher untersuchen zu können. „ELT-Beobachtungen von Asteroiden des Hauptgürtels werden es uns ermöglichen, Objekte mit Durchmessern von bis zu 35 bis 80 Kilometern, je nach ihrer Lage im Gürtel, und Krater mit einer Größe von 10 bis 25 Kilometern zu untersuchen“, sagt Vernazza.

Damit könnte die Astronomen in der Lage sein, die geologische Geschichte der Himmelskörper im Asteroidengürtel und möglicherweise auch im Kuipergürtel jenseits des Neptuns weiter aufzuklären. (Astronomy & Astrophysics, 2021; doi: 10.1051/0004-6361/202141781)

Quelle: European Southern Observatory (ESO)

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