Das Problem ist altbekannt: Während in den Städten und Ballungsräumen Breitband-Internet und dichte Mobilfunkabdeckung eine ständige Erreichbarkeit und halbwegs hohe Datenübertragungsraten ermöglichen, haben Menschen in ländlichen Regionen das Nachsehen. Selbst in Industrieländern wie Deutschland ist die Netzabdeckung löchrig und von einem Glasfaseranschluss können die meisten Landbewohner nur träumen.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist noch offline
Noch gravierender ist diese digitale Ungleichheit im globalen Maßstab: Schätzungen zufolge haben weltweit knapp vier Milliarden Menschen einen Zugang zum Internet – das ist nur wenig mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Besonders dünn ist die Netzabdeckung in ärmeren Ländern und in dünn besiedelten Regionen wie den Steppen Asiens. Nach Angaben der International Telecommunications Union (ITU) waren im Jahr 2020 noch 72 Prozent Afrikas offline und gut 50 Prozent Asiens.
Der Grund für diese Lücken: Das Verlegen von Datenleitungen in Form von Glasfaser- oder selbst Kupferleitungen ist aufwendig und teuer. Ähnliches gilt für Bau und Installation von Mobilfunkmasten. Für die Betreiber der kommerziellen Netze lohnt sich dies nur, wenn genügend potenzielle Kunden in einem Gebiet leben. Ist dies nicht der Fall, ist die Verlegung der Kabel oder der Bau der Antennen ein Verlustgeschäft – und wurde bisher daher trotz anderslautender Beteuerungen einfach unterlassen.
Satelliten-Netz statt Kabel
An diesem Punkt setzen die Mega-Konstellationen an: Weltumspannende Netze von Kommunikations-Satelliten im Orbit sollen Internet und Mobilfunk dorthin bringen, wo es bisher keine oder nur langsame Verbindungen gab. Weil in diesen Konstellationen hunderte bis tausende Minisatelliten in regelmäßigen Abständen über die gesamte Erde verteilt sind, bieten sie eine lückenlose Abdeckung. So kann beispielsweise jeder Satellit der SpaceX-Konstellation Starlink ein rund 1.000 Kilometer großes Areal der Erdoberfläche versorgen.
Anders als die bisher schon für Satellitentelefone und Satellitenübertragungen eingesetzten Satelliten, die im geostationären Orbit auf 36.000 Kilometer Höhe kreisen, fliegen die Minisatelliten der Mega-Konstellationen im niedrigen Erdorbit (LEO) in Höhen zwischen 500 und rund 1.500 Kilometern. In diesen Konstellationen soll jeder Ort von mehreren Satelliten abgedeckt sein – das sorgt für eine stabile Verbindung. Selbst wenn der Kontakt zu einem der Satelliten abreißt, können die anderen einspringen.
Hinzu kommt, dass die einzelnen Satelliten mit rund 250 Kilogramm Gewicht und einer sparsamen Ausstattung kleiner und weit günstiger zu produzieren sind als gängige Kommunikationssatelliten. Die Minisatelliten der Konstellationen umfassen kaum mehr als eine Antenne plus Sender, ein oder zwei kleine Solarsegel, einen Bordcomputer, eine Navigationshilfe in Form eines Sternen- und Sonnen-Trackers und einem Ionenantrieb. Weil diese Satelliten in Massenproduktion hergestellt und in Gruppen von 60 bis 75 auf einmal ins All gebracht werden können, senkt dies die Kosten erheblich.
Schnellere Übertragung und geringere Latenzzeit
Der entscheidende Vorteil gegenüber bisherigen Satelliten-Übertragungen liegt jedoch in der Bandbreite und Geschwindigkeit, die die neuen Mega-Konstellationen ermöglichen. Die Satelliten im niedrigen Erdorbit nutzen Frequenzen im sogenannten Ka- und Ku-Band des Mikrowellenspektrums, die zwischen rund 12 und 40 Gigahertz liegen. Vor allem das kurzwelligere Ka-Band erlaubt hohe Datenübertragungsraten, die an terrestrische Breitband-Übertragungen heranreichen oder sogar übertreffen – so die Versprechungen der Anbieter des neuen Satelliten-Internets.
Auch die Laufzeiten der Signale sind deutlich geringer: Das über einen gängigen Kommunikationssatelliten übertragene Signal trifft mit bis zu 700 Millisekunden Verzögerung ein, was beispielsweise das Videotelefonieren oder eine Echtzeit-Fernsteuerung von Geräten über solche Verbindungen nahezu unmöglich macht. Bei einer Übertragung über den niedrigen Erdorbit legen die Signale eine weit kürzere Strecke zurück und dies verringert die Latenzzeiten auf 20 bis 40 Millisekunden – fast bis auf Glasfaser- und DSL-Maßstab.
Neue Anwendungsmöglichkeiten
Diese Eigenschaften eröffnen dem Internet per Satellit ganz neue Anwendungsmöglichkeiten. Neben der Chance, auch entlegenen Gebieten einen Breitband-Internetanschluss zu verschaffen, könnten die Mega-Konstellationen auch für einige neue Technologien von Vorteil sein. Die schnelle Satellitenverbindung könnte es beispielsweise ermöglichen, Fahrzeuge, Drohnen und andere robotische Gefährte in Echtzeit fernzusteuern. Dadurch könnten Pipelines, Katastrophengebiete oder auch Felder und Plantagen weit einfacher als bisher aus der Ferne überwacht werden. Auch autonome Fahrzeuge könnten künftig von den Satellitensignalen profitieren.
Ebenfalls verbessern könnte sich die Anbindung von Schiffen, Flugzeuge oder fahrenden LKW an das Internet. Bisher sind sie entweder vom Mobilfunk oder aber von Verbindungen zu klassischen Kommunikationssatelliten abhängig. Die Mega-Konstellationen könnten jedoch selbst Schiffen auf hoher See oder Flugzeugen eine schnelle Breitband-Verbindung bereitstellen. SpaceX hat für sein Starlink-System bereits im Frühjahr 2021 Lizenzen für solche mobilen Anwendungen bei der US-Telekommunikationsbehörde FCC beantragt.
Allerdings: Profitieren werden von dieser schönen neuen Welt des Internet vermutlich nur diejenigen, die sich die Monatsgebühren und die Kosten für die Satellitenschüssel nebst Router leisten können. Bei Starlinks Beta-Version liegen diese bei 99 US-Dollar pro Monat und einem einmaligen Betrag von 499 US-Dollar für die Geräte. Während Starlink mit diesen Starterpaketen zurzeit sogar noch Miese macht, dürften sie für Menschen in vielen ärmeren Ländern trotzdem eher unerschwinglich sein.