Biologie

Hai-Angriffe: Verwechslungstheorie bestätigt

Schwimmende und paddelnde Menschen sind für Haie kaum von ihrer Beutetieren zu unterscheiden

Schwimmer und Hai
Ein schwimmender Mensch sieht von unten für einen Hai oft wie eine Robbe aus. © mevans/ Getty images

Verwechslungsgefahr: Wenn ein Weißer Hai einen Menschen angreift, wird das oft darauf geschoben, dass wir von unten aussehen wie typische Beutetiere der Räuber. Eine Studie hat nun die Bewegungsabläufe und Silhouetten von schwimmenden Robben und Menschen miteinander verglichen. Sowohl auf einem Surfbrett als auch im Freistil wich der Mensch dabei kaum von der Robbe ab. Dies unterstützt die Verwechslungstheorie, wie das Team berichtet.

Angriffe durch Haie sind weltweit ein eher seltenes Phänomen: Nur 50 bis 100 Fälle werden jährlich registriert und weniger als zehn davon enden tödlich. Durch Filme wie „Der Weiße Hai“ oder aufgebauschte Medienberichte herrscht trotzdem eine Art Panik-Kult um die Meeresräuber. Warum Haie Menschen überhaupt angreifen, ist auch für die Fachwelt nur schwer zu verstehen. Wir passen nämlich eigentlich nicht ins Beuteschema der Raubfische.

Eine der Erklärungsversuche basiert auf der Verwechslungstheorie. Nach ihr halten Haie schwimmende oder auf einem Surfbrett liegende Menschen von unten für Robben oder ähnliche Meeressäuger, die zu ihrer natürlichen Beute gehören. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Laura Ryan von der Macquarie University im australischen Sidney hat diese Theorie nun genauer auf die Probe gestellt.

Robben, Surfer, Plastikbrett

Für ihre Untersuchung ließen sie verschiedene Vergleichsobjekte durch zwei Becken des Taronga Zoos in Sidney schwimmen. Als Versuchsteilnehmer waren zwei Australische Seerobben, ein Neuseeländischer Seebär, menschliche Schwimmer im Freistil und auf verschiedenen Surfbrettern liegend, sowie ein rechteckiges Plastikbrett zu Vergleichszwecken dabei. Alle sollten das Wasser durchqueren, während sie von unten gefilmt werden.

Die Kamera hatte drei Modi: stillstehend, entgegen und mit der Schwimmrichtung. Die bewegte Kamera war mit knapp über einem Meter pro Sekunde ungefähr so schnell wie ein größerer Hai. Auch die Farbwahrnehmung und die Aufnahmegeschwindigkeit der Kameras wurde an ein typisches Hai-Auge angepasst: Die Meeresjäger sehen grünes Licht am stärksten und nehmen ihre Umgebung mit circa 30 Bildern pro Sekunde wahr.

Die mit den „künstlichen Haiaugen“ aufgenommenen Objekte wurden für die Analyse auf ihre Umrisse reduziert. Mithilfe von Software verglichen die Forscher anschließend die so erzeugten Silhouetten und die Schwimmbewegungen der Versuchsteilnehmer. Die Auflösungsqualität der Umrisse, also die Anzahl der erzeugten Randpunkte, wurde dabei so gewählt, dass im ersten Durchgang ein direkter Blickkontakt des Hais, und in einem weiteren eine periphere Wahrnehmung simuliert werden sollte.

Maximal sieben Prozent Abweichung

Das Ergebnis zeigt, dass sich sowohl ein schwimmender Mensch als auch eine Person auf einem Surfbrett aus Haisicht nur minimal von einer Robbe unterscheidet. Wenn der Hai das Objekt direkt anschaut, weicht die Bewegung um circa sieben Prozent ab, im peripheren Sichtfeld des Hais ist sogar überhaupt kein Unterschied erkennbar. Im Vergleich dazu: Wenn ein simples Rechteck durch das Wasser gezogen wird, weicht der Eindruck in hoher Auflösung um 20 Prozent und in niedriger um 45 Prozent von der Bewegung einer Robbe ab.

Neben der Bewegungsanalyse verglichen die Forscher auch die Silhouetten der Objekte – mit ähnlichem Ergebnis: „Es gab nur einen kleinen Unterschied zwischen der Form des Schwimmers, des Surfers und der Robbe, wenn sie ihre Flossen von sich gestreckt hat“, schreiben Ryan und ihre Kollegen. Eine Robbe mit angelegten Flossen weicht sogar stärker von einer mit abstehenden Gliedmaßen ab als ein Schwimmer oder ein Mensch auf einem Surfbrett. Die Form der üblichen Beute eines Hais verändert sich also schon von Natur aus mehr, als sie von einem Mensch im Wasser abweicht.

Tiefenwahrnehmung kommt mit dem Alter

„Diese Studie liefert den ersten Beweis, der die Theorie der Verwechslung unterstützt, nach der Weiße Haie Menschen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Beutetieren angreifen“, so die Forscher. „Die Bewegungs- und Formanalyse wurde außerdem speziell auf junge Weiße Haie zugeschnitten, da diese für die Mehrzahl der Angriffe auf Menschen verantwortlich sind.“ Die häufigen Angriffe der Jungtiere könnten nach Ansicht der Forscher damit zusammenhängen, dass die Augen der Meeresräuber erst im Laufe ihres Lebens eine bessere Tiefenwahrnehmung entwickeln. Ohne diese sehen die Haie nur die äußeren, sehr ähnlichen Umrisse der Objekte und können nur schwer Robben und Menschen auseinanderhalten.

Die Forscher betonen zusätzlich, dass die Versuche unter Laborbedingungen mit idealer Ausleuchtung stattgefunden haben. „Unter realistischeren Bedingungen, also bei schwachem Licht, einer aufgewühlten Oberfläche oder trübem Wasser könnten die Ergebnisse noch stärker ausgeprägt sein“, so Ryan und ihre Kollegen. (Royal Society Journal of the Royal Society Interface, 2021; doi: 10.1098/rsif.2021.0533)

Quelle: Royal Society

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