Sternenrest als Propeller: Astronomen haben den sich am schnellsten drehenden Weißen Zwerg entdeckt. Der etwa erdgroße Sternenrest benötigt nur 25 Sekunden für eine Rotation – das ist 20 Prozent schneller als der bisherige Rekordhalter. Noch ungewöhnlicher jedoch: Der Weiße Zwerg saugt Material von seinem stellaren Nachbarn ab, kann dieses aber nicht halten und schleudert es stattdessen in hohem Tempo ins nahe All hinaus. Damit ist er erst der zweite bekannte „Propeller-Stern“, wie das Team berichtet.
Weiße Zwerge sind ultradichte Sternenreste, die nach dem Kollaps eines sonnenähnlichen Sterns und dem Ausschleudern seiner Hüllen übrigbleiben. Die meisten von ihnen sind eher klein und kühlen im Laufe der Zeit immer weiter ab. Es gibt jedoch auch einige Weiße Zwerge, die ungewöhnliche Merkmale zeigen. Dazu gehören besonders schwere Vertreter mit starken Magnetfeldern, besonders schnell rotierende Weiße Zwerge sowie eine Handvoll von Sternenresten in Doppelsternsystemen, die schnelle, starke Strahlenblitze von sich geben – möglicherweise erzeugt durch Wechselwirkungen ihres Magnetfelds mit dem vom Partner angesaugten Material.
Ein Flackern aus dem Doppelsternsystem
Einen neuen Rekordhalter unter den schnelldrehenden Weiße Zwergen haben nun Astronomen um Ingrid Pelisoli von der University of Warwick entdeckt. Im Visier ihrer Studie stand das erst 2020 entdeckte System LAMOST J024048.51+195226.9, kurz J0240+1952. Es besteht aus einem Roten Zwerg und einem etwa erdgroßen Weißen Zwerg, der mindestens 200.000-mal schwerer ist als die Erde. Aufgefallen war dieser Sternenrest, weil auch er periodische Strahlenpulse in nahezu allen Wellenbereichen erzeugt.
Was hinter dem merkwürdigen Flackern des Weißen Zwergs steckt, haben nun Pelisoli und ihre Kollegen mithilfe des HiPERCAM-Instruments am Gran Telescopio Canarias auf La Palma genauer untersucht. Die Kombination des Zehn-Meter-Spiegelteleskops mit dem auf hohe zeitliche Auflösung ausgelegten Instrument ermöglichte es dem Team, genaue Lichtkurven des Systems aufzuzeichnen und sie zu analysieren.
Schnellste bisher bekannte Rotation
Das Ergebnis: Ein Teil des Flackerns ist auf die extrem schnelle Rotation des Weißen Zwergs zurückzuführen. Wie die Astronomen ermittelten, dreht sich der Sternenrest in nur 24,93 Sekunden einmal um sich selbst – ein absoluter Rekord. „Bisher sind nur drei andere Systeme bekannt, deren Rotationsperioden unter 40 Sekunden liegen“, erklärt das Team. J0240+1952 rotiert jedoch noch einmal 20 Prozent schneller als der bisher schnellste unter ihnen.
„Die Rotation dieses Weißen Zwergs ist so schnell, dass er eine überdurchschnittlich hohe Masse besitzen muss, um davon nicht auseinandergerissen zu werden“, sagt Pelisoli. „In der kurzen Zeit, die man benötigt, um dies zu lesen, hat er bereits mehrere Umdrehungen hinter sich gebracht – das ist wirklich unglaublich.“
Weißer Zwerg ist ein Propeller-Stern
Noch spannender aber ist eine zweite Eigenheit dieses Weißen Zwerges: Er könnte erst der zweite bekannte „Propeller-Stern“ sein. Diesen Spitznamen gaben Astronomen einem Weißen Zwerg im rund 300 Lichtjahre entfernten Doppelsternsystem AE Aquarii, weil er so stark magnetisiert ist und so schnell rotiert, dass er das von seinem Partnerstern abgesaugte Material nicht halten kann: Er schleudert es in enormem Tempo ins All hinaus und erzeugt dadurch zusätzliche Strahlenausbrüche.
„Das Material wird zwar angesaugt, aber wenn es dem Weißen Zwerg näher kommt, beginnen dessen Magnetfelder zu dominieren“, erklärt Pelisoli. Kombiniert mit dem hohen Rotationstempo sorgt dies dafür, dass ein Großteil des Materials mit mehr als 3.000 Kilometer pro Sekunde weggeschleudert wird – wie Schlamm von einem sich schnell drehenden Propeller.
Kein Einzelfall mehr
„Mehr als sieben Jahrzehnte lang war AE Aquarii mit diesen außergewöhnlichen Eigenschaften unter den tausenden bekannten Sternsystemen allein“, schreiben die Astronomen. „Das aber könnte sich nun geändert haben.“ Denn das hohe Rotationstempo und die Lichtkurven des Flackerns von J0240+1952 legen nahe, dass auch dieser Weiße Zwerg ein solches „Propeller-System“ sein könnte. Damit steht AE Aquarii erstmals nicht mehr alleine dar.
„Es ist erst das zweite Mal, dass wir eines dieser magnetischen Propeller-Systeme gefunden haben. Damit wissen wir jetzt, dass AE Aquarii kein Einzelfall war“, sagt Koautor Tom Marsh von der University of Warwick. „Es etabliert stattdessen, dass dieser Propeller-Mechanismus eine Eigenheit ist, die bei solchen Doppelsystemen unter bestimmten Bedingungen vorkommen kann.“
Wichtig sei das auch, weil man nun das Modell, das man auf Basis des ersten Falls entwickelt hat, direkt am zweiten Fallbeispiel überprüfen könne. „Unsere aktuelle Entdeckung zeigt aber, dass das Modell gut funktioniert“, Marsh. (Notices of the Royal Astronomical Society: Letters, 2021; doi: 10.1093/mnrasl/slab116)
Quelle: University of Warwick