Archäologie

Archäologen finden gekreuzigten Toten

Nagel im Fuß liefert ersten Beleg für eine römische Kreuzigung in Großbritannien

Toter
Diese Gebeine stammen von einem antiken Toten aus England, der an Kreuz genagelt wurde. © Albion Archaeology

Spektakulärer Fund: In England haben Archäologen erstmals einen antiken Toten entdeckt, der durch eine Kreuzigung starb. Seine Ferse war von einem Nagel durchbohrt und weitere zwölf Nägel lagen um das Skelett herum. Die Beinknochen des Mannes deuten zudem daraufhin, dass er vor seinem Tod längere Zeit in Fesseln lag. Der Fund ist der erste Beleg einer Kreuzigung im römischen Britannien und erst der vierte archäologische Nachweis dieser Todesart überhaupt.

Aus historischen Aufzeichnungen ist bekannt, dass die Römer teils drakonische Strafen verhängten – dazu gehörte  auch die Kreuzigung. Diese grausame und langsame Todesart wurde wegen ihrer abschreckenden Wirkung vor allem bei Sklaven und Nichtrömern eingesetzt, römische Bürger dagegen waren ausdrücklich davon ausgenommen. Typischerweise wurden die Todgeweihten ans Kreuz gebunden, oder man trieb ihnen lange Nägel durch Handgelenke und Fersenbein.

Doch trotz zahlreicher zeitgenössischer Berichte sind archäologische Belege für solche Kreuzigungen bisher rar. Der lange Zeit einzige Nachweis für einen gekreuzigten Toten wurde 1968 in Israel entdeckt – bei diesem Toten steckte der Nagel noch im Knochen. Zwei weitere Skelette mit möglicherweise durch Nägel verursachten Löchern wurden in Italien und Ägypten gefunden.

Grabfunde aus dem römischen Britannien

Jetzt haben Archäologen ein weiteres Opfer der römischen Kreuzigung entdeckt – an einem ungewöhnlichen Ort. Denn der Tote war nicht in Rom oder in einer anderen Stadt im Zentrum des Römischen Reichs gestorben. Man hatte ihn in der entlegenen römischen Provinz Britannien hingerichtet. Entdeckt haben die Forscher der Organisation Albion Archaeology seine Überreste bei Ausgrabungen nahe dem Dorf Fenstanton.

Der Fundort lag einst am Rand der alten Römerstraße Via Devana zwischen den Städten Cambridge und Godmanchester. Die Ausgrabungen förderten dort Reste von mehreren großen Gebäuden, einem gepflasterten Hof sowie ein Areal mit vielen Tierknochen zutage – möglicherweise ein Art Schlachthof. Neben den Gebäuden lagen fünf kleine Friedhöfe, in denen vom zweiten bis vierten Jahrhundert rund 40 Männer, Frauen und Kinder begraben worden waren.

Nagel
Nahansicht des Eisennagels, der das Fersenbein des Toten durchbohrt. © Albion Archaeology

Eisennagel im Fersenbein

Bei einem dieser Skelette stießen die Forscher auf etwas Ungewöhnliches: Die Überreste des 25- bis 35-jährigen Mannes waren von zwölf langen Nägeln umgeben und lagen auf einer Art Holzbahre. Als die Osteoarchäologin Corinne Duhig von der University of Cambridge dieses Skelett von anhaftender Erde reinigte, entdeckte sie, dass ein weiterer Nagel den Fuß des Toten durchbohrte. Der fünf Zentimeter lange Nagel war horizontal durch das Fersenbein des Toten getrieben worden.

Wie die Forscherin erklärt, muss dieser Nagel zu Lebzeiten des Mannes durch den Fuß geschlagen worden sein. Eine kleine Delle direkt neben der durchbohrten Stelle deutet zudem darauf hin, dass ein erster Versuch offenbar fehlschlug. Aus der ausgedünnten Knochenstruktur und Verletzungen an den Beinknochen schließen die Wissenschaftler zudem, dass dieser Mann vor seinem Tode längere Zeit entweder gefesselt oder in Ketten gelegt war und möglicherweise auch offene Wunden an den Beinen hatte.

Erster Beleg für eine Kreuzigung in Großbritannien

Nach Ansicht von Duhig und ihren Kollegen deutet all dies darauf hin, dass dieser Mann einen unfreiwilligen und grausamen Tod gestorben ist – er wurde gekreuzigt. „Dies zeigt, dass selbst die Bewohner dieser kleinen Siedlung am fernen Rand des Römischen Reichs der grausamsten Strafe Roms nicht entgehen konnten“, sagt Duhig. Zwar sei der Nagel allein kein unwiderlegbarer Beweis, aber zusammen mit den restlichen Umständen sei dies die plausibelste Erklärung.

Damit handelt es sich bei dem Toten aus Fenstanton um den ersten archäologischen Beleg für eine Kreuzigung im römischen Britannien. „Die Begräbnispraktiken zur römischen Zeit variierten stark und auch Verstümmelungen hat man hier schon gefunden – aber noch nie eine Kreuzigung „, erklärt Kasia Gdaniec vom Cambridgeshire County Council. Auch insgesamt ist dies erst vierte archäologisch belegte Fall einer Kreuzigung.

Nach Angaben von Duhig ist der aktuelle Fund zudem das bisher am besten erhaltene Zeugnis dieser Todesart. „Die glückliche Kombination eines guten Erhaltungszustands und dieses Nagels im Knochen hat dieses einzigartige Beispiel erbracht – tausende andere sind verloren vergangen“, so die Osteoarchäologin.

Offene Fragen bleiben

Der Fall des gekreuzigten Mannes wirft aber auch Fragen auf. Denn obwohl der Mann vor seinem Tod offenbar gefangen gehalten wurde und dann am Kreuz starb, erhielt er trotzdem ein ganz normales Begräbnis auf dem kommunalen Friedhof. Das aber war für Gekreuzigte im Römischen Reich unüblich. Zudem wurden die Nägel bei den Kreuzigungsopfern nach deren Tod meist wieder entfernt. Dass der Tote mitsamt der Nägel im Grab lag, ist daher ebenfalls ungewöhnlich.

Wer dieser Gekreuzigt war und warum er trotz Gefangenschaft und Todesstrafe ein normales, ehrenvolles Begräbnis erhielt, bleibt vorerst sein Geheimnis. (British Archaeology, Jan/Feb 2022)

Quelle: University of Cambridge, Albion Archaeology

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