Ob Komet Leonard, Lovejoy oder Neowise: Bei vielen Kometen leuchtet der „Kopf“ auffallend grün, merkwürdigerweise aber nie ihr Schweif. Warum das so ist, haben Forscher nun erstmals im Experiment nachvollzogen. Demnach zerfällt das für das grüne Leuchten verantwortliche Molekül Dikohlenstoff (C2) unter dem UV-Licht der Sonne – und diese Photodissoziation geschieht, bevor der Dikohlenstoff vom Kometenkern bis in den Schweif strömen kann.
Wenn Kometen aus den dunklen, kalten Gefilden des Kuipergürtels oder der Oortschen Wolke ins innere Sonnensystem kommen, werden sie aktiv: Durch die Sonnenwärme sublimiert das Eis des Kometenkerns und reißt Staub und Gase ins All hinaus – es bilden sich der Schweif und die Kometenhülle, die Koma. Dabei leuchtet der Kopf des Kometen oft auffallend grün. Das ist auch bei dem zurzeit am Himmel sichtbaren Kometen C/2021 Leonard der Fall.
Grün nur am Kometenkopf – aber warum?
Das Merkwürdige jedoch: Die grüne Färbung ist zwar typisch für Kern und Koma vieler Kometen, tritt aber nie am Kometenschweif auf. Er bleibt auch bei leuchtend grünem Kometenkopf meist weißlich, gelblich oder leicht violett. Auffallend auch: Kommt der Komet dann der Sonne noch näher, verliert er seine grüne Farbe wieder und auch die Koma wird wieder weißlich. Aber warum?
Klar ist, dass die grüne Färbung auf das Molekül Dikarbon (C2) zurückgeht, eine Verbindung aus zwei Kohlenstoffatomen. „Dieses Molekül findet sich in Flammen, Kometen, Sternen und dem diffusen interstellaren Medium“, erklären Jasmin Borsovszky von der University of New South Wales in Sydney und ihre Kollegen. In der Kometenkoma wird es dann gebildet, wenn organische Moleküle unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung zerfallen.
Erster Praxistest für eine 90 Jahre alte Theorie
Das aber erklärt nicht, warum der Kometenschweif niemals grün wird. Eine Hypothese dazu postulierte der Physikochemiker Gerhard Herzberg in den 1930er Jahren. Er vermutete, dass Dikohlenstoff bei zu starker Sonnenstrahlung seinerseits zerfällt. „Aber diese Photodissoziation des Dikohlenstoffs wurde nie direkt beobachtet und der Mechanismus dieses Zerfalls ist ungeklärt“, erklären Borsovszky und ihre Kollegen.
Der Grund dafür: Dikohlenstoff entsteht nur unter extremen Bedingungen und ist hochreaktiv. Daher ist es schwer, das Molekül im Labor herzustellen und lange zu halten. Doch das ist dem Forscherteam nun gelungen. „Wir haben zunächst das Dikarbon hergestellt, indem wir das größere Molekül Perchloroethylen, kurz C2Cl4, mit einem starken UV-Laser beschossen und ihm so seine Chloratome nahmen“, erklärt Borsovszkys Kollege Timothy Schmidt.
Die erzeugten Dikohlenstoff-Moleküle wurden durch eine rund zwei Meter lange Vakuumkammer geleitet, wo sie erneut zwei UV-Laser passieren mussten. Dies sollte die Strahlung in Sonnennähe simulieren. Über Teilchendetektoren und Spektrometer gelang es dem Team, die Anregungs- und Bindungszustände der Moleküle zu erfassen.
Photodissoziation bestätigt
Das Ergebnis: Obwohl die beiden Kohlenstoffatome im Dikohlenstoff sehr fest gebunden sind und ihre Dissoziationsenergie bei rund 602,804 Kilojoule pro Mol liegt, können sie bei ausreichend hoher Strahlung zerfallen. „Um die Vierfachbindung des Dikohlenstoffs mithilfe des Sonnenlichts zu brechen, muss das Molekül zwei Photonen absorbieren und zwei ‚verbotene‘ Übergänge durchlaufen“, berichten Borsovszky und ihre Kollegen. Ihre Messungen bestätigten jedoch, dass das UV-Licht im inneren Sonnensystem dafür ausreicht.
Nach rund 90 Jahren hat das Forschungsteam damit die Theorie von Herzberg bestätigt. „Es ist extrem befriedigend, ein Rätsel gelöst zu haben, das bis in die 1930er Jahre zurückgeht“, sagt Schmidt. „Wir haben wir den Mechanismus gefunden und bewiesen, dass Dikohlenstoff vom Sonnenlicht aufgebrochen wird.“
Zerfall zu schnell für den Schweif
Damit ist nun auch geklärt, warum zwar die Koma vieler Kometen grün leuchtet, nicht aber ihr Schweif: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Dikohlenstoff-Moleküls in der Kometenkoma liegt den Messdaten zufolge bei rund 160.000 Sekunden – rund 44 Stunden. Spätestens zwei Tage nach seiner Entstehung ist das Molekül demnach wieder zerstört – zu schnell, um die Koma zu verlassen und bis in den Schweif vorzudringen.
„Das erklärt, warum der Schweif des Kometen nicht grün ist und auch, warum die grüne Koma schrumpft, wenn der Komet der Sonne näher kommt“, sagt Schmidt. Komet Leonard und seine Artgenossen machen damit über ihre Farbe direkt sichtbar, welchen Einfluss das energiereiche Licht der Sonne auf chemische Prozesse im Weltall hat. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2113315118)
Quelle: University of New South Wales